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Cheschwan/ Paraschat Wajera
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Der Sijum (Abschluss) und Neubeginn des Tora-Lesens am Simchat Tora – Perspektiven zu Simchat Tora 5785

Was ist die Essenz unserer Freude am Simchat Tora?

Der Sijum (Abschluss) und Neubeginn des Tora-Lesens am Simchat Tora – Perspektiven zu Simchat Tora 5785

Was ist die Essenz unserer Freude am Simchat Tora?
Foto: AI free sharing

Der Sijum (Abschluss) und Neubeginn des Tora-Lesens am Simchat Tora

Von Raw A. Rabinowitsch

Aus DJZ, 14. Tischri 5770 / 2. Okt. 2009

Ergänzungen: S. Weinmann

Bekanntlich schliessen wir am Simchat Tora mit dem Aufrufen des Chatan Tora den Jahreszyklus des Leinens ab und beginnen ihn sofort von neuem mit dem Aufrufen des Chatan Bereschit.

(Der Chatan Torah ist die Person, die die Lesung der Tora beendet, und er ist die letzte Person, die eine Alija im Sefer Dewarim erhält. Nach ihm kommt der Chatan Bereschit, der die Eröffnungs-Alija im Sefer Bereschit erhält. Dies markiert den Beginn der Tora, und er liest die sieben Tage der Schöpfung.)

Der Gedanke dahinter liegt auf der Hand. Es gibt für uns keinen Abschluss im Lernen. Die Tora ist so unendlich tief, dass wir sofort wieder beginnen, mit der Absicht, die gleiche Tora etwas tiefer und besser zu verstehen. Das Gleiche gilt beim Beenden eines Pereks (Abschnitt) oder einer ganzen Messechta (Traktat) im Talmud. Wir sagen beim Abschluss sofort: “Hadron aloch – wir wollen zu dir zurückkehren” und den gleichen Perek oder die gleiche Messechta nochmals intensiver und besser lernen.

In diesem Zusammenhang sagt Schlomo Hamelech (König Salamon) in Kohelet (Prediger 1, 9): “Ma schehaja hu schejihje – was gewesen ist, das wird auch ständig sein” Wenn man ein Sefer durchgelernt oder eine Mizwa erfüllt hat, sieht man erst dann, wie man das Sefer hätte besser lernen oder die Mizwa besser erfüllen können.

Wir brauchen keine neue Tora und keine neuen Mizwot. Wir müssen nur versuchen, die bestehenden Mizwot besser und genauer einzuhalten und in der vorhandenen Tora neue Gedanken und neue Erklärungen zu finden.

Damit versteht man auch die zweite Hälfte des Passuks in Kohelet: “We’ejn kol Chadasch tachat HaSchemesch – und es gibt nichts Neues unter der Sonne.” Wir suchen kein neues Judentum, denn haben wir das alte schon ganz ausgeschöpft?

“Schanim” bedeutet auf Hebräisch “Jahre”. Darin liegt auch das Wort “Schone – Wiederholung”. Wir haben im neuen Jahr keine neuen Aufgaben zu erfüllen, sondern die gleichen Aufgaben und Mizwot besser und schöner auszuführen (s. Rabbiner Hirsch, Jahreswende 15-18).

In diesem Zusammenhang hat Rav Mosche Soloweitschik sZl. einmal eine Halacha erklärt. Es steht in der Gemara (Talmud Traktat Berachot 8a) und wird im Schulchan Aruch (Hilchot Schabbat 285:1) so gepaskent (so zitiert), dass jeder Jehudi verpflichtet ist, im Laufe der Woche die Paraschat Haschawua (den Wochenabschnitt) – den hebräischen Text zweimal und den aramäischen Targum Onkelos einmal – zu lesen/lernen.

Interessant ist zu überlegen, weshalb Chasal (unsere Weisen) angeordnet haben, dass man das Chumasch zweimal, den Targum aber nur einmal sagen muss? Rav Mosche hat damals Folgendes als möglichen Grund angegeben: “Auch wenn wir die Parascha gut mit Targum und Meforschim (Kommentatoren) gelernt haben, dürfen wir uns nie einbilden, dass wir alles verstanden haben. Es bleibt immer noch ein Text, den wir nicht erklären können, ein “Mikra ohne Targum”. In jedem Passuk sind nämlich unendlich viele Erklärungen und Gedanken enthalten.”

Die letzte der 613 Mizwot (Gebote) ist bekanntlich “Kessiwat Sefer Tora” – eine eigene Sefer Tora zu schreiben oder schreiben zu lassen. Dazu schreibt der “Sefer Hachinuch” als Begründung dieser Mizwa: “Damit jeder Jehudi aus einer eigenen und neuen Sefer Tora lernen kann (früher lernte man direkt aus der Sefer Tora) und nicht angewiesen sei, von anderen Leuten eine Sefer Tora zu leihen.”

Wir hätten eigentlich erwartet, dass diese Mizwa als eine der ersten Mizwot in der Tora aufgeführt werden sollte, als Vorbereitung, dass wir die Tora lernen und ihre Mizwot richtig einhalten können. Aus welchem Grund ist dies gerade die allerletzte Mizwa?

Nach den obigen Gedanken ist es aber sehr gut zu verstehen. Es soll uns eben auch lehren, dass wir mit dem Toralernen nie fertig sind. Die letzte aller Mizwot ist es, eine Sefer Tora zu schreiben oder schreiben zu lassen, damit wir gleich von neuem mit dem Lernen der Tora beginnen können.

Der Rem’a schreibt (669:1), dass der Jomtow “Simchat Tora” genannt wird, weil wir uns freuen und eine Se’uda (Festmahlzeit) machen, weil wir die Sefer Tora fertig geleint haben. Aus diesem Grund ist es auch eine Mizwa, beim Beenden einer Messechta des Talmuds eine Se’udat Sijum zu veranstalten.

Dies wird im Midrasch Rabba (Schir Haschirim 1:9)  von Schlomo Hamelech gelernt, der auch eine Se’uda mit Korbanot (Opfer) veranstaltete, als er an einem Morgen nach einem Traum mit grosser neuer Chochma (Weisheit) erwachte, die es ihm ermöglichte, sogar die Sprache der Tiere zu verstehen (Melachim I, 5, 15).

Nun stellt sich die Frage: Was hat das mit einem Sijum (Abschlussfest) zu tun? Schlomo hatte doch hier gar nichts gelernt, sondern nur eine Se’uda aus Dankbarkeit für seine Chochma gemacht, die er über Nacht erhalten hatte?

Raw Schwab sZl. beantwortet die Frage im Zusammenhang mit dem erwähnten Gedanken: Wenn wir eine Se’uda anlässlich eines Sijums oder am Simchat Tora veranstalten, dann freuen wir uns nicht hauptsächlich mit dem Gelernten, sondern vielmehr, dass wir nun nochmals beginnen können, die Tora besser und tiefer zu verstehen, da wir sie bereits einmal gelernt haben und uns die Texte nicht mehr fremd sind. Die gleiche Freude hatte Schlomo Hamelech, weil er mit der neu erhaltenen Chochma die Tora viel besser lernen und verstehen können wird.

Quellen und Persönlichkeiten:

Midrasch Rabba (der grosse Midrasch): Grosse Sammlung von Erklärungen und Aggadot zum Chumasch der Tanna’im (Mischnagelehrten) und Amora’im (Talmudgelehrten).

Rabbi Mosche ben Jisrael Isserles, (1525-1572); bekannt mit dem Akronym Rem’a. Krakau (Polen).  Verfasser von vielen Werken. Sein bekanntestes Werk sind seine Anmerkungen zu Rabbi Josef Karos Gesetzessammlung ‚Schulchan Aruch‘, die für die aschkenasischen Juden verbindlich sind.

Rav Schimon Schwab (1908 – 1995): geb. in Frankfurt am Main. Rav Schimon Schwab war ein orthodoxer Rabbiner und Gemeindeführer in Deutschland und den Vereinigten Staaten.

Rav Schwab schloss die Realschule in Frankfurt ab, die Religionswissenschaft und allgemeine Fächer in Übereinstimmung mit der von Rabbi Hirsch propagierten ‘Thora im Derech Erez-Ideologie’ vermittelte. Im Jahr 1926, im Alter von 17 Jahren, reiste er nach Tels (Litauen) um dort in der Telser Jeschiwa zu studieren. Nach drei Jahren intensiven Talmud-Studium in Tels verbrachte er noch anderthalb Jahre in der Mirer Jeschiwa. Es war nicht sehr üblich, dass deutsch-jüdische Studenten in osteuropäischen Jeschiwot studierten, aber zwei von seinen Brüdern (Mosche und Mordechai) folgten ihm später in demselben Weg.

Im Frühjahr 1930 verbrachte er ein Wochenende mit dem Chafez Chajim. Der Besuch machte einen starken Eindruck auf ihn, und er bezog sich später sein ganzes Leben lang in öffentlichen Reden auf diese Begegnung.

Nach seiner Rückkehr nach Deutschland, nahm er im Februar 1931, noch unverheiratet, die Position eines Assistenten-Rabbiner in Darmstadt an. Im Oktober 1931 heiratete er.  Im September 1933 nahm er den Posten des Gemeinderabbiner in Ichenhausen, Bayern an. In Ichenhausen arbeitete er auch hart daran, eine traditionelle Jeschiwa zu gründen, in der Mischna und Talmud unterrichten würde. Die Jeschiwa begann, geriet aber sofort in Schwierigkeiten, da Drohungen von lokalen Nazi-Aktivisten ausgingen. Am Ende wurden die Studenten nach einem Tag nach Hause geschickt, und dieser Vorfall inspirierte wahrscheinlich Rabbi Schwab, sich für eine Position im Ausland zu bewerben.

Durch den amerikanischen orthodoxen Rabbiner Dr. Leo Jung nahm er Kontakt mit einer Gemeinde namens Schearith Israel in Baltimore auf. Er reiste in die Vereinigten Staaten, und nach einer Probezeit wählte ihn die Gemeinde zum Rabbiner. Die Familie konnte daher ein Visum beantragen und dem Holocaust entkommen.

In Baltimore wurde Rav Schwab auch ein lokaler Führer der Orthodoxie und veranstaltete einige Jahre nach seiner Ankunft die jährliche Konferenz der Agudath Israel. Er war an der Gründung des Bejt Ja’akov, der ersten jüdischen Schule für Mädchen, beteiligt.

1958 wurde Schwab eingeladen, Rabbiner Joseph Breuer bei der Führung der deutsch-jüdischen Gemeinde Khal Adath Jeshurun in Washington Heights in New York City zu begleiten. Diese Gemeinde, die weithin als “Nachfolger” des Frankfurter “IRG” (Israelitischen Religionsgesellschaft) angesehen wurde, stand Rabbi Schwab am Herzen, und mit Rabbi Breuers zunehmendem Alter und seiner Schwäche übernahm er bis zu dessen Hinschied im Jahr 1980 viele Führungsrollen.

Von da bis 1993 führte er die Gemeinde allein. Er lehrte und lehrte weiter, aber sein Gesundheitszustand verschlechterte sich und er starb im Alter von 86 Jahren am Purim Katan (14. Adar I) 1995. Sein Nachfolger wurde Rabbi Zechariah Gelley, der Rosch Jeshiwa von Sunderland (GB), der bereits einige Jahre zuvor als zweiter Rav der Kehilla beigetreten war.

Rav Schwab veröffentliche mehrere populäre Schriften und Werke zu verschieden Themen, wie “Rav Schwab on Prayer” (zu den Gebeten), These and Those (Thora im Derech Erez), Bejt Haschoewa (zu Ikweta Dimschicha/Zeit vor Maschiach), Ma’ajan Bejt Haschoewa (Gedanken zum Chumasch), etc.

Rabbi Mosche Mordechai ben Jisrael Gerschon Soloveitchik (1914-1995); Brisk, Kletzk, Montreux, Petach Tikva, Lugano, Luzern, Zürich. Rav Mosche studierte in Brisk und Kletzk.    Aus Furcht vor der Einberufung in die polnische Armee, flüchtete er, wie auch sein Freund Rav Aharon Leib Steinman in die Schweiz und gingen nach Montreux  in die Jeschiwa von Rabbi Eliyahu Botschko. 

Im Jahr 1940 sammelte die Schweizer Regierung 300 jüdische Flüchtlinge – im Verdacht der Spionage – in ein Arbeitslager in einem Ferienort namens Schonburg in der Nähe von Basel, ein, wo sie gezwungen wurden, Eisenbahnschienen zu verlegen. Rav Mosche und Rav Aharon Leib gehörten zu 40 orthodoxen Juden dieser Gruppe.  Dort lernten sie gemeinsam auswendig weiter.

Als Rabbi Mosche aus dem Arbeitslager entlassen wurde reiste er in das Mandatsgebiet Palästina und schloss sich der Lomza-Jeschiwa unter Rabbi Gordon in Petach Tikwa an . Während seiner Jahre dort baute er eine Beziehung zu Rabbi Avraham Jeschaya Karelitz, dem Chason Isch, auf.  Auch stand er in engem Kontakt mit seinem Onkel, dem Rav von Brisk, der damals in Jerusalem lebte.

1948/1949 kehrte Rav Mosche in die Schweiz zurück, wo er die Tochter von Rav Schmuel Sanvil Neuman aus Lugano heiratete.  Nach seiner Heirat wurde mit der Ermutigung von Gedolej Hatora und mit der Initiative und Unterstützung von Herr Wolf Rosengarten aus Zürich und Herr Schalom Erlanger aus Luzern eine Jeschiwa in Lugano gegründet, an deren Spitze Rabbi Mosche gesetzt wurde. Die Jeschiwa war für 15-jährige Jungen gedacht. Die Gründung der Jeschiwa führte zu einem grundlegenden Wandel in der Haltung der orthodoxen Gesellschaft in der Schweiz, gegenüber der bisherigen üblichen Bildung der Jugend.  Er führte in ihr das Ideal ein, die Jugend in das Studium der Thora investieren zu lassen. Einige Jahre später zog die Jeschiwa nach Luzern.

1962 zog Rabbi Mosche nach Zürich, präsidierte aber noch ein Jahr lang die Jeschiwa in Luzern, bis Rabbi Jizchak Dov Kopelman aus New York eintraf und ihn in dieser Position ablöste.

Obwohl er in Zürich keinen offiziellen Posten annahm, wurde er als einer der Führer der europäischen jüdischen Gemeinschaft anerkannt. Tag und Nacht kamen Menschen mit ihren Fragen und Problemen zu ihm. 

Zusätzlich erteilte Rav Mosche regelmässig Gemara- und Minchas Chinuch-Schiurim  in beiden orthodoxen Gemeinden. Darüber hinaus gab er Schabbes-Nachmittag eine regelmässigen Schiur im Agudat-Achim-Gemeindezentrum. Dieser Schiur gilt als seine Hauptstunde, an der Dutzende von Teilnehmern (manchmal 100-150 Leute) teilnahmen. In diesem Schiur befasste er sich mit dem Sefer Mischlej (Sprüche), Pirkej Awot (Sprüche der Väter) oder mit Sefer Tehillim (Psalmen). Ein Teil seiner Lehren aus dem Buch Tehillim wurden nach seinem Ableben – durch einen seiner treuen Schüler, Herr Mosche Mresse – in deutscher Sprache veröffentlicht.

Nach der Auflösung der Sowjetunion arbeitete er – mit grossem Erfolg – an der Gründung der Jeschiwat Torat Chaim in Moskau, um unwissende Juden zum Judentum zurückzubringen (als Kiruv-Arbeit bekannt).

Am 18. Mai 1995 verschied Rabbi Soloveitchik nach mehrmonatiger Krankheit im Alter von über 80 Jahren in Zürich und wurde in Jerusalem beigesetzt. 

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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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