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Perspektiven und Vorschriften zu Purim 5783

Perspektiven und Vorschriften zu Purim 5783

Aus Sefer Hatoda’a – Das Jüdische Jahr. Bearbeitet und ergänzt von S. Weinmann

Der 13. Adar – der Tag der Versammlung zum Kriege – ein Fasttag

Der 13. Adar – Ta’anit Esther – ist ein Tag des Gedenkens an den Fasttag, an dem Mordechai, Esther und ganz Israel einen Fasttag ausriefen. An diesem selben Tag hatten die Feinde Israels die Überwältigung und Zerstörung des Volkes geplant. ‘Wenahafoch hu’ [Esther 9:1], gerade das Gegenteil trat ein, denn es waren die Juden, die sich zusammenscharten in ihren Städten, um ihre Feinde zu überwältigen. Es war ein Brauchtum, jedes Mal, wenn das Volk Israel gegen seine Feinde in den Krieg ziehen musste, einen Fasttag einzurichten, um G-tt um Hilfe anzuflehen. Auch als Mosche Rabbejnu Krieg gegen Amalek führen musste, fastete er.

Der Sinn eines solchen Fasttages war es, zu betonen, dass es nicht menschliche Kraft ist, die einen Sieg bewirken kann, sondern nur, wenn das Volk seine Augen zum Himmel erhebt um G”ttliche Gnade zu erbitten, erhält es die Kraft für einen Sieg. Darum fasteten auch die Juden in jener Generation, als sie sich gegen ihre Feinde versammelten. Und zum Andenken an jenen Fasttag wurde ein Fasttag für alle Generationen an diesem Tag festgesetzt, damit wir gedenken sollen, dass G”tt die Gebete jedes Menschen sieht und hört; wenn der Mensch damit wirklich die Absicht hat, mit ganzem Herzen zu G”tt zurückzukehren. Es wird ihm die gleiche Hilfe erteilt, die unseren Vorfahren zur Zeit von Mordechai und Esther verliehen wurde.

Die Bestimmung, den 13. Adar in allen Generationen als Fasttag zu begehen, wird in der Megilla, der Rolle Esther, angedeutet: ‘…und wie sie es für sich und ihre Kinder auf sich genommen haben, betreffs der Fasttage und ihres Wehgeschreis’ [Esther 9:31].

Dieser Fasttag wird Ta’anit Esther (das Fasten Esther) genannt, denn sie hatte als erste bei Mordechai um Fasttage gebeten: ‘Geh und

 

versammle alle Juden, die sich in Schuschan befinden, fastet für mich, esst und trinkt nicht drei Tage lang, Nacht und Tag. Auch ich werde mit meinen Mädchen fasten’ [Esther 4:16]. Zwar fasten wir heute nicht mehr drei Tage lang, wie dies damals der Fall war, und auch das Datum stimmt nicht mit jenen Fasttagen überein, denn Esther und das ganze Volk fasteten am 14., 15. und 16. Nissan, sofort nach Hamans Dekret, das er am 13. Nissan erliess. Unser Fasttag jedoch wird am 13. Adar gehalten, denn dies ist der Tag, an dem sich die Juden zum Kampf gegen ihre Feinde versammelten. Trotzdem wird dieser Tag ‘Ta’anit Esther’ genannt, denn sie war es, die die Initiative zu Fasttage ergriffen hatte.

Manche sagen zwar, dass der Fasttag, den wir begehen, vor allem als Erinnerung an jene drei von Esther verordneten Tage festgesetzt worden sei, doch konnte man diesen nicht am gleichen Datum festsetzen, weil man im Nissan nicht fastet. Darum setzten unsere Weisen den 13. Adar fest, den Tag, ‘als sie sich gegen ihre Feinde versammelt hatten’. Obwohl nun das Fasten Esther an die ursprünglichen drei Tage erinnern soll, haben unsere Weisen mit Nachsicht nur einen Tag verordnet.

Um es aber ganz genau zu nehmen, gibt es Leute, die drei zusätzliche Fasttage halten, nämlich am Montag, Donnerstag und wieder Montag nach Purim [Siehe Schulchan Aruch 686:3]. Andere wiederum fasten am 13. Adar freiwillig auch in der Nacht, da Esther die Fasttage für dreimal 24 Stunden ausgerufen hatte.

Ta’anit Esther, das Fasten Esther

Da Ta’anit Esther nicht zu den in den Schriften erwähnten vier Fasttagen gezählt wird, wird er etwas weniger streng gehalten als die anderen. Schwangere und stillende Frauen, sowie auch kranke und schwache Menschen, denen das Fasten schwerfällt, fasten nicht. Die für die übrigen Fasttage vorgeschriebenen Gebete, Anejnu in der Schemone Essre, und Toravorlesungen, Wajechal beim Morgen- und Nachmittagsgebet, gelten wie bei den anderen Fasttagen.

Fällt Purim auf Sonntag und der 13. Adar auf Schabbat, wird der Fasttag auf den vorangehenden Donnerstag, d.h. auf den 11. Adar, vorverlegt. Man kann ihn wegen Purim nicht auf später verschieben. Auch darf man den Fasttag nicht auf Erew Schabbat, Freitag, vorverschieben, denn sobald er nicht am ursprünglichen Datum gehalten werden kann (Schabbat), verlegt man ihn, um die Würde des Schabbat zu bewahren, auf noch einen Tag vorher, also auf Donnerstag. Es ist nicht gemessen, am Erew Schabbat Selichot und Wehklagen zu lesen. Auch beim Bereiten der Speisen für Schabbat könnte man an einem Fasttag sie nicht abschmecken, und so wird er vorverlegt. Ein anderer Fasttag aber, dessen Datum auf einen Erew Schabbat fällt, wie Assara beTewet (10. Tewet), wird nicht verschoben.

 

Am Ta’anit Esther sagt man zu Mincha kein Tachanun. Manche haben sogar den Brauch, am Ta’anit Esther zu Mincha schon festliche Kleider anzulegen, da ja die Megilla anschliessend vorgelesen wird.

 

Der halbe Schekel

Am 13. Adar während des Minchagebetes ist es Sitte, drei Silbermünzen vom halben Werte der gültigen Landesmünze zu spenden. Dieses Geld ist für die Armen bestimmt. Diese Spende soll an den Machazit Haschekel (halben Schekel) erinnern, den Israel im Monat Adar entrichten musste, als der Tempel noch stand. Bereits am Rosch Chodesch Adar wurde die bevorstehende Sammlung des halben Schekel ausgerufen.

 

Diese Erinnerungshandlung wird vor dem Vorlesen der Megilla ausgeführt, da sich die ganze Gemeinde dazu in der Synagoge versammelt. Man tut dies vor Mincha, denn ‘Serisim Makdimim leMizwot’, die Beflissenen beeilen sich eine Mizwa auszuführen. In den sogenannten ‘offenen Städten’ (ohne Mauer) gibt man den halben Schekel vor dem Lesen der Megilla, also am Abend zum 14. Adar, aber die Bewohner von Jerusalem, die Schuschan Purim feiern, also am 15. Adar, erfüllen die Mizwa erst einen Tag später, am Abend zum 15. Adar.

 

An Orten, an denen es in der gültigen Währung keine Münzen gibt, die als die Hälfte der gültigen Münzeinheit gekennzeichnet sind, ist es Sitte, dass die Gabba’im (Laienvorsteher der Synagoge), halbe Münzen von fremden Währungen bringen. Diese Münzen werden dann dem Spendewilligen gegen ihren Wert in der Landeswährung umgetauscht, und der Spender erfüllt die Mizwa mit diesen drei Münzen. Nachher tauscht der Gabbai die drei halben Münzen wieder einem anderen Spender  damit auch er die Mizwa richtig erfüllen kann, etc.

 

Wer die Mizwa besonders grosszügig erfüllen will – Hiddur Mizwa – gibt drei halbe Schekel nicht nur für sich selbst, sondern für alle Mitglieder der Familie, sogar für die Minderjährigen. Ist eine Frau schwanger, so wird auch für das ungeborene Kind gespendet. Hat nun ein Vater einmal für sein minderjähriges Kind gespendet, so muss er dies von nun an jedes Jahr tun.

 

Warum man für diese Mizwa gerade drei Hälften gibt, hat seinen Ursprung in der Tora: Im Wochenabschnitt Ki Tissa kommt der Ausdruck Teruma, Spende, dreimal vor, und dies im Zusammenhang mit dem Machazit Haschekel. Man kann aber die Spende der drei halben Schekel nicht als ‘Matanot La’Ewjonim’ (Geschenk für die Armen) anrechnen, denn Matanot La’Ewjonim ist eine spezifische Mizwa, die am Purimtag erfüllt werden muss.

 

Der Tag des Nikanor

Der 13. Adar wird im Talmud auch als ‘Tag der Rache an dem Feind’ erwähnt. Dies bezieht sich auf die Zeit der Hasmonäer und richtet sich gegen einen Tyrannen, der den Staat Jehuda grausam unterwarf und der sich G”tteslästerlich gegen die Heilige Stadt Jerusalem aussprach. Dieser Tyrann hiess Nikanor. Er fiel in die Hand von Jehuda, Sohn des Matitjahu, am 13. Adar. Darum wurde dieser Tag zum Freudentag ausgerufen (Traktat Ta’anit 18b).

 

Die Purimtage

Purim wird an zwei Tagen gefeiert, am 14. und 15. Adar. In den Städten jedoch, an denen am 14. gefeiert wird, wird am 15. nicht gefeiert, und umgekehrt.

So hatten es unsere Weisen angeordnet, die das Purimfest für alle Generationen festsetzten. ‘Lekajem et Jemei HaPurim Bismanejhem’, die Purimtage zu ihren Zeiten einzuhalten. ‘Zu ihren Zeiten’, d.h. an jedem Ort zu seiner besonderen Zeit. Der Grund, Purim zu verschiedenen Zeiten zu feiern, besteht darin, dass die Juden von Schuschan an einem anderen Tag gefeiert haben als die Juden in den übrigen Städten. In allen anderen Provinzen Persiens hatten die Juden am 13. Adar gegen ihre Feinde gekämpft und am 14. Adar wurde gefeiert. In Schuschan jedoch wurde am 13. und 14. Adar gekämpft, und erst der 15. wurde zum Freudentag.

Eigentlich wäre dieser Unterschied nur zwischen Schuschan und allen anderen übrigen Orten. Doch die Weisen jener Generation wollten Erez Jisrael, das damals verwüstet war, Ehre erweisen. Darum setzten sie folgendes fest: Schuschan, die Stadt, in der das Wunder geschah, sollte eine Sonderstellung erhalten, und dort soll das Fest immer am 15. Adar gefeiert werden; dies trotz der Tatsache, dass sie in den Tagen Jehoschuas (zur Zeit der in Besitznahme Erez Jisraels) noch keine befestigte Stadt war, und darum als Stadt nur eine untergeordnete Stellung hatte. Alle anderen Städte, die zur Zeit Jehoschuas bereits bewohnt und von Mauern umgeben waren, sollten zur gleichen Stellung erhoben werden wie Schuschan, obwohl sie inzwischen schon zerstört waren. In ihnen sollte wie in Schuschan am 15. Adar gefeiert werden. Städte jedoch, die zur Zeit von Jehoschua nicht von Mauern umgeben waren, auch wenn sie zur Zeit des Wunders von Mauern umgeben waren, sollten nicht Schuschan gleichgestellt werden. In ihnen feiert man am 14. Adar.

Welches sind nun die Kriterien, nach denen eine Stadt beurteilt werden soll? Es ist der Zustand der jeweiligen Stadt zur Zeit von Jehoschua. Dies bedeutet, Städte, die entweder von Jehoschua in Erez Jisrael befestigt vorgefunden wurden oder zu jener Zeit gebaut worden waren, haben den Status einer ewig befestigten Stadt. Ihre augenblickliche Zerstörung wird nur als vorübergehend angesehen. Städten, die später von Mauern umgeben wurden, wird kein Ewigkeitswert zugesprochen.

Darum wird das Purimfest, das am 14. Adar gefeiert wird, ‘Purim der offenen Städte’ – ‘Purim DePrasot’ – genannt, und das Purimfest des 15. Adars heisst ‘Purim der mauernumgebenen Städte’ – ‘Purim DeKrachim HaMukafim’. In unserer Zeit wird ausser Schuschan ohne jeglichen Zweifel nur in Jerusalem am 15. Adar gefeiert. In einigen Städten wird die Megilla – zusätzlich zum 14. Adar – auch am 15. Adar gelesen, doch nur des Zweifels wegen, ob diese als ummauert gelten im Sinne der Halacha oder nicht. In diesen Gemeinden wird das Purimfest wie überall am 14. Adar gefeiert, und obwohl die Megilla am 15. Adar nochmals gelesen wird, liest man sie ohne die übliche Bracha, die dem Megillalesen vorausgeht.

 

Die vier Mizwot am Purimtag

Es gibt vier Mizwot, die für den Purimtag vorgeschrieben sind, sie wurden durch das Sanhedrin und den Propheten eingeführt:

 

  1. Megillat Esther – Das Vorlesen der Megilla,
  2. Matanot La’Ewjonim – Geschenke für die Armen
  3. Mischte – Se’uda – Festessen und Freude,
  4. Mischloach Manot – das Schicken von Esswaren an Freunde.

 

Weitere zwei Vorschriften für den Purimtag

Unsere Weisen haben zusätzlich das Vorlesen von ‘Wajawo Amalek’, und Amalek kam [Schemot 17:8-16], während des Morgengebetes angeordnet, ebenso die Erinnerung an das Wunder durch die Einschaltung des ‘Al Hanissim’ in der Schemone Essre und im Tischgebet.

 

Warum kein Hallel?

Warum wird am Purim kein Hallel gesagt, so wie an allen anderen Feiertagen und Chanukka? Im Talmud [Traktat Megilla 14a] finden wir drei Antworten auf diese Frage:

Erstens, wird die Megilla als ‘Hallel des Tages’ angesehen.

Ein zweiter Grund ist folgender: Man sagt kein Hallel über ein Wunder, das nicht in Erez Jisrael selbst geschehen ist. Der Einwand gegen dieses Argument ist, dass man auch Hallel am Pessach über das Wunder des Auszugs aus Ägypten sagt. Jedoch lautet die Überlieferung: ‘Bis Israel nicht in sein eigenes Land kam, waren alle Länder geeignet, um Schira, Loblieder (Hallel), zu singen. Vom Augenblick an, da sie nach Erez Jisrael kamen, war Israel das einzige Land, das zum Lobliedsingen geeignet war.

Einen dritten Grund gibt die Gemara an. Wir sagen in Hallel: ‘Lobet Ihn, ihr Diener G”ttes.’ Nun seid ihr Diener G”ttes, und nicht mehr Sklaven von Pharao. Nach dem Purimwunder jedoch blieben wir im Exil auch weiterhin Diener von Achaschwerosch.

Alle erwähnten Mizwot beziehen sich auf offene, wie auch befestigte Städte, je nach ihrer festgelegten Zeit. Wo sie am 14. Adar ausgeführt werden, werden sie nicht am 15. Adar ausgeübt und umgekehrt.

An beiden Purimtagen darf man nicht fasten und auch keinen Hesped, Trauerrede, halten. Dies gilt für alle und für überall. In einem Schaltjahr gelten diese Vorschriften auch für den 14. und 15. des Adar Rischon, obwohl Purim erst im Adar Scheni ist.

Ebenso soll ein ‘Awel’ (Trauernder) an diesen zwei Purim-Tagen seine Trauer nicht in der Öffentlichkeit zeigen. Er sitzt nicht auf der Erde und zieht auch seine Schuhe nicht aus. Genau wie am Schabbat trauert er nur, soweit es sein intimes Leben betrifft.

Man darf zwar am Purim arbeiten, doch sollte man es, wenn möglich, vermeiden. Unsere Weisen sagen: ‘Wer am Purim Arbeit verrichtet, wird in ihr keinen Segen sehen’. Die Rede hier ist nur von solcher Arbeit, die finanziellen Gewinn bringt. Jede Arbeit, die mit einer Mizwa oder mit den Mizwot von Purim verbunden ist, ist erlaubt. In den ‘offenen Städten’ am 15., sowie in den ‘befestigten Städten’ am 14. Adar besteht kein Arbeitsverbot.

 

Purim Meschulasch – Ein dreifaches Purim-Fest

 Fällt ein 15. Adar auf Schabbat, dann feiern die offenen Städte wie gewohnt am 14. Adar, also am Freitag. Die befestigten Städte jedoch (die Bewohner von Jeruschalajim und Schuschan) feiern an drei Tagen: Am Erew Schabbat, also am 14. Adar, liest man die Megilla und gibt ‘Matanot laEwjonim‘ – Geschenke den Armen. Am Schabbat, dem 15. Adar, liest man aus der Tora ‘Wajawo Amalek’ (in der 2. Sefer Tora) und schaltet Al Hanissim in der Schemone Esre und im Tischgebet ein. Am Sonntag, dem 16. Adar, macht man die Se’uda, das feierliche Festessen, und schickt auch Speisen – Mischloach Manot – an seine Freunde.

Der Grund für diese Anordnungen ist folgender: Unsere Weisen bestimmten, dass am Schabbat die Megilla nicht gelesen werden darf, damit man nicht dazu kommt, die Megilla auf öffentlichem Gebiet zu tragen, wenn man sie von einem Kundigen vorgelesen haben will.

Warum wird dann das Lesen der Megilla vorverschoben und nicht auf den Sonntag verschoben?

Die Regel

In der Regel wenn irgend eine Mizwa auf den Schabbat fällt, und man sie am Schabbat – aus irgend einem Grund – nicht erfüllen kann, so wird diese Mizwa auf den Sonntag verschoben. Warum? Ganz einfach, weil die Zeit der Mizwa am Freitag noch nicht gekommen ist. Beispiele: Die Fasttage, wie Tisch’a beAw, Schiw’a Assar beTamus und Zom Gedalja (Assara beTewet fällt nie auf Schabbat) werden auf Sonntag verschoben, weil man am Schabbat nicht fasten darf. Korban Chagiga (Festtags-Opfer), das jeder Jehudi am ersten Tag von Pessach, Schawuot und Sukkot bringen muss, wird auf Sonntag verschoben, weil ein privates Opfer am Schabbat nicht dargebracht werden darf.

Und hier bildet das Megilla-Lesen eine Ausnahme. Warum?

Unsere Weisen weisen darauf hin, dass es in der Megilla heisst [Esther 9:27] ‘Welo Ja’awor’, man überschreite nicht, d.h. wenn am festgesetzten Tag die Vorlesung nicht möglich ist, so soll man sie vorverlegen und nicht hinausschieben. Was die Mizwa ‘Matanot laEwjonim‘ (Geschenke für Arme) betrifft, so ist es natürlich sinnvoll, sie am Tag des Megilla-Lesens zu geben, damit der Arme das Purimfest gebührend vorbereiten und feiern kann.

Warum wird die Purim-Festmahlzeit aber nicht am Schabbat gemacht? Hier besteht ja absolut kein Problem, sie am Schabbat zu machen. Die Antwort steht im Talmud Jeruschalmi [Traktat Megilla 1:4]: In der Megilla heisst es [Esther 9:22]: ‘…la’assot otam jemej Mischte weSimcha… diese Tage zu Tage von Mahlzeit und Freude zu machen…’Machen’ bedeutet, dass es von unserem ‘Machen’ abhängig ist, d.h. durch das Bejt Din (Gerichtshof), das für die Heiligung des Rosch Chodesch (Neujahrestages) zuständig ist (Kalenderdaten). Hingegen Schabbat ist nicht vom Bejt Din abhängig, denn seit der Schöpfung der Welt ist jeder siebte Tag heilig. Und da am Schabbat nicht erkenntlich ist, dass wir die Mahlzeit für Purim machen, da bereits eine Mizwa zur Mahlzeit für Schabbat besteht, deshalb muss die Se’uda auf Sonntag verschoben werden.

Nur bleibt noch zu verstehen, beim Megila-Lesen wurde darauf hingewiesen, dass ‘Welo Jaawor’ steht und daher das Lesen nicht auf den nächsten Tag verschoben werden darf, wieso ist dies bei der Se’uda anders? Die Antwort darauf ist, dass ‘Welo Jaawor’ nur im Zusammenhang vom Megila-Lesen steht und man daher gezwungen ist das Megilla-Lesen vorzuverschieben. Jedoch bei der Festmahlzeit bleibt die übliche Regel, dass man die Mizwa auf den darauffolgenden Tag verschiebt.

Und wie steht es mit dem Schicken von ‘Mischloach Manot’? Das Schicken von Mischloach Manot am Schabbat ist unmöglich, da man von einem Bereich zum anderen nicht tragen darf. Aber auch selbst dort, wo man tragen darf, ist doch das Schicken der Mischloach Manot  (Speise und Trank) für das Festessen gedacht und dieses findet ja am Sonntag statt.  

Wenn die Megilla in den befestigten Städten am 14. Adar gelesen wird, sollte dies nur in einem Minjan geschehen, denn da sie nicht am vorgeschriebenen Tag gelesen wird, muss man diese Mizwa in der Gemeinschaft ausüben. Wenn man kein Minjan hat, wird die Megilla ohne Beracha gelesen.

Da es Meinungen gibt (Chason Isch), dass das Schicken von Mischloach Manot nicht mit der Se’uda verbunden ist, wird in den befestigten Städten mit dem Schicken schon am 14. Adar begonnen, obwohl dies, wie bereits erwähnt, hauptsächlich am 16. geschehen soll. Auch die Se’uda von Schabbat wird zu Ehren von Purim festlicher begangen. (Um allen Meinungen zu genügen, wird die Se’uda und Mischloach Manot an allen drei Tagen ausgeübt)

‘Wajawo Amalek’ wird am Schabbat zu Maftir aus einer zweiten Torarolle gelesen, nachdem die sieben Leute zur gewöhnlichen Toravorlesung aufgerufen worden waren.

Auch am Sonntag, den 16. Adar ist man festlich gekleidet und nach dem Minchagebet wird die Se’uda abgehalten. Al Hanissim jedoch wird weder in der Schemone Esre noch im Tischgebet eingeschaltet.

Das Lesen der Megilla

Man ist verpflichtet, die Megilla am Vorabend und am nächsten Morgen zu lesen. Das Lesen ist in der Nacht bis zur Morgendämmerung erlaubt. Am Tag kann man dies vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang tun. Hat man jedoch vor Sonnenaufgang, aber nach dem Erscheinen der Morgenröte, schon gelesen, so hat man nachträglich seine Pflicht trotzdem erfüllt.

Sowohl Männer als auch Frauen sind zu dieser Mizwa verpflichtet. Es ist vorzuziehen, diese Mizwa des Megilla-Lesens öffentlich, in der Synagoge, zu erfüllen. Sogar wenn man im eigenen Hause genügend Leute hat, um die Megilla im Minjan vorlesen zu können, soll man dies doch in der Synagoge tun, denn ‘Viel Volk gibt dem König Würde’ (Mischlej/Sprüche14, 28), und so wird auch dem Wunder ein stärkerer Ausdruck in der Öffentlichkeit gegeben – Pirsum Haness.

Die Pflicht, die Megilla zu lesen, lässt andere Mizwot in den Hintergrund treten. Sogar die Pflicht des Toralernens und andere von der Tora gebotene Mizwot werden erst nach dem Megilla-Lesen ausgeführt. Die einzige Ausnahme bildet die Bestattung eines Toten, der keine Angehörigen hat, dort wird das Megilla-Lesen auf nach der Bestattung verdrängt.

Wenn man die Megilla anhört, so ist dies, als ob man sie selbst gelesen hätte, vorausgesetzt, dass der Vorlesende selbst zur Mizwa verpflichtet ist. Jedes einzelne Wort muss deutlich gehört werden, andernfalls gilt die Mizwa als nicht erfüllt.

Es ist vorteilhaft, eine koschere Megilla aus Pergament vor sich zu haben, und leise mit dem Vorlesenden mitzulesen. So hat man, wenn man ein Wort nicht richtig hörte, aus seiner eigenen Megilla mitgelesen. Aber auch wenn man aus einer gedruckten Megilla oder einem Tanach einige  nicht gehörte Worte gelesen (ergänzt) hat, hat man die Mizwa erfüllt.

Es ist Brauch, die Megilla beim Vorlesen weit auszubreiten. Die Pergament-Blätter werden eines unter das andere gefaltet, damit sie nicht vom Pult herunterhängen. Sie sollte nicht wie eine Torarolle beim Lesen gerollt sein. Der Grund dafür ist, dass die Megilla ‘Igeret’, Brief, genannt wird [Esther 9:29], ‘Lekajem et Igeret Hapurim’, den Purimbrief aufrechtzuerhalten. Und die Art und Weise eines Brieflesenden ist, dass er den ganzen Brief offen hält. Darum sollte sie vor dem Lesenden vollständig offen ausgebreitet sein. Auch die Tatsache, dass man die Megilla in einer anderen Weise beim Lesen hält, trägt zur Veröffentlichung des Wunders bei. Zwar ist dieser Brauch nur für den Vorlesenden vorgeschrieben [Schulchan Aruch 690:16], jedoch haben sich viele Zuhörende auch diese Art des Aufeinanderfaltens der Pergamentblätter zur Sitte gemacht (Pri Megadim).

Es ist Brauch, vor dem Lesen der vier ‘Verse der Erlösung’ eine kleine Pause zu machen, damit die Gemeinde diese Verse laut vorlesen kann. Dann liest der Vorlesende aus seiner Megilla diese Verse noch einmal, denn so ist die Erfüllung der Mizwa vollständig.

Dies sind die vier ‘Psukim schel Ge’ula’, Verse der Erlösung:

  1. ‘Isch Jehudi haja beSchuschan HaBira uSchemo Mordechai…’ (Esther 2, 5), denn damit beginnt die Erlösung.
  2. ‘UMordechai jaza milifnej HaMelech BiLewusch Malchut… (Esther 8, 15), und der darauffolgende Vers:
  3. ‘LaJehudim Hajeta Ora WeSimcha WeSasson WiJkar’ (Esther 8, 16), und der letzte Vers:
  4. ‘Ki Mordechai HaJehudi Mischne LaMelech…(Esther 10, 3).

Zweck dieses Brauchs ist es, die Kinder durch das laute Lesen wachzuhalten, damit das grosse Wunder, das in den Tagen von Mordechai und Esther geschehen ist, in ihre Herzen dringe.

Die Stelle: ‘BaLajla hahu nadeda Schenat HaMelech…’ – ‘In jener Nacht wich der Schlaf des Königs… (Esther 6, 1) pflegt man auch laut und mit einer Änderung der Melodie zu lesen, denn dies wird als Höhepunkt des Wunders angesehen und auch hier beginnt die Rettung sich zu offenbaren.

Die Namen der zehn Söhne Hamans, zusammen mit den vier vorangehenden Worten ‘Chamesch Meot Isch We’et… (500 Mann und…)’ und das Wort ‘…Asseret’ am Ende (Esther 9, 6-10) werden in einem Atemzug gelesen, um damit darauf hinzuweisen, dass sie gemeinsam gerichtet und gehängt wurden und im gleichen Moment starben. Die erwähnten umgebrachten 500 Männer bestanden aus zehn Gruppen, jede Gruppe von 50 Mann unter dem Kommando eines Sohnes von Haman, deren Befehle sie ausführten. Sollte der Vorlesende nicht imstande sein dieses in einem Atemzug zu lesen, hat er trotzdem die Mizwa des Megilla-Vorlesens erfüllt.

Die Vorschriften der Megilla-Segenssprüche

 Wer die Megilla vorliest, macht drei Berachot vor dem Lesen und eine danach, und denkt gleichzeitig daran, damit auch die Gemeinde ihrer Pflicht zu entledigen (Mozi zu sein). Die Zuhörenden antworten ‘Amen’ und sollen dabei in Sinn haben, die Mizwa zu erfüllen. Man sagt aber nicht ‘Baruch Hu uWaruch Schemo’, um die Beracha nicht zu unterbrechen.

 

Die drei Berachot vor dem Megilla-Lesen:

  1.  ‘…. Der uns geheiligt hat mit Seinen Geboten und uns das Megilla-Lesen befohlen hat.’
  2. ‘…. Der unseren Vätern Wunder getan hat, in jenen Tagen zu dieser Zeit.’
  3. ‘…. Der uns am Leben liess und uns erhalten hat, und Der uns diese Zeit erreichen liess.’

Nach der Vorlesung wird eine Beracha gesagt: ‘… Haraw et Riwejnu’ – Der sich einsetzt, um für uns zu streiten. Es folgen zwei zusätzliche Abschnitte, ‘Ascher Hejni’ und ‘Schoschanat Ja’akow’. Der zweite Abschnitt enthält die Worte, die unsere Weisen uns auferlegt haben am Purim zu sagen: ‘Unter Fluch liegt Haman und unter Segen Mordechai….. und auch Charwona soll zum Guten gedacht werden.’ Beim Lesen der Megilla am Morgen wird ‘Ascher Hejni’ nicht gesagt.

Die Berachot vor dem Megilla-Lesen werden auch am Morgen gesagt. Am Morgen soll man bei der dritten Beracha – Schehechejanu –   seine Gedanken auch auf die drei übrigen Mizwot richten, die im Laufe des Tages erfüllt werden: Se’uda, Mischloach Manot und Matanot Le’Ewjonim

Wer die Megilla alleine liest, sagt nur die Berachot vor dem Lesen. Wer die Pflicht des Megilla-Lesens schon erfüllt hat und noch einmal öffentlich vorliest, muss alle Berachot sagen, und die Zuhörenden antworten mit ‘Amen’. Wenn er aber für einen einzelnen liest, dem die Berachot geläufig sind, soll der Zuhörer die Berachot sprechen.

Vor der Nach-Beracha ‘Haraw et Riwenu’ wird die Megilla erst zusammengerollt, da es sich nicht ziemt, die Megilla nach dem Vorlesen offenzulassen.

Nach gewissen Rischonim sind Frauen nur dazu verpflichtet die Megilla anzuhören, aber nicht zu lesen, und sagen deshalb – wenn sie die Beracha sprechen – ‘Lischmoa Mikra Megilla’ statt ‘Al Mikra Megilla’. Nach anderen Rischonim hat sie genau gleiche Pflicht wie die Männer. In sefardischen Gemeinden liest man den Frauen die Megilla ohne Beracha vor.

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 Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

 

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