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Die Verbindung zwischen Amalek und den Bikkurim (ersten Früchten) – Paraschat Ki Tawo 5784

Die Welt wurde u.a. wegen den Bikkurim (Erstlingsfrüchten) geschaffen. Eigentlich unverständlich!

Die Welt wurde u.a. wegen den Bikkurim (Erstlingsfrüchten) geschaffen. Eigentlich unverständlich!
Foto: AI free sharing

Wochenabschnitt Paraschat Ki Tawo: Die Verbindung zwischen Amalek und den Bikkurim (ersten Früchten)

Rav Frand zu Paraschat Ki Tawo 5784

Ergänzungen: S. Weinmann

Weitere Artikel zum Wochenabschnitt , finden Sie hier

Paraschat Ki Tawo beginnt mit Mizwat Bikkurim – das Bringen der ersten Früchte der Ernte eines Bodenbesitzers in Erez Jisrael zum Kohen nach Jeruschalajim: “Wenn du in das  Land kommen wirst, das der Ewige, dein G-tt, dir zum Erbbesitz gibt, und  es in Besitz genommen hast und darin wohnst. So sollst du von den Erstlingen aller Früchte des Bodens – die du von deinem Land, das der Ewige, dein G”tt, dir gibt, erntest – nehmen, und sie in einen Korb legen und an den Ort gehen, den der Ewige, dein G”tt, erwählen wird, um Seinen Namen dort ruhen zu lassen” (Dewarim 26:1-2).

Normalerweise versuchen wir, zwischen den aufeinanderfolgenden Teilen der Tora eine Verbindung zu finden. Die Frage ist: Können wir eine Verbindung zwischen der Mizwa des Bringens der Erstlingsfrüchte zu Beginn von Paraschat Ki Tawo und dem Abschnitt, den wir zu Ende von Paraschat Ki Teze, bezüglich des Gedenkens an was Amalek uns unterwegs antat, finden?

Auf den ersten Blick scheinen sie grundverschiedene Angelegenheiten zu sein, die überhaupt nichts miteinander zu tun haben.

Ich möchte noch eine weitere Frage analysieren. Die Mizwa des Bringens der Bikkurim besteht nicht nur aus dem Bringen der Ersten Früchte zum Kohen. Es gibt einen speziellen Text, der rezitiert werden muss (‘Mikra Bikkurim’). Der Landwirt trägt ein Stück jüdische Geschichte vor, die mit  der  Verfolgung Ja’akows durch seinen Schwiegervater Lawan beginnt: “Arami owed Awi – Der Arami (Lawan) wollte meinen Vater (Ja’akow) vernichten, und er (Ja’akow) stieg  nach Ägypten hinab, und wohnte dort mit einer geringen Anzahl von Personen, und entwickelte sich dort zu einem grossen, mächtigen und zahlreichen Volk. Alsdann unterdrückten uns die Ägypter, peinigten uns und auferlegten uns schwere Arbeit. Da schrien wir zum Ewigen, dem G-tt unserer Väter, und der Ewige hörte unsere Stimme, und sah unser Elend, unsere schwere Arbeit und unsere Bedrückung. Und der Ewige führte uns aus Ägypten mit starker Hand und ausgestrecktem Arm… Und er brachte uns an diesen Ort… ein Land, in dem Milch und Honig fliesst… Und nun bringe ich hier die Erstlinge der Früchte des Bodens, den Du, Ewiger, mir gegeben hast…”

Diese Erzählung der jüdischen Geschichte ist problematisch, da sie inmitten der Geschichte zu beginnen scheint – mit Ja’akows Begegnung mit Lawan. Falls es das Ziel war, die jüdische Geschichte vorzutragen, warum sollte man nicht die gesamte Geschichte, beginnend mit Awraham, erzählen, und dann mit Jizchak und später mit dem Leben des Patriarch Ja’akow weitermachen? Und was ist denn die Bedeutung des Hervorhebens der Geschichte von Ja’akows Begegnung mit Lawan, wenn man die Mizwa des Bringens der Bikkurim erfüllt?

Wir haben oft gesagt, dass das ‘Mikra Bikkurim’ ein Beispiel einer der fundamentalsten Verpflichtungen ist, die die Tora den Juden auferlegt: Die Pflicht von “Hakarat Hatow – Dankbarkeit” und dass die Dankbarkeit ausgesprochen werden muss.

Der Alschich Hakadosch erläutert in der dieswöchigen Parascha den Midrasch, der die ersten Worte der Tora “Bereschit bara Elokim” homiletisch so interpretiert, dass G-tt die Welt für die Dinge, die Reschit” genannt werden, geschaffen hat. Der Midrasch bringt als Beispiel, dass Jisrael, die Tora und Bikkurim alle in verschiedenen Versen in TENACH ‘Reschit’ (Erste) genannt werden und dass deshalb gesagt werden kann, dass die gesamte Welt wegen Jisrael, wegen der Tora und wegen den Bikkurim geschaffen wurde.

Der Alschich stellt die Betonung auf die Mizwa des Bringens der Ersten Früchte in Frage. Die Schöpfung wegen Tora und Jisrael ist jedermann verständlich, denn schlussendlich gibt es keinen anderen Zweck der Schöpfung. Jedoch Bikkurim ist nur eines der 613 Geboten. Darauf antwortet der Alschich, dass was hier betont wird, ist die Mizwa von Hakarat Hatow. Wir müssen dem Allmächtigen dankbar sein, wenn Er uns mit einer Fülle überhäuft. Die Notwendigkeit, Dankbarkeit auszudrücken, ist etwas Fundamentales für einen ehrbaren Menschen. So sehr, dass man – gemäss diesem Midrasch – sagen kann, dass die Welt geschaffen wurde, um diese Lehre zu erteilen.

Niemand ist fähiger, Dankbarkeit dafür auszusprechen, dass er “Tow-Gutes” erhalten hat, als ein Mensch, der zuvor das Gegenteil von “Tow” erlebt hat. Niemand ist dankbarer für seine gute Gesundheit als ein Mensch, der krank war. Wir nehmen unsere gute Gesundheit als selbstverständlich an. Alles, was nötig ist, ist ein Anfall einer ernsten Krankheit oder ein Knochenbruch oder ein Aufenthalt im Spital, und dann realisiert man die Beracha (Segen) von guter Gesundheit. Ein Mensch, der sein ganzes Leben arm war und nicht wusste, woher seine nächste Mahlzeit kommen würde, und dessen Situation sich plötzlich veränderte und er reich wurde, ist ein Mensch, der schätzen kann, was es bedeutet, Geld zu haben! Solch ein Mensch weiss, wie katastrophal es ist kein Geld zu haben.

Der Abschnitt von ‘Mikra Bikkurim’ ist die Parscha von Hakarat Hatow (das Anerkennen unserer Dankesschuld), dass wir endlich ein Land haben, das unser eigenes ist. Endlich sind wir nach Erez Jisrael gekommen, nachdem wir Fremde, Nomaden und Knechte während mehr als 400 Jahren waren. Dies ist eine Zeit, da wir die Tatsache schätzen können, dass jeder Stamm und jeder Jude sein eigenes Stück Land und einen Platz im Land Jisrael hatte.

Stellen Sie sich jemanden vor, der sein ganzes Leben in einer Miet-Wohnung lebte und von einem Platz zum anderen ziehen musste. Endlich erhält er sein eigenes Heim. Stellen Sie sich die Freude vor: “Es ist mein Haus. Ich muss nicht mehr um Erlaubnis des Vermieters bitten, ein Bild aufzuhängen. Es gehört mir!” Man vervielfache dies auf nationalem Ausmass – schliesslich haben wir unseren eigenen Platz!

Wir wissen, was es bedeutet, ein Fremder im Land von jemand anderem zu sein. Dies ist das Hakarat Hatow des Erntens unserer Ersten Früchte in Erez Jisrael. Jetzt verstehen wir, warum wir mit Ja’akow Awinu beginnen. Es war Ja’akow, der Erez Jisrael verlassen musste. Er realisierte, was es bedeutete, ein Fremder im Land eines anderen zu sein. Nachdem er viele Jahre in seinem Elternhaus im Land Jisrael gelebt hatte, musste er ins Exil gehen und sich mit Lawan und all seinen Gaunereien in einem fremden Land abfinden. Er wurde ein Fremder und lernte, was es heisst, an einem Platz zu leben, wo er nicht ein eigenes Heim hat.

Derselbe Ja’akow Awinu musste später nach Ägypten hinunterziehen. Ja’akow Awinu ist der Patriarch, der persönlich den Schmerz der Obdachlosigkeit fühlte. Awraham Awinu lebte in Erez Jisrael (nach seiner Ankunft aus dem Ausland). Jizchak Awinu verliess Erez Jisrael nie. Ja’akow Awinu jedoch ist der Nomade. Er ist der wandernde Jude. Dies ist der Grund, warum die Parscha von ‘Mikra Bikkurim’ mit den Worten “Arami owed Awi” beginnt, weil Ja’akow Awinu wusste, was es bedeutete, nicht im eigenen Land zu leben. Dies ist nicht nur allgemeine jüdische Geschichte. Es ist die jüdische Geschichte des wandernden Juden.

Laut unseren Kommentatoren ist dies auch die Verbindung zwischen “Mikra Bikkurim” (Anfang Ki Tawo) und Gedenkt, was Amalek euch angetan hat” (Ende Ki Teze). Wäre es nach Amalek gegangen, wären wir nie im Land Israel angekommen. Der Vorfall mit Amalek hebt die Prüfungen und Widrigkeiten hervor, die wir erleiden mussten, um nach Erez Jisrael zu gelangen. Er war erfüllt von Gefahr und Krieg.

Wie Chasal (unsere Weisen) erklären, war der Grund, dass die Völker keine Angst hatten uns anzugreifen, weil Amalek mit seiner Unverfrorenheit – gerade anschliessend an den Auszug aus Ägypten, als alle Völker vor Israel zitterten – einen Krieg mit uns anfing, dass sich später Sichon und Og sich erdreisteten, uns anzugreifen. Amaleks Unverfrorenheit verursachte, dass wir später Kämpfe führen mussten, die notwendig wurden, um nach Erez Jisrael einzudringen und es zu erobern.

Der Ramban schreibt in der dieswöchigen Parascha, dass es – gemäss der Tora – keine minimale Menge der “Ersten Früchte” gibt, die gebracht werden müssen. Genauso wie wir eine Regel – gemäss der Tora – bei Teruma (Abgabe an den Kohen) haben, dass ein einzelnes Getreidekorn, das als Teruma abgehoben wird, einen Riesen-Haufen von Getreide befreit, gibt es auch kein erforderliches minimales Mass an Bikkurim, die gebracht werden müssen. Eine einzige Traube für einen ganzen Weinberg – gemäss der Tora – reicht aus, um den Landwirt zu attestieren, das er “kein undankbarer Mensch ist”. (Jedoch haben unsere Weisen angeordnet, dass ein sechzigstel der Früchte als Bikkurim gebracht werden müssen)

Wir lernen daraus einen grundsätzlichen Gedanken beim Schenken: Das Wichtigste ist, was man in der Karte dazu schreibt. Vielleicht kann sich ein Mensch nicht ein teures Geschenk leisten; wenn er jedoch eine von Herzen kommende Notiz mit guten Wünschen dazu schreibt und dem Empfänger seine Dankbarkeit ausspricht – dies allein beweist, dass er kein “Kafui Towa – undankbarer Mensch” ist. Was sich in der Schachtel befindet, ist fast nebensächlich. Man kann das kleinste Geschenk zu einem beredsamen Beweis dafür machen, dass der Gebende kein “Undankbarer” ist. Ein Kind kann ein Projekt für den Geburtstag seiner Eltern machen, das etwas Wertloses ist, aber es schreibt dazu eine Karte mit den Worten: Mami, ich liebe dich!” Dies reicht aus, um ihr Herz zu erweichen. Dies ist, was wir aus der Parscha von ‘Mikra Bikkurim’ lernen können.

Quellen und Persönlichkeiten:

Ramban: Rabbi Mosche ben Nachman – “Nachmanides” (1194 – 1270); Gerona, Spanien; Erez Jisrael; einer der führenden Toragelehrten (Rischonim) des Mittelalters, einer der Haupterklärer des Chumasch (fünf Bücher Moses), wie Verfasser weiterer Werke in Haschkafa (Kitwej haRamba“n) und Abhandlungen zum Talmud.

Alschich (Alschech) HakadoschRabbi Mosche ben Chajim (1508-1600). Adrianopel (Türkei), Zefat/Safed (Israel). Schüler des grossen Rabbi Josef Karo und Lehrer von Rabbi Chajim Vital. Schrieb viele Werke, wie den berühmten Kommentar auf die Tora, auf Nach, den fünf Megillot (Rollen) und Responsen.

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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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