Wochenabschnitt Paraschat Ki Teze: Die Belohnung für das Lernen über den abtrünnigen Sohn
Rav Frand zu Paraschat Ki Teze 5784 – Beitrag 1
Ergänzungen: S. Weinmann
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Die dieswöchige Parascha enthält die sehr sonderbare Mizwa des “Ben Sorer uMore – des abtrünnigen und widerspenstigen Sohnes” (Dewarim 21:18-21. Die Erfordernisse für den Status eines echten “Ben Sorer uMore” sind umwerfend. Der Talmud (Traktat Sanhedrin Kap. 8) lehrt, dass das Zeitfenster, in dem ein Sohn ein “Ben Sorer uMore” werden kann, sehr kurz ist (drei Monate, nachdem er 13 geworden ist). Er muss eine gewisse Menge Fleisch und ein gewisses Mass an Wein stehlen und beides verzehren. Der Talmud leitet von den Pessukim (Versen) ab, dass die Eltern dieselbe Grösse und Erscheinung und sogar dieselbe Stimme haben müssen, dass sie ihn beim Bejt Din (Gericht) anklagen können. Ist ein Elternteil einhändig (die zweite Hande fehlt), lahm, stumm, blind oder taub, kann er kein Ben Sorer uMore werden.
Wegen diesen vielen Erfordernissen erklärt die Gemara: “Ben Sorer uMore ist nie geschehen und wird auch nie geschehen. Warum wurden diese Gesetze gegeben? Damit wir sie erörtern und dafür belohnt werden” (Sanhedrin 71a).
Rabbi Jisrael Salanter wundert sich (in seinem Werk Or Jisrael) über die Bedeutung dieser Erklärung. Er argumentiert: Ist die Tora nicht gross genug ohne diese Gesetze, um uns genügend Material zum Lernen und Erläutern zur Belohnung für das Toralernen zu bieten? Raw Jisrael sagt, dass ein Mensch, auch wenn er tausend Jahre leben würde, er auch dann nicht das gesamte Potential für das Erlangen der maximalen Belohnung für das Tora-Lernen ausschöpfen könnte – auch ohne die vier Verse in Paraschat Ki Teze und die vier Blatt (8 Seiten) im Talmud Traktat Sanhedrin, die sich mit dem abtrünnigen und widerspenstigen Sohn befassen.
Er kommt deshalb zum Schluss, dass das Kapitel des ‘Ben Sorer uMore’ uns in der Tat eine einzigartige und tiefe Lehre erteilt. Lernen nur um des Lernens willen, ohne irgendeine Anwendung in der “wirklichen Welt”, ist für sich allein lohnend. Sicherlich ist das Ziel des Lernens, dass es uns zu Handlungen bringt und dass ein Wert darin besteht, ziel-orientiert zu sein. Raw Jisrael lehrt uns jedoch, dass wir nicht denken sollten, dass der ganze Punkt des Lernens ist, dass wir wissen, was zu tun ist. Sogar wenn etwas nie praktisch relevant sein wird, besteht doch ein Wert nur im Lernen des Wortes von Haschem.
Es gibt gewisse Bereiche in der Halacha, die in unserer Zeit nicht relevant sind und die wahrscheinlich für die überwältigende Mehrheit der Menschen nie relevant sein werden. Jedoch der Grossteil der anderen Bereiche der Tora sind jedoch zumindest zu einem gewissen Zeitpunkt theoretisch relevant. Die Tora fand es jedoch nötig, mindestens eine Halacha zu geben, bei der man gänzlich sicher sein kann, dass sie nie relevant sein würde. Niemand wird je einem Rabbiner sagen: “Ich habe eine Ben Sorer uMore Frage für Sie!” Es wird nie geschehen!
Das Argument, das die Tora anzubringen versucht, ist: Lerne es trotzdem. Die Lehre, die man ziehen sollte, ist die Lehre des Toralernens. Das wesentliche Ziel des Toralernens ist es, das Wort des Ewigen zu studieren. Sein Gewinn ist nicht von einer praktischen Anwendung abhängig.
Quellen und Persönlichkeiten:
Rabbi Jisrael (Lipkin) Salanter (1810 – 1883), war jüdischer Gelehrter, Rabbiner und Gründer der Mussarbewegung (Schulung des Charakters). Er forderte eine intensivere Verknüpfung von Halacha und Ethik in Theorie und Alltagspraxis des Judentums. Sein wichtigstes Anliegen war die sittliche Läuterung, Selbsterkenntnis und Selbstvervollkommnung. Er war Rosch Jeschiwa in Wilna und Kovno; Litauen.
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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich
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