Wochenabschnitt Paraschat Wajikra: Der “Jizchak-Effekt” beeinflusste den Dienst im Mischkan für alle zukünftigen Generationen
Rav Frand zu Paraschat Wajikra 5784
Ergänzungen: S. Weinmann
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Der erste Tag des Monats Nissan ist ein sehr wichtiges Datum in der jüdischen Geschichte. An diesem Tag wurde das Mischkan (Stiftszelt) erstmals für die Dauer aufgestellt. In Wirklichkeit wurde der gesamte Bau des Mischkans schon am 25. Kislew beendet. Mosche kam am Jom Kippur vom Berg Sinai hinunter und kündigte an, dass Haschem dem Volk für die Sünde des Goldenen Kalbs verziehen hat, und Er als Zeichen dafür, zwischen ihnen ruhen möchte. Am Tag nach Jom Kippur – am 11. Tischri – erteilte Mosche dem Klall Jisrael die Mizwa, das Mischkan zu bauen. Der Bau des Mischkans war in der Tat das Thema der letzten fünf Paraschot des Sefer Schemot – Teruma, Tezawe, Ki Tissa, Wajakhel und Pekudej. Das Spenden der Materialen, der Bau der einzelnen Teile des Mischkans und das Herstellen der Kleider der Kohanim fand während dem restlichen Teil des Monats Tischri und dem Monat Cheschwan statt, und wurde letztendlich am 25. Kislew vollendet.
Das Mischkan blieb mit all seinen Teilen während den restlichen Tagen des Monats Kislew und den Monaten Tewet, Schewat und Adar bis Rosch Chodesch Nissan unaufgebaut. Der Midrasch Tanchuma (Paraschat Pikudej 11) erklärt bezüglich dieses Aufschubs im Aufbau des Mischkan das Folgende: Rabbi Schmuel bar Nachmejni erklärt, dass alle Teile des Mischkan in weniger als drei Monaten vollendet waren, jedoch noch weitere drei Monate darauf wartete, aufgestellt zu werden. Warum war dies so? Weil Haschem die Simcha (Freude) des Tages, an dem das Mischkan erstmals für die Dauer aufgestellt werden würde, mit der Simcha des Monats verbinden wollte, da Jizchak Awinu geboren wurde. Jizchak Awinu wurde am funzehnten Nissan geboren!
Der Midrasch sagt weiterhin, dass die Spötter der Generation höhnend sagten: “Warum dieser Aufschub? Warum wird das Mischkan nicht sofort aufgestellt, nachdem es vollendet wurde? Hat Mosche etwa Dinge von uns verlangt, die G-tt überhaupt nicht verlangt hat? ” (Manche Dinge ändern sich nie – es gibt leider immer Leute, die etwas zu reklamieren haben oder ihre zynischen Bemerkungen ausdrücken müssen.) Der Midrasch sagt über diese Leute: “Sie wussten jedoch nicht, dass Haschem einen Generalplan hatte.” Bezüglich dieses Plans sagte David Hamelech: “Denn Du hast mich mit Deinen Taten erfreut, Haschem; bei den Werken Deiner Hände singe ich ein freudiges Lied. Wie gross sind Deine Werke, Haschem, ausserordentlich tief sind Deine Gedanken” (Tehillim/Psalm 92:5-6).
Der Midrasch interpretiert dies wie folgt: “Denn Du hast mich mit Deinen Taten erfreut, Haschem” dies bezieht sich auf das Stiftszelt (Ohel Moed); “bei den Werken Deiner Hände singe ich ein freudiges Lied” bezieht sich auf das Bejt Hamikdasch (Tempel); “Wie gross sind Deine Taten, Haschem, ausserordentlich tief sind Deine Gedanken” bezieht sich auf die Tatsache, dass Haschem plante, eine Freude mit einer anderen (d.h. das Aufstellen des Mischkans mit dem Geburtsmonat von Jizchak) zu verbinden.
Der nächste Passuk sagt: “Ein Törichter kann dies nicht wissen, und ein Narr kann dies nicht verstehen” (Tehillim 92:7). Die Ahnungslosen verstanden nicht die grosse Bedeutung der Verbindung dieser zwei freudigen Daten. Die Narren, die wissen wollten, warum das Mischkan nicht aufgestellt wurde, nachdem es vollendet war, verstanden nicht den G”ttlichen Gedankengang, der bis zum 1. Nissan warten wollte, um das Mischkan aufzustellen. G”tt hatte einen Plan – er wollte das Mischkan erst in diesem Monat aufstellen lassen, da der Patriarch Jizchak geboren wurde.
Rav David Kviat sieht zwei Schwierigkeiten in diesem Midrasch:
1. Die Faustregel ist normalerweise, dass wir einen freudigen Anlass nicht mit einem anderen freudigen Anlass zusammenbinden (ejn me’arwin Simcha beSimcha).
2. Was hat die Geburt von Jizchak mit dem Aufstellen des Mischkans zu tun?
Schimon Hazadik sagt: Auf drei Säulen steht die Welt: Auf Tora, auf Awoda (G-ttesdienst) und auf Wohltätigkeit (Pirkej Awot 1:2) (Tora entspricht Ja’akow Awinu und Wohltätigkeit Awraham Awinu) Bekanntlich ist Jizchak “die Säule der Awoda”. Er ist der Patriarch, der den G”ttlichen Dienst präsentiert. Jizchak selbst war ein “Korban” – er wurde (fast) als Opfer dargebracht. Nicht nur, dass er gegen seinen Willen dargebracht wurde, sondern er tat es bereitwillig! Er tat es freudig (beSimcha). Er zeigte uns vor, wie der G”ttliche Dienst mit Freude ausgeführt werden sollte. Chasal (unsere Weisen) fügen hinzu, dass Jizchak sicherstellen wollte, dass seine Darbringung nicht versehentlich für ungültig erklärt werden sollte, und bat seinen Vater, ihn fest anzubinden, um sicherzustellen, dass er sich beim Schächten nicht bewegen soll und dadurch das Opfer ungültig machen könnte.
Wenn man in Betracht zieht, ein Mischkan aufzustellen – bei dem es sich gänzlich um Korbanot handelt, wollte der Ribbono schel Olam (Herr der Welt), dass der Einfluss von Jizchak Awinu und sein aussergewöhnlicher freudiger Zugang zum G”ttlichen Dienst als Muster für das erste Aufstellen des Mischkans gegenwärtig sein sollte.
Wie wir alle wissen, sind Daten im Kalender im Judentum nicht nur reine Gedenktage. Was an einem besonderen Tag in der Geschichte geschah, hat einen Einfluss auf alle zukünftigen Generationen. Der Jomtow Pessach ist die Zeit der Freiheit, und in jedem einzelnen Jahr sind am Pessach Ausstrahlungen der Heiligkeit und Erlösung vorhanden, an denen wir auch teilhaben können. Nachdem die Tora am Schawuot gegeben wurde, sind Ausstrahlungen des Potentials des Toralernens an diesem Datum immer mehr vorhanden, was der Grund dafür ist, dass wir am Schawuot besondere Anstrengungen für das Lernen unternehmen – um diese Himmlischen Ausstrahlungen zu ergreifen. Gleichermassen hatte die Tatsache, dass Jizchak im Monat Nissan geboren wurde und mit Simcha zur Akejda (Bindung) ging, für alle Generationen eine Auswirkung auf den Monat Nissan. Als Haschem das Mischkan erstellen liess, wollte Er deshalb, dass diese Auswirkung – der “Jizchak-Effekt” – den Charakter des Dienstes bestimmen solle, der in allen zukünftigen Generationen im Mischkan stattfinden würde.
Obwohl also die normale Faustregel lautet, dass “ejn me’arwin Simcha beSimcha”, ist es hier nicht schwierig zu verstehen, warum Haschem beschloss, diese Regel aufzuheben. Die Regel meint, dass wir nicht zwei ganz verschiedene Gründe für die Freude (z.B. die Freude eines Jomtows und die Freude an einer neuen Braut) nehmen und sie verbinden, indem wir zum Beispiel an einem jüdischen Feiertag eine Hochzeit feiern. Hier jedoch sprechen wir über dieselbe “Simcha” – die “Simcha der Awoda” (die Freude am G”ttesdienst). Hier besteht kein Konflikt. Im Gegenteil, Haschem wollte diesen G”ttlichen Einfluss, der innerhalb der Schöpfung (durch Jizchaks Geburt im Nissan) existierte, nehmen und ihn inmitten des Mischkans platzieren, deshalb wurde das Mischkan erst am Rosch Chodesch Nissan aufgestellt, um eine Simcha mit der anderen zu verbinden – die Freude des neuen Mischkans mit der Freude des Monats, an dem Jizchak geboren wurde.
Rav David ben Awraham Elieser Kviat (1920-2009); geb. in Bialystok, (Polen). Sein Vater Rav Awraham Elieser war ein Schüler sowohl der Slabodka Jeschiva als auch der Novardok Jeschiva in Europa, obwohl er ein Slonimer Chassid war. Das Torah-Bildungssystem in Bialystok war einzigartig, da der Cheder und die Mesivta/Jeschiva beide in derselben Stadt und unter demselben Bildungssystem waren. Die meisten anderen Städte hatten nur einen Cheder. Rabbi David hatte zwei ältere Brüder, Ja’akov und Jisrael. Rabbi Davids zwei ältere Brüder setzten nach der Mesivta ihr Studium in der Slonimer Jeschiva Torat Chesed in Baranowitsch fort. Aus irgendeinem Grund entschied sich Rav David in eine der litauischen Jeschiwot zu gehen Er wählte Mir.
Rabbi Kviat war einer der letzten “Alte Mirrer”, der Titel, der denen gegeben wurde, die in der Mirrer Jeschiwa in Polen studierten und die Verfolgung der Nazis überlebten, indem sie mit der gesamten Jeschiva durch Sibirien nach Kobe, Japan und nach Shanghai, China flohen. (Durch die Bemühungen von Chiune Sugihara, der ein japanischer Diplomat war, und als Konsul des japanischen Kaiserreiches in Litauen während des Zweiten Weltkrieges ca. 6000 Juden rettete. Er wurde als „Japanischer Schindler“ bekannt.)
Nach dem Krieg reiste er in die USA. Zuerst wurde er Rabbiner der Agudat Jisrael Synagoge in der 18th Avenue in Brooklyn, New York. Nachher wurde er auch ein Rosch Jeschiva in der Mirrer Jeschiva in Brooklyn.
Er schrieb seine Chiduschej Tora in Hefte und Lehrbüchern nieder, auch schrieb er seine Draschot (Reden, Vorträge) in der Jeschiwa und in der Synagoge auf. 37 seiner Bücher wurden veröffentlicht, alle unter dem Namen „Sukkat David“. Zum Chumasch und den Feiertagen wurden zehn Bände veröffentlicht.
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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich
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