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Der Unterschied zwischen einem Doppelleben und einem umfassenden Leben (Paraschat Toldot 5785)

Ejsaw (Esau) wird zweimal "Isch" (Mann) genannt, hingegen Ja'akow (Jakob) nur einmal. Warum?

Ejsaw (Esau) wird zweimal "Isch" (Mann) genannt, hingegen Ja'akow (Jakob) nur einmal. Warum?
Foto: AI Avigail

Wochenabschnitt Paraschat Toldot: Der Unterschied zwischen einem Doppelleben und einem umfassenden Leben

Rav Frand zu Paraschat Toldot 5785

Ergänzungen: S. Weinmann

Weitere Artikel zum Wochenabschnitt , finden Sie hier

Zu Beginn unserer Parascha steht im Passuk Und Ejsaw wurde ein jagdkundiger Mann, ein Mann des Feldes; Ja’akow war aber ein aufrechter Mann, der in Zelten sass” (Bereischit 25:27). Ejsaw und Ja’akow werden als zwei Brüder mit gänzlich verschiedenen Charakteren beschrieben. Aus diesem Passuk können wir eine Schlussfolgerung ziehen. Wenn die Tora über Ejsaw spricht, beschreibt sie ihn zweimal als “Isch”, ein Mann “Isch jodea Zajid, Isch Sade”. Dies bedeutet, dass es zwei ausgeprägte Aspekte seines Charakters gab: a) Er konnte gut jagen; und b) er war ein Mann des Feldes. Ja’akow Awinu (unser Vater) wird auch auf zwei verschiedene Weisen beschrieben: a) er war ein “Tam” – ein sehr tugendhafter, schuldloser und gerader Mensch, und b) er war auch ein “Joschew Ohalim” – er wohnte in Zelten. In Bezug auf Ja’akow jedoch verwendet die Tora das Wort “Isch” nur einmal. Was ist der Grund für diesen Mangel an literarischem Parallelismus in der Beschreibung der zwei Brüder?

Ich sah eine Antwort auf diese Frage in einem Sefer namens Mischchas Schemen. In den 1950er Jahren wurde schon über die Möglichkeit gesprochen, einen Menschen auf den Mond zu senden. Der Autor dieses Sefers fragte den Schozer Rebbe, Rabbi Schulem Moskovitz (1877-1958): “Werden sie je einen Menschen auf den Mond bringen?” Der Rebbe antwortete mit einem definitiven “Nein”! Er untermauerte seine Antwort mit dem Zitieren des Passuks “Haschamajim Schamajim laHaschem wehaArez natan Liwnej Adam – Der Himmel gehört Haschem, und die Erde hat Er den Menschen gegeben” (Tehillim 115:16).

Wie wir alle wissen, gelobte Präsident Kennedy in seiner kurzen Präsidentschaft, dass Amerika bis zum Ende des Jahrzehnts der 1960er Jahre einen Menschen auf den Mond senden würde, und so war es – am 20. Juli 1969 ging ein Mann auf dem Mond spazieren! Das Jahr 1969 war das Jahr, als ich meine Semicha (Diplom für die Ordination als Rabbiner) erhielt. Die Chag haSemicha (Semicha-Feier) fand im August jenes Jahres statt, weniger als einen Monat nach diesem historischen Ereignis. (Nebenbei gesagt war dies der letzte Chag haSemicha, den die Jeschiwat Ner Jisrael je feierte – warum, weiss ich nicht.) Der Gastredner an diesem Ereignis war Raw Simcha Elberg. Er sprach in Jiddisch über den “Spaziergang auf der Lewana (Mond)”.

Auf jeden Fall hatte der Autor des Sefers Mischchas Schemen jetzt eine starke Frage zur entschiedenen Antwort, die ihm Jahre zuvor vom Schozer Rebbe gegeben wurde. Dieser Rebbe war zu jener Zeit nicht mehr am Leben, deshalb ging der Autor zum Bialer Rebbe und erzählte ihm von seinem Gespräch mit dem Schozer Rebbe. Der Bialer Rebbe antwortete nicht, dass die Landung auf dem Mond ein Schwindel war und in einem Hollywood Studio stattfand (wie manche Leute zu jener Zeit behaupteten). Er sagte jedoch, dass das stattgefundene Ereignis kein Widerspruch zum zitierten Passuk ist. Obwohl Amerika einen Menschen auf den Mond sandte, konnte Neil Armstrong in der Atmosphäre des Mondes nicht ohne weiteres überleben. Er musste Sauerstoff von der Erde mitbringen, er musste einen Raumanzug tragen, der ihn von den negativen Einwirkungen auf dem Mond schützen würde. Seine Rettungsleine war immer noch die “Erez”, die Erde. Er mag sich physisch auf dem Mond befunden haben, aber da er alle irdischen Elemente benötigte, um dort existieren zu können, wurde er noch immer als “Erdbewohner” und nicht als “Mondbewohner” betrachtet. Die ewige Wahrheit des Passuks “Haschamajim Schamajim laHaschem wehaArez natan Liwnej Adam” bleibt bestehen. Neil Armstrong blieb ein menschliches Wesen, der auf der Erde seine Lebensquelle hatte.

Damit erklärt der Mischchas Schemen, warum Ja’akow Awinu ein Isch Tam, Joschew Ohalim und Esaw ein Isch Jodea Zajid, Isch Sade, genannt wird. Ja’akow Awinus Lebenslinie und Lebensblut war, wo immer er hinging, was immer er auch tat und in welcher Umgebung er sich befand, immer noch das Ohel” (Zelt), das “Ohel-Tora” (Tora-Zelt), das seine Grundlage darstellte. Seine Existenz kam immer von diesem heiligen Platz, was immer er mit seinem restlichen Leben tat. Er lebte eine einheitliche Existenz. Alle Dimensionen seines Lebens hatten eine Einzigartigkeit, die von den Ohalej Tora entstammten.

Richtig, er wurde später ein Schafhirte, er beschäftigte sich mit Handel und wurde ein reicher Mann. Aber sogar während er sich als Hirte auf dem Feld befand, war er immer noch ein “Joschew Ohalim”. Genauso wie der Mann auf dem Mond, der von seiner “Basis” weit entfernt war, und dauernd den Sauerstoff benötigte, den er von seinem Heimatplaneten mitgebracht hatte, und so ein Erdbewohner blieb; denn dies war die Quelle seines Lebens.

Ejsaw hingegen lebte ein Doppelleben. Die Tora bezeugt, dass er jagen konnte. Chasal sagen, dass dies bedeutet, dass er Komödie spielen und Leute hereinlegen konnte. Er konnte sogar seinem Vater etwas vormachen. Er pflegte Jizchak all seine “frommen Fragen” zu stellen – z.B. wie nimmt man Ma’asser (den Zehnten) von Salz? Er war ein ‘Isch Zajid’, ein durchtriebener Mensch. Zudem war er ein ‘Isch Sade’. Er war ein anderer Mensch als der Mensch, den er zu sein vorgab. Er lebte ein Doppelleben. Er sprach die Sprache eines frommen Menschen (durch seine Gerissenheit als ein Jodea Zajid), aber er lebte das Leben eines Mannes des Feldes.

Dies erinnert mich an einen sehr berühmten Brief, den Raw Hutner sZl. einem seiner Talmidim (Schüler) sandte. Ausser Raw Hutners Sefer ‘Pachad Jizchak’ auf den Jamim Towim (Feiertagen) schrieb er auch ein Buch namens Igrot uMichtawim, in dem er Briefe veröffentlichte, die er mit verschiedenen Talmidim austauschte. Einer dieser Briefe (Nr. 94) ist eine Antwort an einen früheren Talmid, der einen profanen Beruf ergriffen hatte. Der Talmid beklagte sich bei seinem früheren Rosch Jeschiwa, dass er empfinde, dass er ein “Doppelleben” führe. Einerseits war er ein Ben Tora, der die Jeschiwa besucht hatte; andererseits verbrachte er den grossen Teil seines Tages in einer sehr weltlichen Umgebung. Er hatte das Gefühl, dass er mit seinem widersprüchlichen Leben heuchlerisch sei. Raw Hutner schrieb ihm zurück, dass seine Annahme, dass er durch seine Karriere damit ein säkulares Leben führe, nicht richtig sei. Einen säkularen Beruf zu haben, bedeutet nicht, dass man ein Doppelleben führt. Raw Hutner vergleicht dies mit einem Menschen, der ein Haus mit vielen Zimmern hat, wo verschiedene Zimmer für verschiedene Aktivitäten verwendet werden. Dies bedeutet nicht, dass er ein Doppelleben führt. Es bedeutet, dass er ein umfassendes Leben führt. Er schreibt, dass es für einen Menschen keinen Widerspruch ist, in der säkularen Welt zu sein und trotzdem gänzlich ein Ben Tora und ehrlicher Jude zu sein. Solange man sein Chijus (Lebenselixier) vom “Ohel der Tora” erhält, ist man ungeachtet dessen, wie man den restlichen Tag verbringt, immer noch im Bejt HaMidrasch.

Raw Hutner schreibt, dass er sich erinnert, einmal das Sha’arej Zedek Spital besucht zu haben, das von Dr. Mosche Wallach (1866-1957) gegründet wurde. Er bemerkte, dass wenn Dr. Wallach einen Patienten zu besuchen pflegte, der in den Operationssaal geführt werden sollte, er ihn um den Namen seiner Mutter bat, damit er vor der Operation für ihn dawenen könne. Raw Hutner schreibt: “Als ich diese Geschichte einem der Gedolim von Jeruschalajim erzählte, bemerkte er: ‘Wie sehr muss ein Mensch eifersüchtig auf solch einen Juden wie Dr. Wallach sein, der seine professionelle Karriere dazu verwendet, die Ehre des Himmels zu stärken.'” Dies ist kein Doppelleben; es ist ein umfassendes Leben. Es ist kein Widerspruch. Ein Mensch kann ein ‘Isch Tam Joschew Ohalim’ sein – basiert im Bejt HaMidrasch, in den Zelten der Tora – wo immer er sich während beträchtlichen Zeiten seines Tages befindet.

Quellen und Persönlichkeiten:

Rabbi Schulem Moskovitz (1877 – 1958), bekannt als Schozer Rebbe, war ein chassidischer Rebbe und Rabbiner von Schoz (Suczawa). Schoz war bis 1918 unter der Herrschaft des Kaiserreichs Österreich-Ungarn und nachher unter der Herrschaft von Rumänien. Er war ein Nachkomme des berühmten chassidischen Rebben, Rabbi Jechiel Michel von Slotschow. Rabbi Schulem war der Sohn von Rabbi Mordechai Josef Mosche von Suliza.

Rabbi Moskovitz emigrierte vor dem Zweiten Weltkrieg nach London, England, und liess sich in Stamford Hill, einem Teil Londons, nieder. In London wurde er als Schozer Rebbe bekannt. Er gründete dort ein Bejt HaMidrasch. Er schrieb mehrere Bände namens Da’at Schalom, Kommentare zum Rambam und Schulchan Aruch, wie auch zu Pirkej Schira, etc. Er war ein Genie sowohl in der Talmud-Lehre und Halacha als auch in der Kabbala und lebte einen Lebensstil der Heiligkeit und Einfachheit.

Der Schozer Rebbe starb am 14. Januar 1958 im Alter von 80 Jahren in London. Er ist auf dem Friedhof der Adath Jisrael in Enfield begraben. Ein Ohel wurde über seinem Grab gebaut. Seine Grabstätte ist als Quelle von Jeschuot (Wunder) bekannt und Menschen aus der ganzen Welt reisen zu seinem Kewer, um Erlösung zu suchen. Es ist ein Wallfahrtsort jeden Freitag.

Rabbi Moskovitz hinterliess eine Zawa’a (Testament), in der u.a. steht, dass jeder zu seinem Grab kommen und um seine Hilfe bitten kann, solange er sich verpflichtet, sich im Gegenzug zumindest in einer Mizwa zu verbessern.

Rav Jizchok Hutner (1906 – 1980): Rosch Jeschiwa der Jeschiwah Mesifta Rabbi Chajim Berlin in New York. Er war Rabbiner und Rosch Jeschiwa. Er schrieb verschiedene Werke, wie das philosophische Werk ‘Pachad Jizchak’, etc.

Rav Chajim Schaul Kaufmann (1937-2005). Rosch Jeschiwat Tiferet Ja’akow, Gateshead, England. Verfasser von ‘Mischchat Schemen’ zum Cumasch, zu Pirkej Awot und den Feiertagen. Berühmter Dozent und Redner.

Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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