Tischri/ Paraschat Wajelech
Tischri/ Paraschat Wajelech

Man kann (sogar) aus der Abfallentsorgung geistige Lehren ziehen

Raw Frand zu Parschat Zav 5772 (Beitrag 1)

Die Parscha dieser Woche spricht über die Mizwa des Korban Olah, des Emporopfers (Ganzopfers). Der Passuk (Vers) sagt uns, dass Aharon und seinen Nachkommen die gewaltige Verantwortung für den Tempeldienst anvertraut worden war. Die erste Aufgabe, die Aharon und seine Nachkommen erhalten hatten, war die tägliche Mizwa von Terumat HaDeschen, das Wegschaffen der Asche des Altarfeuers vom Vorabend.

Der Chowat Halewawot, einer der klassischen jüdischen Werke über Ethik und Mussar, sagt, dass folgender Gedankengang dahintersteckt: Die Tora achtet sehr darauf, dass Dinge dem Menschen nicht in den Kopf steigen, dass niemand ein Ba'al Ga'awa (stolz, eingebildet) und hochnäsig wird. Es wäre für Aharon ganz natürlich gewesen, wenn er gedacht hätte, er sei etwas Besonderes. Er war ja einer der Wenigen, der die Ehre hatte, den Dienst im Tempel verrichten zu dürfen! Daraufhin befiehlt ihm die Torah, dass er jeden Morgen als Erstes die Asche wegschaffen müsse! Gemäss Chowat Halewawot sollte diese Aufgabe die Selbstwertschätzung der Kohanim senken und Hochmut aus ihrem Herzen tilgen.

Vor einigen Jahren kam mir in den Sinn, dass die letzte Handlung, die wir am Erew Jom Kippur (Vorabend des Jom Kippur) tun, das Hinaustragen des Kehrichts ist. Erew Jom Kippur ist eine symbolträchtige Zeit: Wir essen die Se’udat Hamafseket (die letzte Mahlzeit vor dem Fasten), wir segnen unsere Kinder, daraufhin gehen wir nach Schul (in die Synagoge). Schliesslich, bevor ich nach Schul gehe, trage ich noch den Abfall hinaus. Es wurde mir klar, dass dies auch symbolisch gedeutet werden kann. Das ist es doch, was wir jeden Jom Kippur zu tun versuchen: Den Abfall aus unserem Leben wegschaffen.

Wir gehen mit dem Kittel (weisse Bekleidung) unter dem Arm nach Schul und denken, dass wir nun in eine andere Welt eintreten. Doch wir dürfen auch in Zeiten geistiger Höhenflüge nicht vergessen, dass wir den Abfallsack hinaustragen müssen. Wir sind Menschen, als Menschen essen wir und als Menschen produzieren wir auch Abfall. Wenn wir uns dieses Konzept vor Augen halten, werden wir keine Gedanken in unserem Kopf zulassen, die uns weismachen wollen, dass wir erhabener seien als wir in Wirklichkeit sind.

Quellen und Persönlichkeiten:
Chowat Halewawot: Pflichten des Herzens; geschrieben von Rabbi Bachjeh Ibn Pakuda im Spanien des 11. Jahrhunderts. Ursprünglich in Arabisch, wurde es von Rabbi Jehudah Ibn Tibbon im 12. Jahrhundert ins Hebräische übersetzt.

 

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