Siwan / Paraschat Pinchas
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Den Ausdruck “Haus Israels” anstatt des Ausdrucks “Kinder Israels” zu verwenden (Paraschat Pekudej 5784)

Die Stärke unserer Nation: Bejt Jisrael - das Haus Israels!

Die Stärke unserer Nation: Bejt Jisrael - das Haus Israels!
Foto: Shutterstock, by: museyushaya

Wochenabschnitt Paraschat Pekudei: Den Ausdruck “Haus Israels” anstatt des Ausdrucks “Kinder Israels” zu verwenden

Rav Frand zu Paraschat Pekudej 5784 – Beitrag 2

Ergänzungen: S. Weinmann

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Ich hörte den folgenden Gedanken im Namen von Raw Nachum Lansky, einem der Roschej Jeschiwa in der Jeschiwat Ner Jisrael (Baltimore).

Paraschat Pekudei kennzeichnet das Ende des Sefer Schemot. Der letzte Passuk (Vers) in Sefer Schemot lautet wie folgt: “Denn eine Wolke des Ewigen war über dem Mischkan (Stiftzelt) am Tag, und bei Nacht war ein Feuer darin vor den Augen des ganzen Hauses Israels auf all ihren Zügen” (Schemot 40:38).

Lasst uns die Verwendung des Wortlauts “Haus Israel” mit dem letzten Passuk am Ende des Sefers Wajikra vergleichen. “Dies sind die Gebote, die der Ewige am Berg Sinai Mosche für die Kinder Israels befohlen hat” (Wajikra 27:34). Ebenso steht im letzten Passuk am Ende des Sefers Bamidbar: “Dies sind die Gebote und Rechts-Vorschriften, die der Ewige den Kindern Israels durch Mosche in den Steppen von Moaw, am (Fluss) Jarden, gegenüber Jericho, befohlen hat” (Bamidbar 36:13).

Sowohl das Sefer Wajikra als auch das Sefer Bamidbar enden mit dem eher üblichen Ausdruck “Kinder Israel” (Benej Jisrael), während das Sefer Schemot mit der weniger üblichen Bezeichnung “Haus Israels” (Bejt Jisrael) endet. Was bedeutet dieser Unterschied? Was will die Tora damit andeuten?

Raw Lansky deutet an, dass hier eine gewaltige Symmetrie vorhanden ist. Wie beginnt das Sefer Schemot? Im ersten Passuk steht: “Dies sind die Namen der Kinder Israels, die nach Ägypten kamen, mit Ja’akow waren sie gekommen, ein jeder mit seiner Familie (Isch uBejto)” (Schemot 1:1). Dieses Sefer handelt sich um die Entstehung des jüdischen Volkes. Dies ist die Zeit, in der wir eine Nation wurden. Eine Nation ist jedoch nicht eine Ansammlung von Millionen von Menschen. Eine Nation – zumindest die jüdische Nation – ist eine Nation von Familien. Dies ist, was uns zu einem “Am” (Nation) macht. Es ist das “Bajit” (der Haus der Familie ), das uns zu einer Nation macht. Wenn wir an die Erzählung des Sefer Schemot zurückdenken, werden wir immer wieder die Betonung auf das Bajit sehen. “…am zehnten des Monats soll sich ein jeder ein Lamm für das Stammhaus, ein Lamm für die Familie nehmen.” (Schemot 12:3). Das Korban Pessach wurde zusammen mit der eigenen Familie gebracht. “…so sollst du zum Haus von Ja’akow (Bejt Ja’akow) sprechen…” (Schemot 19:3). Die Bildung der jüdischen Nation geht durch die Familie. Dies ist unsere Stärke.

Wir hören so viel über die Auflösung der amerikanischen Gesellschaft und wie wir die Struktur unserer Gesellschaft verlieren, weil die Kernfamilie sich auflöst. Genauso wie eine Kette nur so stark ist wie ihre Glieder, ist auch eine Nation nur so stark wie ihre Familien. Dies ist der Grund, warum das Sefer Schemot solch eine Betonung auf den Bau des “Bajit” – treue Häuser, Familien – legt.

Raw Schimschon Rafael Hirsch bemerkt, dass die Halacha einen Chatan (Bräutigam) im ersten Jahr nach seiner Hochzeit davon befreit, ins Militär eingezogen zu werden. Die Faustregel ist, dass jedes Mal, wenn es einen Konflikt zwischen einer Mizwa, die der Öffentlichkeit obliegt (Mizwa deRabim) obliegt, und einer privaten Mizwa (Mizwa deJachid) gibt, die öffentliche Mizwa Vorrang hat. Angesichts dieses Prinzips fragt Raw Hirsch, warum die persönliche Mizwa, sich mit seiner Frau während dem ersten Jahr nach der Hochzeit zu erfreuen, die öffentliche Mizwa, mit der Nation in den Kampf zu ziehen, übertrumpft. Raw Hirsch antwortet, dass der Aufbau und das Zementieren der Beziehung, die die Grundlage des jüdischen Hauses ist, eine Mizwa deRabim ist (eine Mizwa, die einen Einfluss auf die ganze Nation hat). Dies ist ein Beitrag an die gesamte Gemeinschaft. Wir sind nur eine Nation aufgrund der Tatsache, dass wir eine Nation von Familien sind.

Aus diesem Grund beginnt das Sefer Schemot mit dem Passuk, welcher betont, dass das jüdische Volk nach Ägypten hinunterkam – “jeder Mann mit seinem Haus, seiner Familie”, und ebenfalls mit dem Passuk endet, der “das ganze Haus Israels” betont.

Quellen und Persönlichkeiten:

Rabbiner Samson (ben) Raphael Hirsch (1808-1888): Frankfurt am Main, Führer der Deutsch-Jüdischen Orthodoxie. Verfasser von unzähligen Werken zur jüdischen Weltanschauung, zum Chumasch und Tehilim (Psalm), etc.

Rabbiner Samson (ben) Raphael Hirsch war der intellektuelle Gründer der Haschkafa (Philosophie) „Torah im Derech Erez” (Torah mit weltlicher Beschäftigung verbunden) des Orthodoxen Judentums, manchmal Neo-Orthodoxie (moderne Orthodoxie) genannt. Seine Philosophie, zusammen mit derer von Rabbiner Esriel Hildesheimer, hatte einen grossen Einfluss auf die Entwicklung des Orthodoxen Judentums in Deutschland im 19. Jahrhundert.

Der Retter des deutschen Judentums:  Rabbiner S.R. Hirschs Bedeutung als religiöser und geistiger Führer sowie sein weit reichender Einfluss als Prediger und Lehrer, Organisator und Schriftsteller, machten ihn zum Vordenker der Neo-Orthodoxie in deren Auseinandersetzung mit dem liberalen Reform-Judentum. Obwohl er die halachischen Grundsätze strikt befürwortete, war Hirsch stets bestrebt, die politischen und kulturellen Gegebenheiten des modernen Lebens mit dem Judentum in Einklang zu bringen. Seine Sicht des Judentums war für ihn keine philosophische Spekulation, sondern eine Erklärung der Offenbarung am Sinai. Obwohl seine Ideen von vielen Vertretern des deutschen Reform-Judentums bekämpft wurden, gewann er durch seine persönlichen Qualitäten Respekt und Einfluss.

Sein weit reichender Blick rettete das deutsche Judentum vor der totalen Assimilation, das infolge des Umhergreifens der Reform vor dem Untergang stand. Er wurde auch von verschiedenen religiösen, speziell nach dem osteuropäischen Model ausgerichteten Kreisen nicht ganz verstanden. Doch die Geschichte gab ihm Recht. Das deutsche Judentum war nur mit seinem Model zu retten. 

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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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