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Die Seder-Nacht –  (Der Monat Nissan – 3. Teil)

Die Seder-Nacht –  (Der Monat Nissan – 3. Teil)

Die Seder-Nacht (Der Monat Nissan – 3. Teil)

Aus Sefer Hatoda’a- Das Jüdische Jahr. Bearbeitet und ergänzt von S. Weinmann

Eine Nacht der festlichen Heiligung

Der Heilige, gelobt sei Er, wollte die Herzen des jüdischen Volkes erfreuen, wollte ihnen Hoffnung für die Zukunft geben und sie auch die Grösse der damaligen Zeit kundtun. ‘Haschir jihje lachem keLejl Hitkadejsch Chag…’, das Lied wird euch künftig wie die Nacht des heiligen Festes sein (Jeschajahu 30, 29). Dies bedeutet, dass das Lied der zukünftigen Zeiten wie diese Pessachnacht sein wird. Dies bezieht sich nicht nur auf die Nacht des Auszugs aus Ägypten und auch nicht auf den Augenblick, als sie das Lied zum Dank für das Überschreiten des Roten Meeres anstimmten. Damals gab es noch kein Fest. Sogar die Mizwot, die sich auf das Pessachfest beziehen, wurden erst in der Wüste gegeben, obwohl sie davon schon in Ägypten erfuhren.

‘Die Nacht des heiligen Festes’ bezieht sich auf das Feiern der Pessachnacht in allen Generationen, für alle Kinder Israels, wo und wann auch immer sie es feierlich begehen. Da wird in jedem jüdischen Haus von den grossen Taten G”ttes erzählt, und alle singen G”ttes Lob. Auch die Engel im Himmel singen mit, und die ganze Schöpfung im Himmel und auf Erden stimmt freudig in dieser Nacht mit ein.

Das Lied dieser Nacht, das Lied aller Geschöpfe, wird nicht immer vom menschlichen Ohr vernommen. Es gibt Zeiten, in denen die Menschen nichts davon hören, und Zeiten, in denen sie es wohl vernehmen, sich aber des Sinnes nicht bewusst sind. Manchmal ist es der Schleier der Vergesslichkeit und manchmal die allzu grosse Genusssucht, die des Menschen Ohr verschliessen für dieses Lied.

Doch wenn es dem Menschen einmal vergönnt ist, reinen Herzens und in aller Stille sich selbst zu finden, so hört er, wie dieses Lied aus ihm selbst und aus allem, das ihn umgibt, hervorbricht. ‘Hallelu-ka, Hallelu Awdej Haschem’, lobet G”tt, lobet, ihr Diener G”ttes, dieser Gesang erfüllt das All, und in diesem Augenblick erwidert die Seele: ‘Jehi Schejm Haschem meworach me’ata we’ad Olam’, es sei der Name G”ttes gepriesen von nun an bis in alle Ewigkeit. Man möchte diesen Augenblick für immer festhalten. Kein Schleier der Vergesslichkeit und kein Jagen nach materiellen Gütern vermögen dieses Glücksgefühl zu beeinträchtigen. Man möchte ausrufen: Oh könnte ich doch immer sehen, dass G”ttes Name gepriesen sei ‘vom Sonnenaufgang bis zu ihrem Untergang’.

Und wenn einst die ganze Menschheit G”tt anerkennen wird und alle den Lobgesang anstimmen werden, wird dieser Gesang trotzdem nicht herrlicher klingen als das Lied dieser Nacht der Heiligung. Das Herz und das Ohr der Menschheit wird für dieses Lied offen sein und G”tt wahre Anerkennung zollen.

Darum ist es die Pflicht eines jeden, sich zu bemühen, sich reinen Herzens zum Seder zu begeben, dass es frei von bösen Gedanken sei. So wird sein Ohr den wundersamen Gesang dieser Nacht vernehmen, sein Körper und seine Seele stimmen dann in das Lied für den Lebendigen G”tt in Jubel ein.

Im Sefer Schelah Hakadosch (Verfasser: Rabbi Jeschaja Horowitz) heisst es: ‘Wenn man nach dem Abendgebet von der Synagoge kommt, fühlt sich jeder wie ein Fürst und verhält sich auch dementsprechend. Silber- und Goldgeräte schmücken den Tisch und alle tragen seidene, bestickte Festkleidung. Hiermit wird der grossen Freude Ausdruck gegeben, aus Dankbarkeit für alles, was G”tt uns mit seiner Liebe geschenkt hat. Alle Vorschriften dieser Nacht und alle Bräuche sind von ganz besonderer Heiligkeit geprägt, denn damals erwählte uns G”tt und heiligte uns mit Seinen Gesetzen. Darum achte man in dieser Nacht besonders darauf, keine unnützen Unterhaltungen zu führen, damit die Innigkeit der Beziehung zu G”tt erhalten bleibe. Es sei diese Nacht voll und ganz der Erzählung von damaligen Wundern und den Mizwot gewidmet.’

Man erzählt vom ‘Maharil’, Morenu Rabbi Ja’akow Mölin (1375 – 1427), er hatte in seinem Hause viele Gold- und Silbergeräte von Nichtjuden als Pfand bei sich aufbewahrt. Während des ganzen Jahres rührte er diese nicht an, doch in der Sedernacht stellte er sie auf einen besonderen Tisch, um sich an deren Anblick zu erfreuen. Er tat dies, um sich in freudige Stimmung zu versetzen, denn nur mit frohem Herzen wird die heilige Atmosphäre dieses Abends so recht verspürt.

Weisse Kleider für den Sederabend

Obwohl es eine Mizwa ist, am Sederabend prächtige seidene und bestickte Kleider anzuziehen, ist es Brauch, dass der Hausherr selbst ein weisses schlichtes Gewand trägt. Manche sagen, weil auch die Totenbekleidung weiss ist, und man bei der Erinnerung an den Tod nicht in Versuchung kommt, hochmütig zu werden. Dies ist auch nach Ansicht des REM’A im Schulchan Aruch [476:2] der Grund, warum manche den Brauch haben, am Sederabend harte Eier zu essen, weil das die Speise von Trauernden ist und wir Trauer verspüren, dass wir das Korban Pessach noch nicht darbringen konnten. Zusätzlich erinnert es auch an den Fasttag Tisch’a beAw (neunte Aw), der immer auf den gleichen Wochentag wie der erste Pessachtag fällt.

Andere wiederum sind gegen diese Auslegung und meinen, ein einfaches weisses Gewand ist das schönste der Kleider, denn so war der Hohepriester gekleidet, als er in das innerste Heiligtum am Jom Kippur eintrat. Ein jeder gleiche an diesem Abend einem Hohepriester, der den heiligen Dienst verrichtet.

Das Lichterzünden

Vor dem Kiddusch zündet die Hausfrau die Lichter an und sagt zwei Segenssprüche: Lehadlik Ner schel Jom Tow, über das Lichterzünden des Feiertags, und Schehechejanu über den Beginn des neuen Festes. Wenn das Fest auf einen Wochentag fällt, zündet sie nach dem Abendgebet an, oder nach Einbruch der Nacht, in beiden Fällen von bereits brennenden Kerzen. Die Beracha wird vor dem Anzünden gesagt. Fällt das Pessach-Fest auf einen Schabbat, zündet sie schon an, wenn es noch Tag ist, bevor der Schabbat beginnt. Sie zündet zuerst an, und sagt erst nachher die Beracha. Bei der Beracha erwähnt sie auch den Schabbat, und sagt: Lehadlik Ner schel Schabbat weJom Tow. Dann folgt das Schehechejanu. Beim Schehechejanu-Sprechen richtet sie ihren Sinn auch gleichzeitig auf allen anderen Mizwot dieser Nacht. Ebenso denkt der Hausherr bei der Beracha von Schehechejanu beim Kiddusch an allen Mizwot dieser Nacht. Hat die Frau Schehechejanu beim Lichterzünden gesagt, wiederholt sie selbstverständlich diese Beracha nicht nochmals beim Kiddusch!

Das Programm dieser Nacht

Zahlreich sind die Mizwot dieser Nacht. Es gibt Mizwot Assej (Gebote), und Mizwot Lo Ta’assej (Verbote) der Tora, Gebote von Chasal (unsere Weisen), Vorschriften, Verordnungen, wichtige Halachot und heilige Gebräuche. All diese werden in der Pessach-Nacht ausgeführt. Unsere Weisen lehren, dass man die Mizwot nicht ‘Chawilot, Chawilot’ (päckchenweise) ausführen soll, sondern jede einzelne am rechten Ort und zur rechten Zeit, alles der Reihenfolge nach. Darum haben unsere Weisen eine ganz bestimmte Ordnung (Seder) zur Ausübung der Mizwot dieser Nacht vorgeschrieben. Dieses Programm ist für alle Juden festgesetzt. Es wird schon seit Generationen so ausgeführt, und diese genaue Anordnung darf nicht geändert werden.

Leider können wir viele Mizwot, die zur Zeit des Bejt Hamikdasch ausgeführt wurden, nicht mehr erfüllen, vor allem Mizwot, die mit dem Pessach- und dem Chagiga-Opfer zusammenhängen. Trotzdem sind es noch viele Mizwot, die wir beim Sedertisch erfüllen können, und auch haben unsere Weisen zu diesen noch einige hinzugefügt, die uns an die Mizwot zur Zeiten des Bejt Hamikdasch erinnern sollen.

Solange das Bejt Hamikdasch noch nicht wiedererbaut ist, wird die Ordnung unseres Sederabends so gestaltet, wie es unsere Weisen vorgeschrieben haben.

‘Darum soll ein jeder mit grosser Ehrfurcht die Anordnungen unserer Weisen befolgen und sich nicht leichtsinnig darüber hinwegsetzen. Das Programm des Sederabends und das Lesen der Haggada sind nach Vorschrift unserer Gelehrten genauestens durchzuführen, auch wenn es manchmal scheint, dass dieses oder jenes Detail nicht unbedingt wichtig sei. Wir wollen uns zum Bewusstsein führen, dass nichts beim Ablauf dieser Nacht unwichtig ist.’ (Maharil)

Der Sohar formuliert die Mizwa, vom Auszug aus Ägypten zu erzählen, wie folgt: Die Mizwa ist, vom Auszug aus Ägypten lobpreisend zu erzählen. Jeder Mensch ist stets verpflichtet, dies zu tun. Denn es heisst, dass jeder, der vom Auszug aus Ägypten freudig erzählt, auch einst in Freuden die Nähe der G-ttlichen Präsenz, die Schechina, geniessen wird. Dies ist nämlich die grösste Freude, die ein Mensch jemals erfahren kann. Auch G”tt freut sich mit der Geschichte des Auszugs. Er versammelt all Seine Himmlischen Scharen und sagt zu ihnen: Höret nur, wie Meine Kinder die Geschichte Meiner Grösse preisend erzählen und wie sie sich mit der Erlösung, die Ich ihnen zuteilwerden liess, erfreuen. Da versammeln sich alle, schliessen sich dem Volk Israel an, und lauschen der Geschichte, die Lob und Freude zum Ausdruck bringt, die Freude der Erlösung, die ihr G”tt ihnen zuteilwerden liess. Dann danken sie G”tt für all diese Wunder und Heldentaten und loben Ihn für das heilige Volk, das Er auf Erden besitzt, das sich mit Seiner Erlösung freut und so ‘G”ttes Macht und Kraft verstärkt.’ Auch das Volk Israel ‘verstärkt G”ttes Kraft’, wenn es diese Geschichte erzählt. Es ist wie bei einem König aus Fleisch und Blut, dessen Macht und Kraft steigt, wenn seine Untertanen seine Heldentaten dankbar und laut verkünden. Alle fürchten ihn und sein Ansehen wächst.

Darum ist jeder Mensch in dieser Nacht verpflichtet, von G”ttes Grösse zu erzählen und das Wunder zu verkünden, das sich durch Seine Taten offenbart.

Man könnte sich fragen, warum diese Verpflichtung besteht, G”tt weiss doch, was geschehen ist und was geschehen wird. Hat Er es denn nötig, dies alles bestätigt zu bekommen, da Er allein all dies bewirkt hat? Trotz all dem ist es die Pflicht des Menschen, ausdrücklich und ausführlich davon zu berichten, denn die Worte dieser Erzählung steigen hinauf zu den Himmlischen Scharen, die zusammen mit den irdischen Geschöpfen dem Heiligen, gelobt sei Er, in Dankbarkeit die gebührende Ehre erweisen. Gelobt sei G”tt in Ewigkeit, Amen WeAmen.

Tiefgründende Geheimnisse und bedeutungsvollen Sinn haben unsere Weisen in jedem einzelnen Minhag (Brauch), der in dieser Nacht ausgeführt wird, einfliessen lassen. Auch wenn in verschiedenen jüdischen Gemeinden Differenzen betreffs Ausführung und Details bestehen, soll niemand etwas ändern, sondern sich an den alten Väterbrauch halten. Unsere Weisen sind der Ansicht, dass man nicht unbedingt alles verstehen muss. Wichtig bei diesen Handlungen ist das Befolgen der Anordnungen unserer Weisen und sich auf ihre Absicht des Zweckes zu verlassen. Nur so gelangt man zu geistiger Höhe und Veredelung. Ein solcher Höhepunkt wird eher durch Freude und Reinheit des Herzens als durch verstandesmässig begriffene Handlungen erreicht.

Dies ist der Grund, warum unsere Gesetzeslehrer das jüdische Volk, das an diesem Abend mit solcher Hingabe die Mizwot am Sedertisch erfüllt, so lobend anerkennen und sagen: ‘Der Heilige, gelobt sei Er, verlässt in dieser Nacht Seine Himmlischen Scharen und alle Zaddikim im Gan Eden, und blickt auf Sein Volk auf Erden, das Seine Mizwot mit Freude erfüllt und Ihn lobt.’

Auch wenn wir die verborgene Bedeutung nicht recht begreifen können, ist uns Lohn sicher, weil wir fest daran glauben, dass all dies höheren Sinn enthält. Dennoch soll ein Mensch bestrebt sein, soweit unser menschlicher Verstand reicht, den Kern der Dinge verstehen zu lernen.

Der Maharal von Prag, der hohe Rabbi Löw, erklärt den Ausdruck ‘Seder’, Ordnung, als Symbol für die Wunder, die der Heilige, gelobt sei Er, für uns in Ägypten getan hat. Diese Wunder sind Ursprung aller Wunder, die G”tt uns geschehen lässt, jetzt und in allen Zeiten. Sie sind Ausgangspunkt des G”ttlichen Planes, von Anbeginn an durchdacht und von Ihm in ganz bestimmten Seder (Ordnung) bewirkt.

Alles Geschehen, auch der lange Verlauf der Verbannung und der Versklavung, ist vom Lenker der Geschichte vorbestimmt. So hat auch der Name ‘Seder’ die Bedeutung, Anfang aller Festtage des Jahres zu sein, denn Pessach ist Beginn der Ordnung aller Feiertage. Dies werden wir später näher erklären.

Mizwot der Sedernacht, die heute noch üblich sind

Zwei Mizwot, Gebote der Tora, die für diese Nacht bestimmt sind, sind auch heute noch in Kraft: das Mazza-Essen und die Erzählung vom Auszug aus Ägypten. ‘Im ersten (Monat), am vierzehnten Tag des Monats, am Abend sollt ihr Mazzot essen’ [Schemot 12:18] – das ist die Mizwa des Mazza-Essens. ‘Wehigadeta Lewincha’, und du sollst deinem Sohn erzählen [Schemot 13:8] das ist die Mizwa des Erzählens vom Auszug aus Ägypten. Obwohl bei dieser Mizwa ausdrücklich steht ‘Bajom Hahu’, an diesem Tage, beziehen dies unsere Weisen auf den Abend des fünfzehnten Nissan, wenn auch die Mizwa des Mazza-Essens in Kraft tritt, denn es steht: ‘Ba’awur Se’, deswegen, zur selben Zeit, da Mazza (zur Zeit des Bejt Hamikdasch auch Maror und das Pessachopfer) vor dir liegen. Auf diese deutet man hin und sagt zu seinem Sohn: ‘Ba’awur Se’, deshalb, dieser Gebote wegen, hat G”tt mir dies getan.

Unsere Weisen lehren, dass der Vers ‘Wehigadeta Lewincha’ wörtlich aufgefasst werden muss. Wer einen Sohn hat, muss es ihm erzählen, und wenn kein Sohn da ist, erzählt er es denen, die mit ihm zu Tisch sitzen. Auch wer den Seder alleine macht, muss vom Auszug erzählen.

Die Mizwot des Pessachopfers und des Chagiga-Opfers können wir nicht erfüllen, da wir keinen Altar mehr haben. Auch die Mizwa des Maror-Essens ist nach der Zerstörung unseres Heiligtums nur noch eine Anordnung der Weisen, denn in der Tora wird das Maror-Essen nur im Zusammenhang mit dem Pessachopfer erwähnt.

Eine weitere Mizwa wurde von den Chachamim, den Weisen, eingeführt. Es ist dies die Pflicht, am Sederabend vier Becher Wein zu trinken. So haben wir also vier Mizwot am Sederabend zu erfüllen. Zwei davon sind von der Tora vorgeschrieben, Mazza und Haggada, die beiden anderen von unseren Weisen, die vier Becher Wein und das Maror. Die Mizwa von Kiddusch und das Sprechen des Schehechejanu-Segensspruches, die diesen Mizwot vorangehen, stehen nicht ausschliesslich im Zusammenhang mit Pessach, denn sie werden auch an den anderen Feiertagen erfüllt.

Um diese Mizwot (Kiddusch und die vier speziellen Mizwot dieser Nacht) richtig zu erfüllen und auch ein Andenken an das Chagiga- und Pessach-Opfer, das wir heute nicht mehr haben, zu machen, haben unseren Weisen viele Vorschriften angeordnet, auch wenn nicht alle Begründungen bei uns ersichtlich sind. Gewiss ist jedenfalls, dass alle ein Erinnerungszeichen sein sollen auch für die Mizwot, die wir heutzutage nicht mehr erfüllen können, wie z.B. das Linksanlehnen, das Essen von Karpas und das Eintauchen desselben in Salzwasser, sowie das vorangehende Händewaschen, das Teilen der einen Mazza, das Weglegen eines Teils dieser Mazza bis zum Ende der Mahlzeit, der vorgeschriebene Wortlaut der Erzählung aus der Haggada und deren Abschluss mit der Beracha ‘Ga’al Jisrael’, die spezielle Beracha über die Mazza, das Eintauchen des Maror in das Charosset (für manche Leute auch das Essen der hartgekochten Eier, die in Salzwasser getaucht werden), das Essen des Afikomans und das Singen der Loblieder für G”tt.

All dies erinnert uns in irgendeiner Weise an die Sklaverei, die der Erlösung vorausging, und an die Erlösung selbst. Der Ablauf des Sederabends und die Erzählung der Haggada selbst geht nach dem Prinzip unserer Weisen vor sich: ‘Matchil Bignut Umessajem Bischewach’, man beginnt mit dem Unangenehmen und beendet mit Lob. Es wird zuerst von der Sklaverei und unseren Nöten berichtet, und dann erst wird von der Erlösung erzählt, und wieso wir ihrer würdig wurden.

Regeln für den Ablauf des Seders

  1. 1. Der Seder muss mit Kiddusch und dem Segensspruch von Schehechejanu beginnen, denn ohne diese dürfen wir nichts geniessen von allem, was uns für diesen Abend vorgeschrieben ist. Der Kiddusch enthält drei Berachot: ‘Peri Hagafen’, über die Frucht des Weinstocks; ‘Mekadesch Jisrael Wehasemanim’, Der Israel und die Feiertage heiligt; und ‘Schehechejanu’. Wenn diese Nacht auf das Schabbatende fällt, werden zwei zusätzliche Berachot gesagt, (siehe unten). Dann trinkt man von dem Kiddusch-Wein, und dies ist der erste der vier vorgeschriebenen Becher Wein.
  2. 2. Als zweites muss beachtet werden, dass man die Mizwot nicht mit einem Mal ausführt, darum werden die vier Becher nicht hintereinander getrunken, sondern auf den ganzen Abend verteilt. Diese Mizwa ist uns besonders lieb, weil sie uns an die vier ‘Leschonot Schel Ge’ula’, die vier Ausdrücke der Erlösung, erinnert. Die vier Ausdrücke sind Zitate aus der Tora, die die verschiedenen Aspekte des Erlösungsprozesses andeuten, und deshalb wird jedem der vier Becher besondere Wichtigkeit zugemessen. Jeder der vier Becher wird am Ende von Lobpreisungen und den dazugehörigen Segenssprüchen getrunken, wenn man in erhobener Stimmung und freudigen Herzens G”tt für die Erlösung danken will.
  3. Im Verlauf des Sederabends gibt es zwei Gruppen von Berachot und eine grosse Gruppe von Lobpreisungen, die in zwei Teile geteilt wird. Jeder Becher bildet den Abschluss einer dieser vier Einheiten: Der erste Becher nach den Segenssprüchen des Kiddusch; der zweite nach der Haggada und Hallel Hamizri, dem ‘ägyptischen Hallel’ (Tehillim 113 und 114), die mit dem Segensspruch ‘Ga’al Jisrael’ ihren Abschluss finden; der dritte Becher Wein nach dem Tischgebet, und der vierte nach Beendigung des Hallel, ‘Nischmat Kol Chai’ und Hallel Hagadol‘Hodu Laschem Ki Tow’ (Tehillim 136) mit dem Birkat Haschir zum Abschluss.
  4. 3. Eine dritte Regel ist, dass die Antworten auf die Fragen des Kindes in Bezug auf die Geschichte des Auszugs eine wichtige Stellung im Verlauf des Sederabends haben sollen. Eigentlich sollte man sofort nach dem Kiddusch mit der Haggada beginnen. Aber um die Kinder zum Fragen herauszufordern, werden verschiedene Handlungen vorher eingefügt. Darum wird Karpas und die Teilung der Mazza, sowie das Hochheben der Sederschüssel vor dem Haggada-Vorlesen ausgeführt.
  5. 4. Die vierte Regel fordert, dass die Mazza vor dem Maror gegessen werden muss. In der Tora wird die Mazza vor Maror erwähnt, und dies wurde schon zur Zeit, als das Bejt Hamikdasch noch stand, so gehalten. Diese Reihenfolge wird auch deswegen eingehalten, weil das Mazza-Essen von der Tora vorgeschrieben ist, das Maror-Essen hingegen heute eine Anordnung der Weisen ist.
  6. 5. Die fünfte Regel betrifft den Afikoman. Dieser wird am Ende der Mahlzeit gegessen, sodass der Geschmack der Mazza, der bedeutendsten und beliebten aller Mizwot der Sedernacht, noch lang im Mund verspürt wird. Ausser Wasser dürfen wir nach dem Afikoman weder essen noch trinken. Ausnahme bilden der dritte und der vierte Becher Wein, die nach dem Afikoman getrunken werden, weil sie ihren festen Platz in der Anordnung des Sederabends haben.

Kurze Zusammenfassung des Programms für den Sederabend

Mit den obenerwähnten fünf Regeln ist es einfach, den Verlauf und die Anordnung des Programms zu begreifen:

  1. 1. Der Kiddusch und die darin enthaltenen Berachot – der erste Becher Wein.
  2. 2. Händewaschen für Karpas, Eintauchen desselben in Salzwasser, Beracha-Sagen darüber und Essen, und dann das Mazzateilen. All dies soll die Aufmerksamkeit der Kinder wecken und sie zum Fragen anregen.
  3. Zwar ist dies alles mit der Mizwa von Maror in Verbindung zu bringen, wie es im Folgenden erklärt wird, doch werden diese Mizwot deswegen früher ausgeführt, gleich nach dem Kiddusch, damit sie eine Einführung für die Mizwa von ‘Wehigadeta Lewincha’, das Erzählen für die Kinder, bilden. (Die Vorschriften des Händewaschens für Karpas entsprechen den Vorschriften des Übergiessens für die Mahlzeit, mit dem Unterschied, dass keine Beracha gesagt wird.)
  4. 3. Das Vorlesen der Haggada mit dem anschliessenden ‘ägyptischen Hallel’ (Tehillim 113 und 114) und der darauffolgenden Beracha. Dies ist die wichtigste Mizwa des Abends und darf deshalb nicht hinausgeschoben werden. Sie wird sogar vor dem Mazza-Essen ausgeführt, das ja ebenfalls von der Tora vorgeschrieben ist, weil auch die Kinder daran beteiligt sind, während zum Mazza-Essen vorwiegend die Erwachsenen verpflichtet sind.
  5. 4. Der zweite Becher Wein wird nach dem Ende des ersten Teils von Hallel und der abschliessenden Beracha ‘Ga’al Jisrael’ getrunken.
  6. 5. Händewaschen, wie gewöhnlich vor einer Mahlzeit, und die entsprechende Beracha. Vor dem Essen der Mazzat-Mizwa werden zwei Segenssprüche gesagt: ‘Hamozi’ und ‘Al Achilat Mazza’.
  7. 6. Maror-Essen, eine der Hauptvorschriften dieser Nacht, gleich nach dem Mazza-Essen. Man spricht vorher die Beracha ‘Ascher Kideschanu … Al Achilat Maror’‘Bore Peri Ha’adama’ wird nicht gesagt, da diese Beracha über den Karpas gesprochen wurde, und Maror damit eingeschlossen wird.
  8. 7. Korech, man isst Mazza mit Maror zusammen. Obwohl jedes einzeln schon gegessen worden ist, wird es nun zusammen verzehrt. Es ist nach Meinung von Hillel Hasakejn (dem Älteren) Pflicht, beides gemeinsam zu essen.
  9. 8. Ei in Salzwasser getaucht. Dieser Minhag, Brauch, wird von vielen beachtet, ist aber nicht Halacha.
  10. 9. Die Festmahlzeit, die vor dem Afikoman-Essen eingenommen wird.
  11. 10. Afikoman als Abschluss der Mahlzeit.
  12. 11. Tischgebet wie nach jeder Mahlzeit.
  13. 12. Der dritte Becher Wein als Abschluss des Tischgebets.
  14. 13. Der zweite Teil des Hallel mit Zusatz von Tehillim 136 und dem Gebet ‘Nischmat Kol Chai’ bis ‘Melech Mehulal Batischbachot’, König, der mit Lob gepriesen wird. Auf diese Weise findet der Seder seinen Abschluss mit dem Lobgesang, der auch dem vierten Becher Wein eine Sonderstellung einräumt, der des vierten Ausdruckes der Erlösung ‘welakachti etchem li leAm’ entspricht.
  15. 14. Der vierte und letzte Becher Wein wird nun getrunken.
  16. 15. Die ‘Beracha Acharona’, die Nachberacha über den Wein, wird gesprochen und anschliessend werden verschiedene Lieder gesungen. Man beendet mit Schir Haschirim, dem Lied der Lieder des Königs Schelomo.

Merkzeichen für den Seder

Unsere grossen Gesetzeslehrer haben uns für den Sederabend und sein Programm mit mnemotechnischen Hilfsmitteln die sorgfältige und nach genauer Vorschrift durchgeführte   Anordnung des Seders erleichtert. Ihre Absicht war es, Irrtum zu vermeiden und nichts von den vorgeschriebenen Einzelheiten des Sederabends zu ändern.

Eine der bekanntesten Gedächtnishilfen stammt möglicherweise von Raschi, oder von dem Tossafisten Rabbi Schemuel aus Falaise. Es sind dies sechzehn Stichwörter, die, paarweise gelesen, einen Reim ergeben, und diese sind fast in jeder Haggada zu finden.

Kaddesch Urchaz               Kiddusch und Händewaschen vor Karpas

Karpas Jachaz                     Karpas-Essen und Teilen der Mazza

Maggid Rochza                   Haggada-Lesen und Händewaschen zur Mahlzeit

Mozi Mazza                         Die Berachot ‘Hamozi’ und ‘al achilat Mazza’ über die Mazza

Maror Korech                     Maror-Essen und Maror und Mazza zusammen essen

Schulchan Orech                Das festliche Mahl

Zafun Borech                      Afikoman und Tischgebet

Hallel Nirza                          Zweiter Teil des Hallels und Lobgesänge

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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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