Wochenabschnitt Paraschat Wajigasch: Vergeudet nicht die kostbaren Jugendjahre
Rav Frand zu Paraschat Wajigasch 5785 – Beitrag 2
Ergänzungen: S. Weinmann
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Als Teil von Jehudas Gesuch an den ägyptischen Herrscher (von dem er noch nicht wusste, dass er sein Bruder Josef war) sagte er: "Denn wie kann ich zu meinem Vater zurückkehren, und der Junge ist nicht bei mir" (Bereschit 44:34). Um den Gedanken zu schätzen, den ich hier ausdrücken möchte, mag es nötig sein, ein wenig Verständnis für chassidische Tora-Gedanken zu haben. Denken Sie auch daran, dass Chasal sagen, dass "man keine Fragen über einen Drusch (homiletische Gedanken) stellen sollte". Dies mag nicht die wahre Interpretation dieses Passuks sein, aber die Botschaft, die sie vermittelt, ist gewiss richtig.
Eines Tages wird jeder von uns vor das himmlische Gericht treten, nachdem wir diese Welt verlassen. Der obenerwähnte Passuk kann so gelesen werden: "Wie kann ich zu meinem Vater (im Himmel) kommen, wenn der Junge (Na'ar) nicht bei mir ist. Die Bedeutung ist, dass wenn ich meine Jugend, die leichtesten Jahre meines Lebens, für unwichtige Dinge vergeudet habe, wie werde ich mich vor dem Herrn der Welt im endgültigen Urteil verantworten können?
Wenn es eine Botschaft gibt, die meine Schüler in der Jeschiwat Ner Yisroel von mir während meiner gesamten Laufbahn als Lehrer immer wieder gehört haben, ist es dies: Vergeudet nicht diese kostbaren Jahre. Ihr könnt sie nicht wiederholen. Das heisst natürlich nicht, dass das Leben im Alter von 22 oder 23 Jahren endet. Das sorgenfreie Leben, das ein typischer Jeschiwa-Bachur jedoch heute führt – vom Alter von ca. 17-18 Jahren, bis er heiratet – ist herrlich. Baruch Haschem haben die meisten Bachurim Eltern. Ihr Schulgeld wird bezahlt. Ihre Telefonrechnungen werden bezahlt. Ihre Autoversicherung – sofern sie bereits ein Auto haben - wird bezahlt. Ihre Krankenkasse wird bezahlt. Sie müssen sich in der Regel nicht um chronische Krankheiten oder um den Verdienst ihres Lebensunterhalts sorgen. Dies sind sorglose Jahre.
"Wie kann ich zu meinem Vater hinaufkommen, wenn die Jahre meiner Jugend nicht bei mir sein werden?"
Ich weiss, dass die Zuhörer, zu denen ich heute spreche, meistens weit über die Jahre der Jugend hinaus sind. Aber wie ich immer sage: Die Aufgabe, Ihre Kinder zu erziehen, hört nie auf, und die Aufgabe, Ihre Enkelkinder zu erziehen, hört nie auf. Wenn es eine Botschaft gibt, die wir alle unseren Kindern, Enkelkinder und Urenkelkinder vermitteln sollten, ist es dies: Vergeudet nicht diese Jahre. Man kann sie nie mehr zurückholen!
Der Kotzker Rebbe zitierte einen Passuk aus Tehillim/Psalm: "Wie der Pfeil in der Hand des mächtigen Bogenschützen, so ist die Jugend" (Tehillim 127:4). Der Rebbe lehrte: Wenn ein Bogenschütze seinen Bogen zurückzieht und seinen Pfeil abfeuern will, hat er noch die Kontrolle in seiner Hand, was mit diesem Pfeil geschehen soll. Er kann ihn nach oben oder nach unten abfeuern; er kann ihn nach rechts oder nach links abfeuern. Wenn der Pfeil den Bogen verlässt, ist er allein. Er kann ihn nicht zurückholen. Er kann ihn nicht lenken. Er ist nicht wie eine intelligente Bombe, die auf dem Weg umgeleitet werden kann. Der Rebbe sagte: "So ist es auch mit der Jugend." Wenn ein Mensch jung ist, hat er die Zügel in der Hand. Er ist nicht krank, er hat nicht alle Sorgen, die mit dem Alter kommen und seine Fähigkeit vereiteln, zu erreichen, was er mit seinen Talenten und Stärken, die Haschem ihm gegeben hat, erreichen möchte.
Es gibt einen bekannten Spruch: "Die Jugend vergeudet man in der Jugend" oder "Jugend vergeudet man an Jungen". Wenn ein Mensch ein gewisses Stadium im Leben erreicht, ist diese jugendliche Freiheit nicht mehr vorhanden. Ich kannte einen älteren Juden, der sich in einem Altersheim befand. Er pflegte am Morgen aufzustehen, und seine Mitbewohner fragten ihn: "Was tut heute weh?" Ein Mensch verliert alle möglichen Stärken und Fähigkeiten, die er einst besass, wenn er ins Alter kommt. Ah, die Jemej Hane'urim – die Jugendtage!
Dies ist eine Botschaft, die wir unseren Kindern vermitteln müssen, und sogar wenn unsere Kinder bereits erwachsen sind, müssen wir sie ihren Kindern vermitteln. "Vergeudet nicht die kostbaren Jahre der Jugend!"
Rabbi Menachem Mendel Morgenstern von Kotzk (1787-1859); Chassidischer Rebbe; Lublin, Tomaszów, Kotzk (Polen). Sein Schwerpunkt lag auf Emet, der Wahrheit. Um das Ziel der Wahrheit zu erreichen, war er bereit, alles andere zu opfern. Bekannt für seine scharfsinnigen Sprüche.
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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich
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