Tischri/ Paraschat Bereschit
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Fatalismus und Akzeptanz (Paraschat Wa’etchanan 5785)

Warum wurden Mosches Gebete abgewiesen?

Warum wurden Mosches Gebete abgewiesen?
Foto: AI Avigail

Fatalismus und Akzeptanz

Rabbi Berel Wein zu Paraschat Wa’etchanan 5785

Ergänzungen: S. Weinmann

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Obwohl unser Lehrer Mosche im übertragenen Sinne die Tore des Himmels mit seinen Gebeten und Bittgesuchen niederreisst, um die Erlaubnis zu erhalten, ins Land Israel hereinzukommen, wird ihm sein Wunsch nicht gewährt (Unsere Weisen erklären, dass er 515 Tefilot betete, gem. der Gimatrija (Zahlenwert von ‘Wa’etchanan’). Über Jahrhunderte hinweg haben Kommentatoren verschiedene Erklärungen unterbreitet, warum der Himmel sozusagen so hartnäckig sein Ersuchen und Gebet verweigerte.

Obwohl sehr viele bedeutende und noble Beweggründe vorgeschlagen wurden, um diese Verweigerung der Gebete von Mosche zu rationalisieren und erklären, bleibt die Frage verwirrend, sogar nach Tausenden von Jahren.

Die einfachste und vielleicht am wenigsten zufriedenstellende Antwort zu diesem Problem ist, dass wir die Urteile und Entscheidungen des Himmels nie verstehen oder ergründen können. Ein gewöhnlicher Sterblicher kann nie die Grenze zur Ewigkeit überschreiten und wird immer Fragen und Schwierigkeiten haben. All dies ist in den Worten von Haschem enthalten: "Kein Menschenwesen kann Mich bei Lebzeiten ergründen oder sehen" (Schemot 33:20).

Natürlich fühlen wir uns infolge unserer Unfähigkeit, auf rationaler Basis mit der Ewigkeit umzugehen, sehr frustriert. Wir sind frustriert über die Realisierung unserer Einschränkungen, mögen diese physisch, seelisch, geistig oder sogar alltäglich sein. Die Fähigkeit, innerhalb der Einschränkungen unserer eigenen Mängel zu leben und zu funktionieren, ist ein besonderes Talent, und leider gibt es viele Menschen, die diese Fähigkeit nicht besitzen und ständig unglücklich, enttäuscht, frustriert, pessimistisch und missmutig sind.

Alle utopischen Ideen und Gesetzgebungen, die gegenwärtig in einem grossen Teil der westlichen Welt vorangetrieben werden, sind lediglich ein Ventil für das Gefühl der Enttäuschung, die gefühlt wird, wenn ein Mensch realisiert, dass die Gesellschaft nicht perfekt ist und dass das Leben normalerweise chaotisch ist.

Mosche wird vom Himmel gesagt, er solle diese Gebete nicht weiterverfolgen. Er muss auf seinen lebenslangen Traum verzichten und den Willen von Haschem akzeptieren, obwohl er diesen Entscheid vielleicht nicht versteht oder damit nicht einverstanden ist. Dies wird die Matrix der Grösse von Mosche, indem er diesen Entscheid gegen ihn akzeptiert, und wir sehen, dass er diese Angelegenheit nicht weiterverfolgt.

In seinen Abschlussworten zum jüdischen Volk wird Mosche sich wieder auf die Tatsache berufen, dass er sie nicht ins Land Israel führen wird und dass er im Lande Moaw sterben und begraben werden wird. Diese Erklärungen werden jedoch nicht aus Bitterkeit oder als Klage ausgesprochen, sondern einfach in Anerkennung der Wahrheit der Situation, der er und das jüdische Volk sich gegenübersieht.

Das Judentum ist eine Religion des Optimismus, der Gelegenheit und vielfacher Möglichkeiten, enthält jedoch ein gewisses Mass an Fatalismus – ein Verständnis, dass der Willen des Himmels in keiner Weise vereitelt werden wird, wie mysteriös es für einen gewöhnlichen Sterblichen auch erscheinen mag.

In Jiddisch wird dieser Fatalismus mit dem Wort "baschert" ausgedrückt. Nachdem all unsere Versuche und Handlungen vorgenommen wurden, bleibt noch dieses Element, das den Ausgang nach all unseren Anstrengungen und scheinbaren Errungenschaften regiert. So ist die Beziehung der Geschöpfe mit dem Schöpfer.

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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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