Wegweisende Lektionen in Hakarat Hatow (Dankbarkeit)
Rav Frand zu Paraschat Beha’alotecha 5785
Ergänzungen: S. Weinmann
Weitere Artikel zu den Wochenabschnitt , finden Sie hier
Die Parascha enthält den folgenden Passuk: “Das Volk war gleich Missmutigen, Böse vor den Ohren des Ewigen (es beklagte sich, um den Ewigen zu erzürnen. Raschi); Haschem hörte dies und sein Zorn entbrannte, und ein Feuer vom Ewigen flammte unter ihnen auf und verzehrte den Saum des Lagers” (Bamidbar 11:1).
Diese Parascha enthält den Beginn des bedauernswerten Niedergangs des jüdischen Volkes – das aus Ägypten ausgezogen war – während ihres Aufenthaltes in der Wüste.
Raschi beschreibt die “Loslösung” des Volkes von Haschem. Sie beklagten sich: “Wehe uns, wie haben wir uns angestrengt auf diesem Weg! Schon drei Tage lang haben wir uns von der Mühe des Weges nicht ausgeruht!” Haschem war erzürnt über sie und sprach: “Ich hatte nur euer Wohl im Auge, damit ihr sogleich ins Land kämet.”
Der Ramban bemerkt einen eigentümlichen Ausdruck im Passuk, der die Klagen beschreibt: “Und die Nation war ‘keMit’onenim’ (sie waren missmutig, sie beklagten sich)”. Seltsamerweise erklärt die Tora nicht, was die Leute sagten, um was es eigentlich ging. Die Tora sagt nur, dass sie “missmutig waren, sich beklagten”. Was bedeutet dies?
Der Ramban erklärt, dass die Leute aus einem Gefühl des Schmerzes und Leides sprachen. In anderen Worten bestand ein gewisses Mass der Legitimität in ihrem Jammern. Wenn Menschen Schmerzen haben, ist es natürlich, dass sie sich beklagen. Wenn jemand sich im Spital befindet und Schmerzen hat, sagt er manchmal Dinge, die er nicht hätte sagen sollen: “Warum tut Haschem mir dies an? Ich verdiene nicht das Leiden, das ich durchmache!” Menschen, die leiden oder Schmerzen haben, beklagen sich. Dies ist vielleicht ein mildernder Umstand. Sie sind nur “wie” Kläger. Wir können sie dafür nicht hart bestrafen. Sie taten nur das, was für Menschen in Schmerzen gewissermassen natürlich ist.
Wenn dies der Fall ist, stellt der Ramban die Frage, warum Haschem auf sie aufgeregt war? Er antwortet, dass sie Haschem aufgrund der Vielfalt der Güte und des Wohlwollens, das Er ihnen bis anhin gezeigt hatte, mit einer positiven Einstellung hätten folgen sollen. Wenn die Dinge so gut gehen und man solches Glück hat, ist es einfach unangebracht, sich zu beklagen!
Dies ist eine der grossen Herausforderungen im Leben. Die meisten von uns sind sehr vom Glück begünstigt. Wir erfahren die unbestrittene Grosszügigkeit des Allmächtigen. Die meisten von uns sind gesund und haben Familien. Wie haben so viel Gutes! Wenn die Dinge jedoch nicht hundertprozentig rund laufen, beginnen wir uns zu beklagen.
Der Ramban sagt, dass dies falsch ist. Wir sollten das ganze Bild betrachten, bevor wir uns beklagen. Das ganze Bild ist, dass wir trotz manchen Schwierigkeiten im Leben eine Fülle von Gutem geniessen. Wir sollten uns nicht beklagen, weil unser Leben doch vorwiegend so viel Gutes und Freude und eine Fülle von Berachot erfährt.
Dies ist ein weiteres Beispiel eines Themas, das so oft in der Tora wiederholt wird – das Thema des Hakarat Hatow (Dankbarkeit – Anerkennung des Guten und Ausdrücken der Dankbarkeit).
Der Apter Raw pflegte zu sagen, dass es in jeder Parascha der Tora einen ‘Remes’ (eine Andeutung) auf die Wichtigkeit von Ahawat Jisrael (der Mizwa, den Nächsten zu lieben) gibt. Er wurde einst gebeten, den ‘Remes’ für Ahawat Jisrael in Paraschat Balak aufzuzeigen. Er witzelte: “Das ist einfach. Der Name der Parascha – Balak – ist ein Kurzwort für die Worte ‘We’ahawta leRe’acha Kamocha’ (Du sollst deinen Nachbarn lieben, wie dich selbst). Die Chassidim fragten ihren Rebben: “Rebbe, we’ahawta beginnt mit einem ‘Waw’, während Balak mit einem ‘Bet’ (‘Bet’ wird wie ‘Wet’ geschrieben) beginnt. Ausserdem beginnt ‘kamocha’ mit einem ‘Kaf’ und nicht mit einem ‘Kuf’, wie der letzte Buchstabe von Balak ist!” Darauf antwortete der Apter Raw: “Wenn ihr so peinlich genau seid mit jedem einzelnen Buchstaben (Detail), werdet ihr nie Ahawat Jisrael haben!”
Ich verwende diese Geschichte als Einleitung dazu, dass wir in fast jeder Parascha der Tora eine Andeutung auf den Begriff von ‘Hakaraw Hatow’ (Dankbarkeit) finden können. Wir haben gerade solch einen ‘Remes’ (Andeutung) erwähnt. Es gibt jedoch eine sehr neuartige Interpretation des Moschaw Sekejnim miBa’alej HaTossafot auf einen Vorfall am Ende der Parascha, die auch diesen Begriff des Würdigens eines Gefallens hervorhebt.
“Mirjam und Aharon sprachen (Schlechtes) über Mosche wegen der kuschitischen Frau, die er genommen hatte, denn er hatte eine kuschitische Frau (evtl. aus Kusch, siehe Raschbam) genommen” (Bamidbar 12:1). Die Tora sagt uns nicht klar, was ihr Problem mit dieser kuschitischen Frau war.
Raschi und die meisten Kommentatoren sagen, dass ihr Problem (von Mirjam und Aharon) die Tatsache war, dass ihr Bruder Mosche seine Frau vernachlässigt hatte. Wegen seinem besonderen Status, zu jeder Zeit bereit zu sein, mit dem Allmächtigen zu sprechen, konnte er nicht ein normales Eheleben führen und musste sich physisch von seiner Frau trennen und sie somit vernachlässigen. Mirjam und Aharon beklagten sich über Mosche: “Hat etwa nur mit ihm allein der Ewige gesprochen, hat Er nicht auch mit uns gesprochen… (und wir haben uns nicht von der Ehe abgesondert. Raschi)?”
Dies ist die klassische Interpretation ihrer Beschwerde. Der Moschaw Sekejnim hat jedoch eine andere Interpretation. Er sagt, dass im Gegenteil, sie der Meinung waren, dass Mosche Rabbejnu sich von dieser Frau scheiden sollte. Vielleicht, so nahmen sie an, war es für Mosche in Ordnung gewesen, solch eine Frau zu heiraten, als er ein einfacher Hirte war. Jetzt jedoch, da er der Führer des jüdischen Volkes war, sollte er etwas Besseres haben. Er verdiene eine Frau, die für seine Position eine passendere Frau sein würde.
Gemäss diesem Denkansatz war Mosches Reaktion auf seine Geschwister, dass eine Trennung von seiner Frau zu diesem Zeitpunkt eine Verletzung des Prinzips von “Hakarat Hatow” sein würde. “Diese Frau heiratete mich, als ich ein armer Hirte war. Ich war ein Flüchtling, der vor dem Schwert Pharaos wegrannte, und diese Frau heiratete mich und war mir treu. Sie jetzt wegzuschicken, da ich ‘Erfolg’ in meinem Leben habe, wäre eine grobe Verletzung der Eigenschaft, Dankbarkeit (Hakarat Hatow) zu zeigen. Wo ist die Loyalität gegenüber der Frau und Ehefrau, die all diese Jahre mit mir war?”
Diese Interpretation passt gemäss dem Moschaw Sekejnim gut zum Tadel des Allmächtigen auf die Worte von Mirjam und Aharon: “Bechol Bejti Ne’eman Hu – in Meinem ganzen Haus hat er sich als treu bewährt”. Die Vertrauenswürdigkeit von Mosche, seine Loyalität und Ergebenheit zeigten sich nicht nur gegenüber Haschem, sondern auch gegenüber seiner Frau! Er lässt die Leute um ihn herum nicht im Stich.
Raschi, Akronym für Rabbi Schlomo ben Jizchak (1040-1105); Troyes (Frankreich) und Worms (Deutschland); „Vater aller TENACH- und Talmudkommentare“.
Raschbam, Akronym für Rabbi Schemuel ben Meir (ca.1085-1158); Ramerupt, Troyes (Frankreich). Sein Vater Rabbi Meir heiratete Jochewed, eine der drei Töchter von Raschi. Er hatte drei Brüder: “Riwam” Akronym für Rabbi Jizchak ben Meir; Rabbi Ja’akow ben Meir, bekannt als „Rabbejnu Tam“ und Rabbi Schlomo. Der Raschbam, der Riwam, wie auch Rabbejnu Tam gehörten zu den ersten Tossafisten. Er schrieb einen Kommentar zum Pentateuch, wie auch zu verschiedenen Traktaten des Talmuds. Er war ein Schüler seines Grossvaters Raschi und seines Vaters Rabbi Meir.
Moschaw Sekejnim miBa’alej HaTossafot; ein Torakommentar, der Ba’alej HaTossafot („Tossafisten“), der Talmuderklärer des 12. und 13. Jahrhunderts.
Ramban: Akronym von Rabbi Mosche ben Nachman – “Nachmanides” (1194 – 1270); Gerona, Spanien; Erez Jisrael. Er war einer der führenden Tora-Gelehrten (Rischonim) und Kabbalisten des Mittelalters, einer der Haupterklärer des Chumasch (fünf Bücher Moses), wie Verfasser weiterer Werke in Haschkafa (Kitwej haRamban) und Abhandlungen zum Talmud.
Rabbi Awraham Jehoschua Heschel von Apta (1748- 1825). Bekannt als der ‘Apter Raw’; er war ein chassidischer Zaddik. Er wird oft “Der Ohew Jisrael” genannt, nach seinem Werk ‘Ohew Jisrael’ (Der Jisrael liebt). Ein weiteres Werk ist sein Buch ‘Torat Emet’. Er war ein Schüler von Rabbi Elimelech von Lyschansk. Am Ende seines Lebens besetzte er sich Medschibosch. Nach seinem Ableben wurde er in der Nähe des Grabes des Ba’al Schem Tov begraben.
______________________________________________________________________________
Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich
______________________________________________________________________________
Copyright © 2025 by Verein Lema’an Achai / Jüfo-Zentrum.
Zusätzliche Artikel und Online-Schiurim finden Sie auf: www.juefo.ch und www.juefo.com
Weiterverteilung ist erlaubt, aber bitte verweisen Sie korrekt auf die Urheber und das Copyright von Autor und Verein Lema’an Achai / Jüfo-Zentrum.
Das Jüdische Informationszentrum („Jüfo“) in Zürich erreichen Sie per E-Mail: info@juefo.com für Fragen zu diesen Artikeln und zu Ihrem Judentum.