Wochenabschnitt Paraschat Tezawe: Die Verbindung zwischen dem Choschen und dem Ephod
Rav Frand zu Paraschat Tezawe 5785
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Die Tora lehrt uns in der dieswöchigen Parscha: “Und der Choschen soll sich nicht vom Ephod abtrennen” (Schemot 28:28). Zwei der acht Kleidungsstücke, die täglich vom Kohen Gadol (Hohepriester) im Bejt Hamikdasch getragen wurden, waren der Choschen (Brustschild, der über dem Brustkorb des Kohen Gadol getragen wurde), und das Ephod (schürzenähnliches Kleidungsstück). Der Choschen wurde mit dem Ephod mit himmelblauen Schnüren verbunden, so dass sich beim Kohen Gadol beim Tragen der Kleider der Choschen vom Ephod nicht wegrücke. Eines der 365 Verbote der Tora (es gibt insgesamt 248 Ge- und 365 Verbote) ist, den Choschen vom Ephod zu trennen (wenn der Kohen Gadol die Kleider trägt). Der Talmud (Traktat Joma 72a) erklärt, dass ein Mensch, der den Choschen vom Ephod entfernt, Makot (39 Schläge) erhält.
Rabbi Mosche Feinstein sZl. und Rabbi Ja’akov Kamenetsky sZl. stellen dieselbe Frage, geben jedoch verschiedene Antworten. Die Frage lautet wie folgt: Der Talmud (Traktat Sewachim 88b) lehrt, dass jedes der acht Kleidungsstücke des Kohen Gadols für eine spezifische Awejra (Sünde) sühnt. Der Talmud sagt zum Beispiel, dass das Ephod für Götzendienst sühnt und der Choschen für Rechtsirrtümer. Sowohl Raw Mosche als auch Raw Yaakov meinen, dass diese zwei Awejrot sehr ungleiche Angelegenheiten zu sein scheinen. Die Tatsache jedoch, dass die Tora sagt, dass der Choschen nicht vom Ephod abgetrennt werden darf, deutet scheinbar eine starke Verbindung zwischen diesen zwei Angelegenheiten an.
In seinem Sefer Darasch Mosche erklärt Raw Feinstein die Verbindung wie folgt: Awoda Sara ist eine Awera, die mit einem Mangel an echtem Glauben an den Herrn der Welt verbunden ist. Ein Götzendiener glaubt offensichtlich nicht an das grundsätzliche Prinzip des Monotheismus “Haschem Elokejnu (ist unser G-tt), Haschem Echad (ist eins)”. Ein Mensch, der erlogene Forderungen hervorbringt und Tatsachen fälscht und dadurch die Halachot bezüglich korrekter richterlicher Entscheidungen in finanziellen Fällen manipuliert, tut dies offensichtlich, weil er annimmt, dass er den Fall gewinnen muss, weil er das Geld benötigt. Er wird vor nichts zurückschrecken, um den Fall zu gewinnen. Warum geschieht dies? Es ist, weil er nicht wirklich gläubig ist. Ein wahrer Gläubiger würde nicht die Einstellung haben, dass weil er Geld benötigt, dürfe er deshalb eine wahre jüdische Rechtsprechung manipulieren. Der wahre Gläubige weiss, dass sein Lebensunterhalt für ihn von einem Rosch Haschana bis zum nächsten Rosch Haschana genau festgelegt wurde. Egal, was ein Mensch im Laufe des Jahres zu tun versucht, wird er diesen bestimmten Betrag und nicht mehr Geld verdienen, indem er durch seine falschen Aussagen einen unwahren Entscheid der Richter bewirkt. Er muss wissen: Wenn ich meinen Prozess gewinnen muss, werde ich ihn gewinnen; wenn ich ihn verlieren muss, werde ich ihn verlieren – aber in jedem Fall wird der Ribbono schel Olam mir das geben, was mir zusteht, keinen Cent mehr oder weniger.
Dies ist laut Raw Mosche der Grund, warum der Choschen nicht vom Ephod getrennt werden darf. Es gibt eine Verbindung zwischen der Awoda Sara und der Korruption des Gesetzes. Beide weisen auf einen Mangel an Emuna hin.
Raw Ja’akov Kamenetsky bringt einen anderen Gedanken. Raw Ja’akow zitiert Raw Nissim Gaons Einführung zum Schass (Talmud): Awoda Sara ist eine Awejra, die mit Iwut Hajaschrut (Verkrümmung der Denkrichtigkeit/Integrität) verbunden ist. Wie Raw Nissim Gaon schreibt, ist die Sünde von Awoda Sara ein logisches Verbot (Mizwa Sichlit). Wenn ein Mensch die Welt unverfälscht betrachtet, wird er zur unwiderlegbaren Schlussfolgerung kommen, dass die Sonne, der Mond, die Sterne, das Silber und das Gold nicht für die Welt zuständig sein können. Jeder, der vom Gedanken angezogen wird, dass solche Dinge für die Welt zuständig sein könnten, hat definitionsgemäss einen Mangel in seinen Schlussfolgerungen. Ein logischer Verstand muss zur Schlussfolgerung kommen, dass die Philosophie hinter dem Götzendienst absurd ist. Wiederum sagen Chasal, dass Aharon das Privileg verliehen wurde, den Choschen auf seinem Herzen zu tragen, weil Haschem, als Mosche sich scheute, der Führer des jüdischen Volkes zu werden, weil dies seinen älteren Bruder verletzen würde, zu Mosche sagte: Sorg dich nicht, dein Bruder Aharon wird dich begrüssen und in seinem Herzen froh sein. Aharon hatte keinen Funken von Eifersucht in seinem Herzen. Er war gänzlich hocherfreut darüber, dass sein jüngerer Bruder für diese Führungsrolle erwählt wurde. Als Belohnung für die echte Freude in seinem Herzen erhielt Aharon das Privileg, den Choschen auf seinem Herzen zu tragen. Gemäss Raw Ja’akow stellt der Choschen also die Middot Towot (guten Charaktereigenschaften) dar.
Dies ist also die Verbindung zwischen der Awoda Sara und den Middot Towot. Awoda Sara stellt einen gekrümmten Gedankengang dar, was in vielen Fällen die Wurzel von schlechten Middot ist. Wenn ein Mensch schlechte Charakterzüge hat und sein Verhalten glätten und rationalisieren muss, wird er in betrügerischer Weise denken, um seine Handlungen zu rationalisieren. Der Mensch mit einem reinen Herzen und guten Charakterzügen wird nicht unehrlich (in Jiddisch “krumm”) sein. Gute Eigenschaften werden einen Menschen davon abhalten, vom Weg abzukommen und betrügerisch zu denken. Deshalb sollte der Choschen, der über dem Herzen getragen wird (und die Middot Towot darstellt) nicht vom Ephod getrennt werden (der korrekte richterliche Entscheide darstellt).
Quellen und Persönlichkeiten:
Rav Nissim ben Ja’akov, bekannt als Rav Nissim Gaon oder “Rabbejnu Nissim” (990 – 1062). Er war das Oberhaupt der Jeschiwa in Kairouan (Tunesien). Er schrieb eine Reihe von Werken zum babylonischen Talmud und anderen Gebieten der Tora, leider gingen einiger seiner Werke verloren. In der Wilnaer Ausgabe des Talmuds wurde sein Kommentar auf der Seite eingefügt.
Er war ein jüdischer Gaon. Gaon (Genie, im plural Geonim) ist ursprünglich der Titel, der als Talmudinterpreten bekannten Oberhäupter der jüdischen Akademien in Babylonien im siebten bis elften Jahrhundert, rund 450 Jahre lang. Die babylonischen Geonim galten als die religiösen Führer des Judentums im frühen Mittelalter. Die Geonim spielten eine wichtige und entscheidende Rolle in der Übermittlung und Lehre der Tora und des jüdischen Gesetzes (Halacha). Sie lehrten den Talmud und entschieden über Diskurse, welche in der Zeit des Talmuds noch nicht mit Regeln versehen wurden.
Rabbejnu Nissim studierte an der Jeschiwa in Kairouan (Tunesien), zunächst bei seinem Vater – Rav Ja’akov ben Nissim (“Rav Ja’akov Gaon”), der bei Rav Hai Gaon studiert hatte – und dann bei Rav Chuschiel, der Rav Ja’akov Gaon als Rosch Jeschiwa (Leiter der Jeschiwa) nachfolgte, da Rav Nissim beim Ableben seines Vaters erst 16 Jahre alt war. Rav Nissim Gaon selbst wurde dann später das Oberhaupt dieser Jeschiwa; in dieser Funktion war er eng mit Rav Chananel ben Chuschiel verbunden. Sein berühmtester Schüler ist wohl Rav Jizchak Alfassi, bekannt mit dem Akronym RI”F (der in seinem Werk alle Abschnitte der Halacha aus dem Talmud sammelte; der in vielen Ausgaben des Talmuds am Ende des jeweiligen Bandes gedruckt wurde).
Rav Nissim Gaon unterhielt einen intensiven Briefwechsel mit Rav Hai Gaon dem Rosch Jeschiwa in Pumbedita (Babylonien), an den er seine Fragen zum jüdischen Recht richtete. Rav Nissim fungierte auch als Vermittler zwischen Rav Hai Gaon und Rav Schemuel HaNaggid aus Granada (Spanien), indem er dessen gesetzgeberische Korrespondenz leitete und so zur Verbreitung des babylonischen talmudischen Wissens in Andalusien (Spanien) beitrug.
Als Kairouan durch beduinische Stämme zerstört wurde, wanderte Rav Nissim eine gewisse Zeit nach Granada aus. Seine einzige Tochter heiratete den Sohn von Rav Schemuel Hanaggid Rav Josef Hanaggid. Er verschied in Mahdia (Tunesien).
Er wird von einigen bereits als einer der ersten Rischonim (mittelalterliche rabbinische Autoritäten) angesehen, da er in der Epoche zwischen den letzten Geonim und den ersten Rischonim lebte.
Rabbejnu Nissim hat weitgehend einen Präzedenzfall geschaffen; einige Schüler aus Spanien übertrugen seine Lehren und seine Autorität dort, so dass er den Titel eines Gaon erhielt, obwohl er weder Mitglied der talmudischen Akademien in Babylonien noch der Akademie des Landes Israel war.
Rabbi Ja’akov Kamenetsky (1891-1986); Minsk, Slobodka, Seattle, Toronto und New York. War Rabbiner, Rosch Jeschiwa, Possek und grosser Talmudgelehrter. Rosch Jeschiwa von Tora We’Daat, Brooklyn. Zusammen mit Rabbi Mosche Feinstein leitete er das amerikanische Judentum in Fragen der Halacha und in spirituellen Führung bis 1986, als beide Grössen diese Welt verliessen. Verfasser von verschieden Werken, wie Emet leJaakov zum Schulchan Aruch und Erklärungen zum Chumasch.
Rabbi Mosche Feinstein (1895 – 1986): Usda (Weissrussland), Ljuban (Russland), New York (USA). Er war ein weltberühmter Rabbiner, eine führende halachische Kapazität, und zu seinen Lebzeiten de facto die höchste rabbinische Autorität (Gadol Hador) der Orthodoxie Nordamerikas. Er war auch der Rosch Jeschiwa der Mesivta Tiferet Jeruschalajim, New York.
An seiner Beerdigung nahmen etwa 300’000 Menschen teil. Rabbi Feinstein genoss ein derart hohes Ansehen, dass der bekannte Rabbi Schlomo Salman Auerbach es ablehnte, zu seinen Ehren zu sprechen. Er sagte: „Wer bin ich, dass ich zu seinen Ehren sprechen könnte? Ich studierte seine Bücher, ich bin sein Schüler.“
Er verfasste unzählige weltberühmte Werke, wie Igrot Mosche (8 Bände halachischer Responsen), Dibrot Mosche, Erklärungen zum Talmud (11 Bände) und Darasch Mosche zum Chumasch, etc.
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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich
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