Elul/ Paraschat Ki Teze
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Das Verbrechen von Ammon und Moaw handelte sich nicht um Brot und Wasser (Paraschat Ki Teze 5785)

Die niederträchtige Hinterlist der Moabiter

Die niederträchtige Hinterlist der Moabiter
Foto: AI Avigail

Das Verbrechen von Ammon und Moaw handelte sich nicht um Brot und Wasser

Rav Frand zu Paraschat Ki Teze 5785

mit Ergänzungen von S. Weinmann

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Im Passuk (Vers) in Paraschat Ki Teze steht: "Weder ein Ammoniter noch ein Moabiter darf in die Gemeinde Haschems aufgenommen werden..." (Dewarim 23:4).  Wir dürfen keine Nachkommen der Nationen von Ammon und Moaw heiraten, sogar wenn sie zum Judentum konvertiert haben, "Aus dem Grund, weil sie euch, als ihr unterwegs wart, als ihr aus Ägypten hinauskamt, nicht mit Brot und Wasser entgegengekommen sind…" (Dewarim 23:5). Dann fügt der Passuk noch hinzu: "…und weil sie gegen dich den Bil’am, den Sohn von Be’or, gedungen haben, um dich zu verfluchen" (ibid.). Die Tora verdeutlicht diese Gebote in den Pessukim 4 und 5. Dann fährt der Passuk 6 fort: "Aber der Ewige, dein G-tt, wollte nicht auf Bil’am hören, sondern der Ewige, dein G-tt, verwandelte seinen Fluch in eine Beracha (Segen), weil der Ewige, dein G"tt, dich liebt."

Der Dubner Maggid stellt zu diesem letzten Passuk eine naheliegende Frage. Diese Pessukim befassen sich mit dem Grund, warum es verboten ist, einen Nachkommen von Ammon und Moaw zu heiraten. Dieser Passuk sollte uns den Grund für dieses Verbot und nichts Anderes erklären. Der Grund ist, weil sie zwei Mal gegen euch gesündigt haben – zuerst, indem sie euch nicht das Allernotwendigste (Brot und Wasser) gaben, als ihr euch in der Nähe ihres Gebietes befandet, und danach, weil sie sogar den Magier Bil’am anheuerten, um euch zu verfluchen. Dies reicht aus, um uns zu erklären, warum wir uns nicht mit ihnen verheiraten sollten.

Warum muss der Passuk noch weitergehen und erklären: "…aber Haschem wollte nicht auf Bil’am hören, und Er verwandelte seinen Fluch in eine Beracha..." Dies ist eine Geschichte, über die in Paraschat Balak ausführlich berichtet wird. Dies ist aber für unsere Parascha nicht relevant. Unsere Parascha will uns nur eine Sache klar machen – den Grund, warum wir auf Ammon und Moaw zornig sein sollten, der das Verbot der Tora der Heirat mit ihren Nachkommen rechtfertigt. Warum wiederholt die Tora hier in Paraschat Ki Teze die Tatsache, dass Haschem nicht auf Bil’am hörte, weil Er Klall Jisrael liebt?

Der Dubner Maggid liefert uns gemäss seinem berühmten Stil eine Antwort, indem er ein Gleichnis erzählt. Womit kann die Angelegenheit verglichen werden? Es gab einen Mann, der zu einer Verkaufsmesse reiste und sein Fuhrwerk mit allen möglichen Waren belud, die er bei der Messe eingekauft hatte. Der Verkauf dieser Waren würde einen grossen Teil seines Einkommens für das kommende Jahr ausmachen. Er hielt bei einem Gasthof an und verbrachte dort die Nacht. Am nächsten Morgen wachte er auf und wollte seinen Wagen mit all seinen Gütern holen. Siehe da, der Wagen wurde gestohlen! All seine Waren waren verschwunden. Das ganze Geld, das er an der Messe ausgegeben hat, war weg. Er begann, zu Fuss nach Hause zu gehen. Er wanderte durch Berge und Täler. Siehe da, was sah er oben auf einem der Berge? Er sah sein Fuhrwerk mit seinem Esel und seinen Waren, und er fand den Dieb! Er ging zum Kerl hin und schrie ihn an: "Du Dieb! Du hast meinen Wagen gestohlen! Du hast meine Waren gestohlen!" Der Dieb gab es zu und sagte: "Du hast recht. Es tut mir leid." Der Händler sagt: "Okay, gib mir nun meinen Wagen zurück."

Der Dieb denkt sich: "Dieser Mann ist ein sehr netter Mensch. Er schlägt mich nicht. Er bringt mich nicht zur Polizei." Dann sagte er zu seinem Opfer: "Solltest du mir jedoch nicht dafür bezahlen, dass ich deinen Wagen all diese Hügel und Berge hinauf geschleppt habe? Es war nicht leicht, all diese Waren durch die Täler und Berge zu bringen. Mindestens solltest du mir dafür etwas bezahlen!" Der Händler sagte zu ihm: "Welche Chuzpa! Jetzt zürne ich über das, was du mir angetan hast!"

Der Dubner Maggid erklärt diesen Passuk in ähnlicher Weise. Ammon und Moaw sagten: "Warum seid ihr so aufgeregt auf uns? Okay, wir wollten euch kein Wasser geben. Es stimmt, wir haben Bil’am angestellt, um euch zu verfluchen. Am Ende habt ihr jedoch von Bil’ams Äusserungen Gewinn gemacht. Ihr solltet wirklich schätzen, was wir für euch getan haben!" Der Allmächtige sagt daraufhin: "Vergisst, was sie euch sagen. Es ist nicht wegen ihnen, dass ihr Berachot erhalten habt. Vielmehr war es, dass Haschem nicht wollte, dass ihr verflucht werden sollt. Er liebt euch und verwandelte die Flüche in Segen. Es hat nichts mit ihnen zu tun, und deshalb können sie nicht darauf Anspruch erheben, dass sie verursacht haben, dass ihr Berachot erhalten habt.

Dies sind die Worte des Dubner Maggid. Ich habe jedoch eine leicht andersgeartete Erklärung auf diese Frage gesehen. Es ist eine Antwort, die der Tolner Rebbe auf einen Kli Jakar in der dieswöchigen Parascha basiert.

Ausser der Frage, die vom Dubner Maggid gestellt wurde (warum ist es nötig, uns hier zu sagen "aber Haschem wollte nicht auf Bil’am hören"), stellt der Tolner Rebbe einige zusätzliche Fragen:

Erstens: Raschi sagt, dass der Ausdruck "Aus dem Grund" (weil sie euch nicht mit Brot und Wasser begrüsst haben)', (scheint überflüssig zu sein, gem. Raschi) sich auf ihren Plan bezieht, Klall Jisrael durch die Töchter von Moaw und Midjan zur Sünde zu verleiten. Dies scheint eine sehr weithergeholte Interpretation zu sein. Wie kam Raschi (im Namen des Sifri) zu dieser Schlussfolgerung?

Zweitens: Der Ramban erwähnt hier etwas Erstaunliches. Laut dem Ramban lieferten Ammon und Moaw in der Tat Brot und Wasser an Klall Jisrael! Um diese Behauptung zu beweisen, zitiert er einen Abschnitt in Paraschat Dewarim (2:26-29): "Da sandte ich (Mosche) Boten von der Wüste von Kedemoth aus an Sichon, dem König von Cheschbon, Boten mit Worten des Friedens und liess ihm sagen: ‘Ich möchte durch dein Land ziehen, nur auf der (Haupt-) Strasse will ich gehen; ich werde weder nach rechts noch nach links abbiegen. Speise, die ich esse möchte, magst du mir für Geld verkaufen, und auch das Wasser, das ich trinken möchte, magst du mir für Geld geben; ich will nichts als zu Fuss hindurchziehen. – Sowie es mir die Kinder Ejsaws, die in Se’ir wohnen, getan haben, und die Moabiter, die in Ar wohnen…"  Was also bedeutet es, wenn es in der dieswöchigen Parascha heisst: Aus dem Grund, "weil sie euch, als ihr unterwegs wart…, nicht mit Brot und Wasser entgegengekommen sind…?"

Drittens: Benötigten sie überhaupt Brot und Wasser von den Benej Moaw? Was geschah mit dem Man (Manna)? Was geschah mit ihrer Wasserquelle? Das Man hörte nicht auf, bis sie nach Erez Jisrael kamen. In dieser Zeit erhielten sie immer noch das Man, und ihr Durst wurde immer noch mit dem Wasser vom Felsen, den Mosche schlug, gelöscht. Was ist also die Bedeutung der Klage gegen Ammon und Moaw, dass sie uns nicht mit Brot und Wasser belieferten?

Der Ramban schlägt einen erstaunlichen Gedanken vor: In den 39 Jahren, die sie sich in der Wüste befanden, wurde ihr Brot und Wasser mit dem Man und der Quelle geliefert. Der Ramban sagt jedoch, dass im vierzigsten Jahr der Wüstenwanderung ‘Gedolej Jisrael’ (aristokratische Leute) begannen andere Getränke (z.B. Wein und andere Säfte) für ihr Trinkvergnügen zu kaufen, und nicht wegen dem dringenden Bedürfnis, ihren Durst zu löschen. Sie befanden sich nahe zum Land Israel, und sie versuchten, sich an den Begriff zu gewöhnen, "in den Laden zu gehen und etwas zu kaufen". Sie begannen, Dinge zum täglichen Verbrauch zu kaufen. Dies ist die Art von Einkauf, auf den sich Mosche in Paraschat Dewarim bezieht, wo die Benej Jisrael begannen sich mit den Benej Ejsaw (Edom) und den Moabitern mit kommerziellen Transaktionen zu beschäftigten.

Mit diesem Wissen legt der Kli Jakar uns alles dar. Dies ist, was geschah: Sicherlich war ihre Hauptklage gegen Ammon und Moaw die Tatsache, dass sie sie zum Sündigen veranlassten (mit dem Plan der Töchter von Midjan und Moaw). Der Kli Jakar erklärt: Sie näherten sich Erez Jisrael. Sie hatten sich daran gewöhnt, mehr als nur Brot und Wasser zu haben. Sie hatten sich schon luxuriöse Dinge gekauft. Sie hatten sich an den Wein gewöhnt. Sie sprachen die Benej Ammon und Moaw an. Sie waren müde und hungrig, und sie dürsteten nach dem Wein, an den sie sich gewöhnt hatten. Was war ihre Sünde? Es war, "weil sie euch nicht mit Brot und Wasser begrüssten". Sie sagten: "Wartet!"

Die Juden waren durstig, ihre Zungen lechzten nach den Getränken, aber die Ammoniter und Moabiter liessen sie warten. All dies war ein Komplott. Wenn Menschen hungrig und durstig sind und eifrig auf etwas warten und wenn sie es endlich erhalten – stellen sie keine Fragen.

Aus diesem Grund geschah es, dass als das Essen und Trinken ihnen endlich gebracht wurde, sie das "Fleisch, das an ihre Götzen (Siwchej Elohejhem) geschlachtet wurde" – d.h. verbotenes nichtkoscheres Fleisch – assen und ihre "Weine (Trankopfer)" konsumierten, was sie auf den Weg der Sünde mit den moabitischen und midjanitischen Frauen brachte. Ammon und Moaw sagten zu den jüdischen Männern – als sie sahen, wie verzweifelt sie nach gutem Essen und Trinken warteten – "Wenn ihr wirklich unseren besten Wein kosten möchtet, geht doch dort in unser Zelt hinein…"

Dies ist genau, was Raschi sagt, wenn er die Worte in Dewarim 23:5 mit dem Plan bezüglich der midjanitischen Töchter in Verbindung bringt. Wenn eine Nation eine andere Nation angreift, sei es in Selbstverteidigung oder in der Leidenschaft des Moments, weil sie sie hassen, ist dies eine Sache. Wenn man sich jedoch hinsetzt und einen Plan ausheckt, um eine andere Nation zu vernichten, wird der Herr der Welt sagen: "Dies werde Ich nicht zulassen." Es war boshaft. Es bedeutete, Zeit und psychische Energie darauf zu verwenden, nur um sie geistig zu verführen. Dies ist eine schwerwiegende Sünde.

Der Gerrer Rebe sagte einst, dass wir wissen, dass es in jeder Generation Menschen gibt, die sich gegen uns erheben, um uns zu vernichten. Niemand unternahm jedoch gegen Klall Jisrael, was die Nazis ‘jimach schemam’ taten. Die Formulierung des "jüdischen Problems" und die Verschwörung und Propaganda und alles, was die Nazis taten – nicht nur die Tatsache, dass sie in den Krieg zogen. Dies war ein Generalplan, um das jüdische Volk zu vernichten. Dies ist genau der Grund, warum der Herr der Welt Ammon und Moaw verabscheut. Sie können nicht kommen und sagen: "Was haben wir denn Schlimmeres getan als irgendjemand anderer?" Nein, ihr habt euch verschwört. Ihr habt geplant, dass der Herr der Welt mit Klall Jisrael zürnen soll, ihr habt gewusst, dass der "G"tt dieses Volkes Unsittlichkeit verabscheut". Diese Böswilligkeit beinhaltete Betrügerei und Hinterlistigkeit."

Der Allmächtige betont: Ich habe es nicht zugelassen. Wisst ihr warum? Weil der Herr, Euer G"tt, euch liebt!"

Der Tolner Rebbe, der diesen Schmuess inmitten des geistig bedeutungsvollen Monats Elul gab, bemerkte: Wenn wir den Zorn sehen, den der Allmächtige gegen Ammon und Moaw wegen ihren boshaften Komplotten gegen Klall Jisrael hatte, sollten wir uns vorstellen, wie es wäre, wenn wir Gutes planen und uns in den Tagen von Elul hinsetzen und versuchen, positive geistige Planungen auszudenken. Die Klage gegen Ammon und Moaw war, dass sie sich hinsetzten, um negative geistige Strategien auszuhecken. Sie planten, Schlechtes zu tun.

Der Rebbe sagte, dass die G"ttliche Eigenschaft, zu belohnen, die G"ttliche Eigenschaft, zu bestrafen, übertrifft. Wenn wir uns in diesen Tagen hinsetzen und planen, uns geistig zu verbessern, kann dies eine grosse positive Wirkung haben.

Wollen wir uns doch hinsetzen und sagen: "Hört zu. Wir waren hier, und wir haben dies in der Vergangenheit getan. Was werden wir jedoch im kommenden Jahr tun, damit unsere Teschuwa andauert? Welche konkreten Schritte werden wir ergreifen? Wenn ein Mensch die Vision hat, wie er vorgehen will, dass das kommende Jahr besser sein wird, wird ihn dies beim Ribbono schel Olam beliebt machen. Genauso wie Er seinen Zorn auf Ammon und Moaw wegen ihrer Pläne, Schlechtes zu tun, ausliess, wenn wir planen, Gutes zu tun, wie sehr werden wir in Seinen Augen Gunst finden und er uns segnen wird.

Lasst uns also im Monat Elul nicht nur die Vergangenheit betrachten, sondern bewusst Pläne für ein besseres, geistig tieferes Jahr schmieden.

Mögen wir alle im kommenden Jahr im Buch des Lebens, des Friedens und des Segens eingetragen werden.

Gut Schabbes!

Quellen und Persönlichkeiten:

Raschi, Akronym für Rabbi Schlomo ben Jizchak (1040-1105); Troyes (Frankreich) und Worms (Deutschland); „Vater aller TENACH- und Talmudkommentare“.

Rabbi Schlomo Efrajim ben Aharon Luntschitz (1550 – 1619): Luntschitz (Polen), Lvov (Lemberg, Galizien, heute Ukraine), Prag (Tschechien). Talmud-Gelehrter, Rabbiner und geistiger Führer der Juden von Prag. Autor von vielen Werken, wie Olelot Efrajim, Siftej Da’at, Amudej Schesch, Ir Giborim und des klassischen Torahkommentars "Kli Jakar".

Rabbi Ja’akow Kranz (geb. 1740 in Zietil; gest. 18. Dezember 1804 in Zamość) war ein volkstümlicher hebräischer Prediger (Maggid) und Gleichnisredner des 18. Jahrhunderts.  Mit achtzehn Jahren ging er als Prediger für zwei Jahre nach Miedzyrzec Podlaski (Meseritz). Danach war er in Zolkiev, Dubno, Włodawa (Lublin), Kalisch und Zamość tätig. In Dubno in Wolhynien blieb er 18 Jahre lang. Er verliess den Ort um nach Wilna zu gehen. Er traf sich oft mit dem Gaon von Wilna. Jakob Kranz illustrierte seine Predigten und homiletischen Kommentare mit Gleichnissen aus dem menschlichen Leben und erklärte damit schwierige Passagen und verwirrenden Fragen im rabbinischen Recht.

Rabbi Jizchak Menachem Weinberg, der Tolner Rebbe (zeitgenösischer Rebbe und Redner), leitet die Tolner Gemeinde in Jerusalem und ist ein gefragter Dozent. Verfasser von "Hejma Jenachamuni", Gedanken zum Pentateuch.

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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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