Elul/ Paraschat Ki Teze
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Recht und Ordnung sind die Grundlagen einer zivilisierten Gesellschaft. (Paraschat Schoftim 5785)

Was gefährdet die Legitimität des Rechtswesens?

Was gefährdet die Legitimität des Rechtswesens?
Foto: AI Avigail

Recht und Ordnung sind die Grundlagen einer zivilisierten Gesellschaft.

Rav Berel Wein zu Paraschat Schoftim 5785

Ergänzungen: S. Weinmann

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Das Judentum verabscheut Anarchie und Unordnung. Daher gebietet die Tora der jüdischen Gesellschaft die Einrichtung eines Systems der Gerechtigkeit – bestehend aus Richtern, Aufsehern und der Herrschaft des Rechts. Doch die Tora fordert nicht nur Gerechtigkeit im engen juristischen Sinn. Sie verlangt nach einer Gerechtigkeit, die von Rechtschaffenheit, Fairness und Integrität durchdrungen ist. Nur eine Gesellschaft, die auf ein gerechtes und verlässliches Rechtssystem vertrauen kann, vermag Harmonie, Gelassenheit und Einigkeit im Ziel zu erreichen.

Die Tora, stets realistisch in ihrem Blick auf die menschliche Natur und niemals naiv optimistisch, ordnet daher an, dass Gerichte und Beamte der Rechtspflege in allen Städten des Landes Israel eingesetzt werden müssen. Dies ist die unverzichtbare Voraussetzung für den Aufbau einer friedlichen und geeinten Nation.

Zugleich warnt die Tora vor der Korruption von Regierung und Justiz. Korruption, so lehrt sie, verblendet selbst Gerechte und zerstört die Grundlagen des Rechts. Dabei beschränkt sie sich nicht auf Bestechung im materiellen Sinn. Sie umfasst ebenso Vorurteile, Voreingenommenheit, Gefühllosigkeit gegenüber Mitmenschen und festgefahrene Meinungen. Ein Mensch mit einer starken persönlichen Agenda wird kaum unparteiisch urteilen. Vielleicht ist dies einer der Gründe, warum das jüdische Recht Kollegialgerichte aus mindestens drei Richtern bevorzugt: in der Erkenntnis, dass jeder Mensch eigene Neigungen mit sich trägt, diese sich jedoch im Miteinander mehrerer Richter ausgleichen können und so Raum für ein gerechteres Urteil entsteht.

Die Tora erkennt auch die Fehlbarkeit des Menschen an. Richter können irren, und gerade deshalb war die Todesstrafe in der jüdischen Rechtspraxis faktisch so gut wie nicht existent. Ein Fehlurteil allein aber zerstört das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Gerichte noch nicht. Der Talmud lehrt, dass die Entscheidungen der Richter jeder Generation respektiert werden müssen – selbst wenn sich später herausstellt, dass eine Entscheidung sachlich falsch war. Denn menschliche Gerechtigkeit ist ihrem Wesen nach fehleranfällig. Was jedoch die Legitimität des Rechtswesens tatsächlich gefährdet, ist nicht Irrtum, sondern Korruption. Deshalb legt die Tora den Schwerpunkt auf die Verhinderung der Korruption im Rechtssystem.

Diese Botschaft ist zeitlos. "Zedek, Zedek tirdof – Nach Gerechtigkeit, nur nach Gerechtigkeit sollst du streben" (Dewarim 16:20). So wie in den Tagen Mosches sind auch wir heute verpflichtet, Gerechtigkeit zu verfolgen – mit rechtschaffenen Mitteln, mit Richtern und Gerichten, die sich durch Fairness, Integrität, Qualität und G-ttesfurcht auszeichnen.

Gut Schabbes!

Jehi Sichro Baruch – Möge sein Andenken zum Segen sein.

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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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