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Elul/ Paraschat Ki Tawo
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Die Seele vom Fleisch trennen (Paraschat Re’eh 5784)

Weltliche Genüsse ja - aber aufgepasst!

Weltliche Genüsse ja - aber aufgepasst!
Foto: AI free sharing

Wochenabschnitt Paraschat Re’eh: Die Seele vom Fleisch trennen

Rav Mordechai Kamenetzky zu Parschat Re’eh 5784- Beitrag 2

Ergänzungen: S. Weinmann

Weitere Artikel zum Wochenabschnitt , finden Sie hier

In der dieswöchigen Parascha gestattet uns die Tora, an unseren materiellen Wünschen teilzuhaben, jedoch nur gemäss den Vorschriften der Tora. Die Tora erlaubt eindeutig den Verzehr von Fleisch, jedoch mit einigen Vorbehalten. Die Tora erklärt: “Wenn der Ort, den der Ewige, dein G”tt erwählen wird, um Seinen Namen dort ruhen zu lassen, dir zu weit sein wird (Raschi: und du nicht dauernd dorthin kommen und Friedens-Opfer bereiten kannst, wie jetzt in der Wüste, in der das Mischkan (Stiftzelt) mit euch überallhin mitwandert), so darfst du deine Rinder und dein Kleinvieh, die Haschem dir gegeben hat, schlachten, so wie ich dir befohlen habe (Raschi: Mosche erhielt auf Berg Sinai die Verordnungen für das Schächten), und davon in deinen Toren (Städten)  ganz  nach Herzenslust essen. Jedoch so, wie man den Hirsch und das Reh isst, darfst du es essen, der Unreine darf es in gleicher Weise wie der Reine essen (im Gegensatz zu Opfer, die nur der Reine essen darf). Bleibe jedoch stark und iss nicht das Blut, denn das Blut ist die Seele (Nefesch), und du sollst nicht die Seele mit dem Fleisch essen. (Dewarim 12:21-23).

Das Wort ‘Nefesch’ hat verschiedene Bedeutungen, einfach gesagt ist es die Lebenskraft des Tieres – was wir vielleicht die “Seele der Materie” nennen würden. Der Verzehr von Blut ist gemäss der Auffassung der Tora eindeutig eine verachtenswerte Handlung (eine Tatsache, die während Jahrhunderten von Verrätern übersehen wurde, welche behaupteten, dass wir mit dem Blut backten und kochten.) Ausserdem wird der Prozess des Herausziehens jeglichen Blutes aus dem Tier klar und aufwendig vom Talmud und vom Schulchan Aruch definiert. Das Beschreiben des Verbots als ein Vermischen des Verzehrs der Seele mit dem Fleisch geht sicherlich über das schlichte Verbot des Essens oder Trinkens von Blut hinaus.

Sicherlich besteht eine tiefere Bedeutung für das Verbot der seltsamen Mischung von Seele und Fleisch.

Rav Jehuda Leib Chasman wurde als eine der Koryphäen der Mussar-Bewegung betrachtet. Bevor er sich gänzlich in die Welt von Tora und Mussar vertiefte, hatte er ein Geschäft, das Mehl an Bäckereien verkaufte. Er widmete einen Teil seines Tages seinem Geschäft, und den restlichen Tag verbrachte er in der berühmten Talmud Tora (Jeschiwa) von Kelm unter der Führung von Rabbi Simcha Sissel Siw, dem berühmten ‘Alten von Kelm’. Eines Tages, als er sich auf dem Weg in die Jeschiwa befand, rief der ‘Alte von Kelm’ Rav Jehuda Leib zu sich und wies auf das weisse Pulver hin, das den Ärmel seiner Jacke bedeckte. Raw Chasman sah diese Beobachtung als klare moralistische Charakterisierung an.

“Rabbi Siv wies darauf hin, dass das Mehl zu einem Teil von mir geworden ist. Wenn es schon über alle meine Kleider verteilt ist und immer noch auf mir liegt, wenn ich den Laden verlasse, dann ist es schon ein zu grosser Teil von mir geworden.”

Mit diesen Worten fällte er eine persönliche Entscheidung, die sein Leben gänzlich veränderte. Er kehrte nach Hause zurück und rechnete mit seiner Frau aus, dass der Betrag ihres gegenwärtigen Besitzes alle ausstehenden Schulden decken und ihnen erlauben würde, auch davon zu leben. Sie verkauften das Geschäft, und Rabbi Chasman meldete sich ganztätig in der Woloschiner Jeschiwa an, aus der er später als die grosse Leuchte hervorging, die wir alle kennen und verehren.

Manche von uns haben gerne Fleisch, sei es nun wirkliches Fleisch oder die sprichwörtlichen materialistischen Angelegenheiten, denen wir uns hingeben. Und dies ist in Ordnung bis zu einem gewissen Punkt. Schliesslich sind wir nur Menschen.

Aber die Thora sagt uns, wir sollen sorgfältig darauf achten, die Seele vom Fleisch zu trennen. Das Heilige vom Alltäglichen. Es soll uns klar machen, dass es neben der Suche nach der Hochrippe, die wir verzehren wollen, auch edlere Beschäftigungen gibt, die uns verzehren sollten.

Deshalb fordert uns die Thora dazu auf, den Unterschied klar zu benennen und sagt uns, dass wir, auch wenn wir uns weltlichen Freuden hingeben, darauf achten sollten, nicht zuzulassen, dass die Seele mit dem Fleisch verschlungen wird. Daher heisst es eindeutig: „Iss das Nefesch nicht zusammen mit dem Fleisch.“ Ein gutes Essen ist völlig erlaubt. Es hebt sogar die Stimmung. Allerdings sollten materialistische Genüsse als solche sicherlich niemals zu unserer Obsession oder unserem einzigen Wunsch werden. Denn dann wird es Teil unseres Nefesh werden. Es wird unserem Seelenwunsch gleichkommen.

Die Tora fordert uns jedoch auf, vorsichtig zu sein, die Seele vom Fleisch zu trennen; das Heilige vom Alltäglichen. Sie will, dass wir verstehen, dass es ausser unserem Wunsch für das vorzügliche Entrecôte, das wir verzehren wollen, ein nobleres Streben gibt, das wir ‘verzehren’ sollten, nämlich das Streben nach g-ttlicher Nähe. Deshalb will die Tora, dass wir den Unterschied allemal vor unseren Augen halten sollten, und obwohl wir weltliche Vergnügungen geniessen dürfen, wir vorsichtig sein sollten, nicht zu erlauben, dass die Seele zusammen mit dem Fleisch verzehrt wird. So befiehlt sie klar: “Iss die Seele nicht mit dem Fleisch.” Eine gute Mahlzeit ist gänzlich erlaubt. Sie hebt sogar die Stimmung. Materialistische Zügellosigkeiten sollten jedoch nie zu einer Besessenheit oder zu unserem einzigen Begehren werden. Denn dann wird es ein Teil unserer Seele. Es wird gleichbedeutend mit dem Begehren unserer Seele werden, oder sogar das Begehren unserer Seele eindämmen. 

Quellen und Persönlichkeiten:

Raschi, Akronym für Rabbi Schlomo ben Jizchak (1040-1105); Troyes (Frankreich) und Worms (Deutschland); „Vater aller TENACH- und Talmudkommentare“.

Rav Simcha Sissel Siw (1824-1898), Einer der ersten Ba‘alej Mussar (Meister der moralischen Lehren/Schulung des Charakters), auch bekannt als „der Alte von Kelm“. Die Mussar-Bewegung entstand im 19. Jahrhundert in Litauen als Reaktion auf einen befürchteten Zerfall der jüdischen Kultur durch Assimilierung und Haskala. Als ihr Begründer gilt Rabbi Jisrael Salanter. Rav Simcha Sissel war einer seiner Hauptschüler.

Rabbi Jehuda Leib Chasman (1869 – 1936) war ein litauischer Rabbiner, Leiter einer Jeschiwa in Stutschin und Maschgiach/geistlicher Leiter der Tels- und Chewron-Jeschiwa. Einer der bekannten Führer der Mussar-Bewegung. Sein Werk: ‚Or Jahel‘.

Im Jahr 1888 ging er zum Studium in das „Talmud-Tora“-Haus (Jeschiwa) in Kelm unter der Leitung von Rabbi Simcha Sissel Siw, dem „Alten von Kelm“. Nach seiner Hochzeit verdiente er seinen Lebensunterhalt mit dem Handel, wie es bei Anhängern der Kelm-Lehre der Brauch war. Er eröffnete einen Mehlladen, verbrachte dort einen Teil seines Tages und widmete den Rest seiner Zeit dem Studium der Thora und der Verbreitung seiner moralischen Lehren. Ungefähr zwei Jahre nach seiner Heirat beschloss er, seine Arbeit aufzugeben und sich dem Studium der Thora zu widmen. Es geschah, nachdem sein Rabbi, der „Alte“ von Kelm, ihm gegenüber bemerkt hatte, dass sich auf seinem Ärmel weisses Mehl-Pulver befinde. Nach der Kelmer Lehre wies dies auf einen moralischen Fehler hin, und als Folge davon beschloss Rav Chasman sein Unternehmen aufzulösen und zur Woloschin-Jeschiwa zu gehen. Er blieb ein Jahr lang in Woloschin, bis die Jeschiwa 1892 geschlossen wurde.

Im Jahr 1897 wurde er von Rabbi Eliezer Gordon eingeladen, als Maschgiach/geistlicher Leiter seiner Jeschiwa in der Stadt Tels zu fungieren. Rav Chasman bekleidete diese Position sechs Jahre lang, bis 1903. Danach kehrte er nach Kelm zurück.

Im Jahr 1908 wurde er der Rabbiner der Stadt Stutschin in der Provinz Wilna. Sobald er nach Stuschin kam, gründete er dort eine Jeschiwa namens „Knesset Jisrael Branch“, eine Zweigstelle der „Knesset Jisrael“-Jeschiwa in Slabodka. In kurzer Zeit wuchs die Jeschiwa und die Zahl ihrer Schüler erreichte dreihundert. Beim Ausbruch des Weltkrieges 1914 musste die Jeschiwa schliessen.

Im Jahr 1924 wanderte eine ausgewählte Gruppe von Slabodka-Jeschiwa-Studenten nach Israel aus und liess sich in Chewron (Hebron) nieder, angeführt vom Oberhaupt der Jeschiwa, Rabbi Mosche Mordechai Epstein, und einige Zeit später schloss sich ihnen der „Alter von Slabodka“ Rabbi Natan Zvi Finkel an. Rabbi Finkel war zu dieser Zeit in den siebzigern Jahren und versuchte für seine Jeschiwa eine kraftvolle Mussar-Persönlichkeit zu finden, die die Rolle des spirituellen Leiters der Jeschiwa erfüllen würde. Er wandte sich an Rabbi Chasman und lud ihn ein, die Position zu übernehmen. Rabbi Chasman stimmte zu und wanderte 1926 nach Erez Jisrael aus und trat seine neue Position an der Chewroner Jeschiwa an.

Bei den ‘Ereignissen des Jahres 1929’, als die Araber das jüdische Viertel von Chewron überfielen, wurden er und seine Familie auf wundersame Weise gerettet. Mehr als 60 Juden – darunter viele Frauen und Kinder – wurden ermordet und mehr als 50 verwundet. Vierundzwanzig Jeschiwa-Studenten kamen beim Massaker von Chewron um.

Danach zog er mit den Überresten der Jeschiwa nach Jerusalem und fungierte weiterhin als geistlicher Leiter der Jeschiwa an ihrem neuen Standort. Sein Tora-Charakter stach hervor und er galt als einer der geistigen Leiter der Stadt. In öffentlichen Angelegenheiten war er einer der Leiter des damals gegründeten ‘Wa’ad Hajeschiwot – Komitee aller Jeschiwot’ und wurde nach dem Tod von Rabbi Josef Chajim Sonnenfeld zum Präsidenten des Diskin-Waisenhauses ernannt.

Rav Chasman hinterliess viele Schriften, sowohl Chiduschej Tora als auch Mussar-Artikel. Kurz vor seinem Tod bat er seine Nächsten, seine Mussar-Artikel zu drucken, damit sie ihn vor dem himmlischen Gericht vertreten würden. Seine Schriften wurde von einer Gruppe seiner engsten Schüler unter der Leitung von Rav Shalom Mordechai Schwadron gesammelt, die sich dieser Aufgabe widmeten und einen bedeutenden Teil seiner Artikel im Buch „Or Jahel“ veröffentlichten. Darüber hinaus transkribierte Rav Schwadron die Schiurim von Rav Chasman über die Paraschot in der Reihenfolge der Woche und veröffentlichte sie in einem anderen Band von „Or Jahel“.

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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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