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Elul/ Paraschat Ki Tawo
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Sei nicht frömmer als die Tora und der Schulchan Aruch (Paraschat Pinchas 5784)

Frömmer als die Tora zu sein, kann eine Katastrophe auslösen!

Frömmer als die Tora zu sein, kann eine Katastrophe auslösen!
Foto: Shutterstock

Wochenabschnitt Paraschat Pinchas: Sei nicht frömmer als die Tora und der Schulchan Aruch 

Rav Frand zu Paraschat Pinchas 5784

Ergänzungen: S. Weinmann

Weitere Artikel zum Wochenabschnitt , finden Sie hier

In der dieswöchigen Parascha steht folgendes: “Der Ewige sprach zu Mosche: Bedrängt die Midianiter und schlagt sie. Denn sie haben euch durch ihre Hinterlist bedrängt…” (Bamidbar 25:16-18). Der Ribbono schel Olam (Herr der Welt) fordert Mosche auf, sich an den Midianitern für ihre Taten gegen Klall Jisrael zu rächen. Der Midrasch Tanchuma (Paraschat Pinchas 3) bemerkt dazu: “Von hier lernen wir, dass wenn jemand kommt, um dich zu töten, so töte ihn zuerst. Rabbi Schim’on (bar Jochai) sagt: “Wie wissen wir, dass jemand, der seinen Freund zu einer Sünde veranlasst, schlimmer ist als jemand, der seinen Freund tötet?” Weil wenn jemand einen anderen Menschen tötet, hat das Opfer immer noch einen Anteil an der kommenden Welt. Wenn jemand jedoch veranlasst, dass sein Freund sündigt, bewirkt er, dass der Freund sowohl diese auch die nächste Welt verliert.

Der Midrasch fährt fort: Zwei Nationen näherten sich der jüdischen Nation mit Schwertern (griffen uns physisch, jedoch nicht geistig an), und zwei andere Nationen näherten sich ihnen mit dem Versuch, sie zur Sünde zu verleiten (ein geistiger Angriff). Mizrajim (Ägypten) und Edom (Nachkommen von Ejsaw) griffen uns physisch an, Ammon und Moaw jedoch griffen uns geistig an. Bezüglich der ersteren Nationen wurde uns gesagt: “Verabscheut sie nicht” (Dewarim 23:8). In der dritten Generation nach ihrem Übertritt dürfen sie mit einer jüdischen Person heiraten (Dewarim 23:9). Bezüglich derjenigen jedoch, die uns zur Sünde veranlassten, steht geschrieben: “Weder ein Ammoniter noch ein Moabiter soll in die Gemeinde von Haschem aufgenommen werden (dürfen nicht mit einer jüdischen Person heiraten), niemals, sogar in der zehnten Generation dürfen sie nicht in die Gemeinde von Haschem aufgenommen werden” (Dewarim 23:4).

Ammon und Moaw bleiben auf ewig auf der “Feindesliste”, weil sie etwas Schlimmeres taten, als den Versuch uns physisch zu töten (wie Mizrajim und Edom). Sie versuchten uns zu verführen. Sie versuchten, unser Olam Haba (künftige Welt) wegzunehmen. Deshalb lehnt sie der Ribbono schel Olam für alle Ewigkeit ab.

Der Midrasch fährt fort und sagt, dass jemand, der sich eines Ammoniters erbarmt, am Ende leiden wird. Er wird Schande, Kriege und Leiden erleben. Wenn die Tora sie zurückweist und sie als verboten erklärt, dürfen wir ihnen kein Wohlwollen zeigen oder nett zu ihnen sein. Dies ist ein altes Prinzip: Sei nicht frömmer als die Tora.

Der Midrasch gibt uns ein Beispiel einer Person, die sich eines Ammoniters erbarmte und als Folge davon schrecklich litt: David Hamelech (König David). Wie geschrieben steht: “Und David sagte: Ich werde etwas Gutes für Chanun, den Sohn von Nachasch, tun, wie sein Vater es mit mir tat…” (Schmuel II 10:2). Nachasch war der König von Ammon, und er tat einst David einen Gefallen (Schmuel I, Kap. 22:4, siehe dort Raschi, dass Nachasch einen Bruder von David rettete). David Hamelech wollte nun den Gefallen erwidern, und als Nachasch starb, sandte er Boten, um seinen Sohn Chanun, den neuen König der Ammoniter, menachem Awel zu sein (dem Trauernden seine Anteilnahme zu bezeugen). Der Midrasch fährt fort: “Der Heilige, Gelobt sei Er, sagte zu David: Du hast Mein Wort (Dewarim 23:7): “Kümmere dich nie, in deinem ganzen Leben, um ihr Wohl und Glück (von Ammon und Moaw)” verletzt! Du hast ihnen Wohlwollen gezeigt. Kohelet (Schlomo Hamelech / König Salamon) spricht: “Al tehi Zaddik harbe – Sei nicht allzu fromm und nicht allzu weise, dass du nicht verderbest!” (Kohelet 7:16).

Und wirklich litt David Hamelech nachher schrecklich. Der König von Ammon schändete die Boten von David, indem er ihre Kleider zerschneiden liess und ihnen den halben Bart (in der Breite) abschnitt (Schmuel II 10:4). David wurde in einen Krieg gegen vier Völker verwickelt, u.a. gegen das Volk Ammon, etc.

Dies ist die Bedeutung des Midrasch. Ein Mensch sollte tun, was die Tora sagt, und nicht versuchen, die Moral der Tora zu verbessern. Wenn die Tora bezüglich der Ammoniter und Moabiter sagt: ‘Kümmere dich nicht um ihr Wohlergehen oder ihren Vorteil’, sollten wir uns an die Tora halten und nicht “religiöser” sein als das Wort G”ttes.

Das Sefer Ozrot Hatora bringt einen unglaublichen Vorfall: Als Rabbi Mosche Feinstein Rabbiner in Luban, Russland, war, gab es in der Stadt einen Juden, der ein Mosser war. Ein Mosser ist ein Mensch, der die Juden bei der Regierung verrät (ein Spitzel). Man muss wissen, dass dieser Vorfall in den 1930er Jahren, unter der Regierung von Stalin, geschah. Die Kommunisten waren an der Macht und behandelten die Juden auf schreckliche Weise. Es gab leider Juden, die Mitglieder der kommunistischen Partei waren, und sie pflegten Informationen über andere Juden an die Regierung weiterzuleiten, was viele Juden in Schwierigkeiten mit den sowjetischen Behörden geraten liess.

Der Mosser starb und hinterliess einen Brief an die Chewra Kadischa (Beerdigungsgesellschaft), in welchem er zugab, dass er während seines Lebens gesündigt hatte, und erklärte, dass er jetzt vor dem Tod diese Handlungen bereue. Er beklagte die Tatsache, dass er dafür verantwortlich war, dass Juden verhaftet, nach Sibirien verbannt und getötet wurden. Mit Schamgefühl und Reue erklärte er, dass er nach dem Tod Kappara (Sühne) für seine Handlungen erlangen wolle, und bat deshalb die Chewra Kadischa, ihm kein angemessenes jüdisches Begräbnis zu gewähren. Er ersuchte sie, seinen Körper zu verstümmeln und zu misshandeln. “Ich will keine Tahara (Reinigung des Toten) haben – rollt mich einfach in die Gosse (Abwasserkanal) als Kappara für die Taten in meinem Leben.”

Die Chewra Kadischa kam zum Rabbiner von Luban, Rabbi Mosche Feinstein, und zeigte ihm dieses “Testament” des Mossers, und bat ihn um Rat. Raw Mosche paskente (entschied), dass sie einen jüdischen Körper nicht respektlos behandeln dürften und ihn mit einer Tahara und jeglicher Ehre und Würde, die irgendeinem jüdischen Menschen gewährt wird, begraben sollten. Er bestimmte, dass kein Mensch Herr über seinen eigenen Körper ist, und dass dieser Mensch kein Recht hatte, solch eine Forderung zu stellen. “Was ihm nach seinem Tod geschehen wird, ist zwischen ihm und dem Ribbono schel Olam, aber wir können das Gesetz nicht in unsere eigenen Hände nehmen und dies einem anderen Juden antun, da es gegen das jüdische Gesetz verstösst.”

Die Chewra Kadischa versuchte, mit Rabbi Mosche zu debattieren, und betonte, was für ein abscheulicher Mensch dieser Mann war. Rabbi Mosche beharrte auf seinem Standpunkt: “Dies ist, was im Schulchan Aruch steht. Ihr müsst euch an das Gesetz halten. Seid nicht frömmer als die Tora.”

Die Chewra Kadischa begrub den Mann, vielleicht nicht mit “vollen militärischen Ehren”, jedoch mit einem normalen Kawod HaMet (Würde für den Toten). Einige Tage nach dem Begräbnis meldete der Wächter des Friedhofs, dass Beamte der russischen Regierung kamen und darauf beharrten, die Leiche auszugraben. Der Wächter konnte den Regierungsbeamten nicht sagen: “Es tut mir leid, aber wir tun so etwas nicht.”

Sie gruben das Grab auf. Sie öffneten den Sarg. Sie betrachteten die Leiche. Sie schlossen den Sarg, und begruben ihn erneut. Bevor sie weggingen, fragte der Wächter, ob sie ihm eine Erklärung für das Geschehene geben könnten. Sie erzählten ihm, was geschehen war. Bevor der Mosser starb, sandte er einen Brief (einen zweiten Brief) an die Regierung, in dem er erklärte, dass er aufzeigen könne, wie sehr die Juden die kommunistischen Behörden hassten. “Sie werden mir kein angemessenes jüdisches Begräbnis geben, weil ich ein Freund der Regierung war.”

Siehe da, als sie den Sarg öffneten, sahen sie, dass er keDat ukeDin (gemäss dem jüdischen Gesetz) begraben worden war, und dass die Beschuldigung im Brief, den er ihnen gesendet hatte, in keiner Weise wahr war!

Die Moral der Geschichte ist: Haltet, was im Schulchan Aruch steht. Der Schulchan Aruch sagt, was wir tun müssen. Wir sollten nicht versuchen, den Schulchan Aruch zu überlisten, und wir sollten nicht versuchen, frömmer zu sein als der Schulchan Aruch. “Al tehi Zaddik harbe” – sei nicht übermässig fromm und weise! (Kohelet 7:16).

Quellen und Persönlichkeiten:

  • Midrasch Tanchuma: Sammlung von Erklärungen und Aggadot zum Chumasch. Wird nach dem Amora (Talmudgelehrten) Rabbi Tanchuma Bar Abba benannt, da er am häufigsten in diesem Midrasch zitiert wird. Er war ein jüdischer Amora der 6. Generation, einer der bedeutendsten Aggadisten seiner Zeit.
  • Raschi, Akronym für Rabbi Schlomo ben Jizchak (1040-1105); Troyes (Frankreich) und Worms (Deutschland); „Vater aller TENACH- und Talmudkommentare“.
  • Schulchan Aruch, verfasst von Rabbi Josef ben Efrajim Karo(1488 – 1575); Toledo (Spanien), Adrianopel (Türkei),  Saloniki (Griechenland), Konstantinopel (Istanbul, Türkei) und Zefat (Safed, Israel). Er war Rabbiner, Possek (Dezisor), Kabbalist und schrieb auch Responsen. Noch zu seiner Lebenszeit verfasste und veröffentlichte er umfangreiche Werke, die bis heute im gesamten jüdischen Volk gelernt werden und allseits anerkannt sind:  Der Schulchan Aruch ist der jüdische Gesetzeskodex. Dieser Kodex wurde von ihm 1555 fertiggestellt und 1565 in vier Teilen veröffentlicht.Rabbi Mosche ben Jisrael Isserles, (1520-1572); bekannt mit dem Akronym Rem’a. Krakau (Polen), schrieb seine Anmerkungen zum ‚Schulchan Aruch‘ von Rabbi Josef Karo. Seine Entscheidungen sind für die aschkenasischen Juden verbindlich.
  • Ozrot Hatorah. Verfasser: Rav Elijahu Hacohen. Zeitgenössischer Rav, Redner und Verfasser von div. Werken zum Chumasch und Feiertagen.

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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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