Cheschwan / Paraschat Wajera
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Awraham Awinu erwirkte die 2000 Jahre Tora (Paraschat Lech Lecha 5786)

Die gelungene Revolution unseres Erzvaters Awraham

Die gelungene Revolution unseres Erzvaters Awraham
Foto: AI Avigail

Awraham Awinu erwirkte die 2000 Jahre Tora

Rav Frand zu Paraschat Lech Lecha 5786

mit Ergänzungen von S. Weinmann

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Ich möchte mich mit einem Ra’awad-Kommentar in Hilchot Awodat Kochawim (den Gesetzen in Bezug auf Götzendienst) befassen, der über Awraham spricht. Den folgenden Gedanken entnahm ich den Schriften von Rabbi Ze’ev Leff.

Zu Beginn von Hilchot Awodat Kochawim [Sefer Mada: Awodat Kochawim; Kapitel 1, Halachot 1-3] gibt uns der Rambam (Maimonides) eine sehr elementare Beschreibung der Persönlichkeit des ersten Juden - Awraham Awinu (unser Vater). Es gibt sehr viele halachische Vorschriften (jüdische Rechtslehre), welche der Awoda Sara (Götzendienst) gewidmet sind. Ein wesentlicher Teil der Jüdischen Geschichte befasst sich mit dem Ausmerzen der Übel, welche durch Awoda Sara im jüdischen Volk entstanden sind. Der Rambam fand es deshalb nötig, uns den historischen Hintergrund zur Entstehung von Götzendienst auf der Welt aufzuzeigen. (Es empfiehlt sich diese ungewöhnlich ausführliche Beschreibung des Rambam’s selbst nachzulesen).

Der Rambam schreibt, dass die Menschen früh, bereits zu Enosch’s Zeiten (d.h. bereits in der dritten Generation der Welt) eine grundlegende Fehlüberlegung machten. Die Weisen dieser Generation entwickelten eine fehlerhafte Gotteslehre und sogar Adam’s Enkel war einer der Irrenden. Sie behaupteten folgendes: G’tt schuf die Sterne und die himmlischen Gebilde, um die Welt zu führen und ehrte sie, indem er sie hoch am Firmament platzierte; deshalb ist es für den Menschen angebracht, sie zu loben, zu preisen und zu ehren. Dies gleicht einem (irdischen) König, welcher wünscht, dass man diejenigen, welche vor ihm stehen (seine Fürsten, Minister, etc.) Ehre erweist. Eine solche Verehrung, welche an die Diener des Königs gerichtet wird, bildet auch für den König eine Art Ruhm.

Nachdem sich dieser Gedanke breit gemacht hatte, begannen sie, Tempel für die Sterne zu bauen, sie brachten ihnen Opfer, rühmten sie mit Worten und bückten sich vor ihnen, um – gemäss ihrer irregeleiteten Philosophie – „den Schöpfer zufriedenzustellen“. Das waren die Grundzüge der „Anbetung der Sterne“.

Dies war die Erklärung derjenigen, welche sie verehrten und welche den Ursprung dieser Bräuche kannten. Sie stritten die Existenz G’ttes nicht ab und sie behaupteten auch nicht, dass dieser oder jener Stern allmächtig sei oder irgendwelche eigenen Kräfte besässe.

Es kommt in der Geschichte immer wieder vor: Was als unschuldiger Fehler, Missverständnis oder falsche Sichtweise begann, mit der Zeit ausser Kontrolle geriet. Falsche Propheten tauchten auf und lehrten, dass die Sterne eigene Kräfte besässen. Schlussendlich vergassen die Menschen G’tt, sodass Awoda Sara, so wie sie uns heute bekannt ist, entstehen konnte. Die Menschen verehrten nun buchstäblich diese anderen „Kräfte“, indem sie verschiedene Gebilde kreierten, die die verschiedenen Gestirne und Planeten darstellten und sie als Gott anbeteten. Dies alles entsprang dem ursprünglichen „kleinen“ Fehler.

Die Situation verschlechterte sich immer mehr und dieses verdorbene Gedankengut verbreitete sich auf der Welt, sodass es nur noch einzelne, wie Chanoch, Metuschelach, Noach, Schem und Ewer, gab, die G-tt kannten. Dieser katastrophale Zustand änderte sich erst als der Stützpfeiler der Welt – im Jahr 1948 – geboren wurde: Awraham Awinu. Awram blickte - bereits als Kind - zum Mond und den Gestirnen hinauf und fragte sich Tag und Nacht, wie sich die Himmelskörper ohne Lenker, Der sie führt, fortbewegen. Awram begriff, dass es unmöglich allein vor sich gehen konnte. Awram besass keinen Lehrer oder irgendjemanden, welcher ihn unterrichten konnte. Er lebte in Ur Kassdim, in einer Gesellschaft, welche durch und durch von Götzendienst durchdrungen war. Er gelangte trotz allem selbständig zur Erkenntnis, dass es einen Herrn der Welt geben muss, Welcher alles lenkt.

Nachdem Awram dies bewusst geworden war, begann er mit den Bewohnern von Ur Kassdim zu diskutieren und debattieren. Er wollte sie auf den richtigen Weg zurückbringen. Er legte ihnen nahe, alle gegossenen Bildnisse zu zerstören, damit die Menschen nicht wegen ihnen strauchelten und zerbrach auch selbst Götzenbilder. Als er sie mit seinen Argumenten überzeugt hatte, zog im dies den Zorn des Königs (Nimrod) zu, der ihn töten wollte. Jedoch rettete ihn G-tt durch ein Wunder.   Er zog fort nach Charan. Dort trat er öffentlich auf und begann mit lauter Stimme der ganzen Welt zu verkünden, dass er (nur) einen G-tt gebe, Der die ganze Welt regiere und dem allein man dienen solle.

Alsdann zog er von Stadt zu Stadt, von Königreich zu Königreich, predigte und sammelte Anhänger für seinen Monotheismus (Glaube an einen einzigen G’tt). Er suchte sie von der Lächerlichkeit der Awoda Sara zu überzeugen und gelangte schlussendlich in das Land Kena’an. Dort verkündete er den Namen des Herrn, wie der Passuk sagt: „ Awraham verkündete dort den Namen von Haschem, des G’ttes aller Zeiten.“ [Bereschit 21:33] Awraham hatte viel Erfolg und schaffte es, viele aus der Bevölkerung auf den Pfad der Wahrheit zu führen. Er hatte Tausende und Abertausende von Anhängern. Diese waren als die „Angehörigen von Awraham’s Haushalt“ bekannt.

Dies ist eine kurze Zusammenfassung der geschichtlichen Ausführungen des Rambam über die Entwicklung des Götzendienstes und über den geistigen Zustand der Gesellschaft, bevor Awraham kam und die Dinge ins richtige Licht rückte.

Der Ra’awad stellt die ganze Darstellung des Rambam in Frage: „Ich bin erstaunt. Schliesslich lebten Schem und Ewer in diesen Zeiten. Wie ist es möglich, dass sie sich nicht wehrten?“

Der Ra’awad bestreitet, dass Awraham zu seinen Lebzeiten die einzige aufgeklärte Person auf der Welt war. Es gab die Jeschiwa von Schem und Ewer. Es gab andere Leute, denen die Tora bekannt war und andere, welche von G’tt wussten. Es ist nicht wahr, dass Awraham der Einzige auf der Welt war, der an den Monotheismus glaubte!

Der Ra’awad bringt deshalb an der Aussage des Rambam eine kleine Korrektur an. Der Ra’awad sagt, dass Schem und Ewer am geistigen Gedankengut ihrer Zeit Anstoss nahmen und sich dagegen wehrten. Sie hatten jedoch mit dem Zerstören der Götzen keinen Erfolg, weil die Leute ihre Götzenbilder vor ihnen verbargen. Erst als Awraham kam und die versteckten Götzenbilder entdeckte und zerstörte, fand eine wahre Auseinandersetzung zwischen dem Monotheismus und der Gesellschaft, welche Götzen diente, statt.

Was soll das bedeuten? Will der Ra’awad sagen, dass Awraham der bessere Detektiv, ein besserer Schnüffler war als die anderen? Ausserdem war es nicht einmal wahr, dass die Götzenbilder versteckt waren; dem Götzendienst wurde in der ganzen Gesellschaft offen nachgegangen! Gemäss dem Midrasch handelte Terach (der Vater Awraham’s) mit Götzenstatuen. Müssen wir annehmen, dass Terach versteckte Geschäfte betrieb? Dies ist, gelinde gesagt, etwas weit hergeholt. Was ist denn die Bedeutung des Ra’awad’s Aussage, dass die Awoda Sara versteckt war und Awraham mit der Zerstörung Erfolg hatte?

Rabbi Leff gibt zu diesem Ra’awad folgende Erklärung: Der Talmud sagt [Sanhedrin 97a; Awoda Sara 9a], dass die Welt 6000 Jahre bestehen wird. Diese sechs Jahrtausende werden in drei historische Zeitalter aufgeteilt: 2000 Jahre des „Tohu wa’Wohu“ („Tohuwabohu / Durcheinander“) 2000 Jahre der „Tora“ und 2000 Jahre des „Messianischen Zeitalters“. Gemäss der Gemara beginnt das Zeitalter der „Tora“ mit Awraham Awinu.

Was bedeutet das? Das scheint zu sagen, dass Noach und alle Leute, welche vor Awraham lebten, keine „Tora“ kannten. Es gibt jedoch Quellen im Talmud und im Midrasch, welche das Gegenteil behaupten. (Auch Raschi in Paraschat Noach [7:2] schreibt, dass Noach Tora lernte.) Was ist also damit gemeint, dass das Zeitalter der „Tora“ mit Awraham Awinu begann?

Rav Leff gibt darauf die folgende Antwort: Wie wir den Anfangsversen des Chumasch entnehmen können, meint „Tohu wa’Wohu“ „ein heilloses Durcheinander“. Dies bedeutet eine Vermischung von Licht und Dunkel. In einem Zeitalter von „Tohu wa’Wohu“ gibt es keine klare Trennung zwischen Tag und Nacht, zwischen schwarz und weiss, zwischen Recht und Unrecht.

Das Zeitalter von „Tora“ symbolisiert einen klaren Abschied vom Zeitalter des „Tohu wa’Wohu“: „Siehe ich lege dir heute vor das Leben und das Glück und den Tod und das Unglück“ [Dewarim 30:15] Tora bedeutet eine klare und immerwährende Abgrenzung. Sie sagt uns exakt, was Recht ist und was Unrecht, was Licht ist und was Dunkel. Bis zu Awraham Awinu’s Zeit bestand auf der Welt ein „Tohu wa’Wohu“. Es gab Menschen, welche behaupteten: „Es ist nicht falsch, Awoda Sara zu dienen. Es ist sogar eine Mizwa! Dies ist G’ttes Wille. Wenn wir die Sonne und Seine anderen himmlischen Diener verehren, dienen wir Ihm.“ Andere wiederum behaupteten, dass das Götzenbild der Gott sei. In der ganzen Gesellschaft herrschte ein Durcheinander.

Wenn der Ra’awad sagt, dass Awoda Sara versteckt war, meint er nicht, dass sich die Statuen hinter verschlossenen Türen befanden. Er meint, dass auf der Welt eine Verirrung herrschte, welche die Menschen daran hinderte, zu erkennen, was richtig und was falsch, was Monotheismus und was Vielgötterei war. Awraham Awinu startete das Zeitalter der Tora, weil er fähig war, die Fehler klar aufzudecken. Auf sprachbegabte Weise liess er wissen: „Dies ist richtig. Dies ist falsch. Dies ist nicht Monotheismus. DAS IST AWODA SARA!“

Wenn der Ra’awad behauptet, dass Awraham Awinu erfolgreich die Götzen zertrümmern konnte, meint er damit nicht, dass kein anderer die Lügen der Befürworter der Vielgötterei erkannte. Awraham deckte vielmehr die „grosse Lüge“ auf; nämlich, dass jemand am „Sonntag“ der Sonne, am „Montag“ dem Mond, am nächsten Tag „G’tt“ dienen kann und trotzdem noch als „anständiger Mensch“ bezeichnet werden kann. Awraham stellte klar, dass die Götzen zerstört werden müssen. Der Glauben an einen einzigen G’tt ist ein „Entweder-oder“. Beides zusammen gibt es nicht.

Das Zeitalter der Tora begann! Die absolute Wahrheit erschien auf der Welt um der „situationsabhängigen Moral“ und der „situationsabhängigen Ethik“ entgegenzutreten. Es gibt nur Dinge, welche zu 100% richtig oder solche, die zu 100% falsch sind.

Mit einem klassischen chassidischen Ausspruch sagt der Ba’al Schem Tow („Besch’t“), dass der Jezer HaRa (Böser Trieb) keine Strafe dafür erhält, dass er die Menschen zur Sünde verleitet. Dies ist schliesslich seine Aufgabe. Der Ba’al Schem Tow sagt jedoch, dass er bestraft werden wird, weil er die Menschen im Glauben lässt, dass die Sünden, welche sie begehen, in Wirklichkeit Mizwot (gute Taten) sind.

Der Jezer haRa verfügt über so viele Tricks: „Schlaf lang und lass das Minjan heute Morgen aus, damit du nachher einen klareren Kopf zum Lernen hast.“ „Gib’ jetzt keine Zedaka; behalte es für eine bessere Gelegenheit, die sich vielleicht später bietet.“ Der Jezer haRa wird bestraft, weil er ein „Tohu wa’Wohu“ schafft; er wiegt die Menschen im Glauben, dass die Sünden, welche sie begehen, eigentlich Mizwot seien.

Das ist das Tohu wa’Wohu, welches Awraham Awinu zerstören wollte. Er gab der Welt die Klarheit, was richtig und was falsch, was G’ttesdienst und was Awoda Sara ist.

Quellen und Persönlichkeiten:

Rabbi Awraham ben David von Posquières (1125-1198); Narbonne, Posquières (Frankreich). Bekannt unter dem Akronym Ra’awad. Er war ein talmudischer Gelehrter in der Provence. Er ist vor allem durch seine "Hassagot" kritischen Bemerkungen und Kommentaren zu den Werken des Rambam’s (Maimonides) bekannt geworden. Er studierte bei Rabbi Mosche ben Joseph ben Merwan ha-Levi und Rabbi Meschullam ben Ja’akow von Lunel, zwei der einflussreichsten und angesehensten Gelehrten der Zeit.

Er gründete und leitete in Posquières eine Jeschiwa, deren Studenten von weither stammten: aus Frankreich, Deutschland, Spanien, Nordafrika, Italien, Palästina und slawischen Ländern. Für die Bedürfnisse von mittellosen Schülern sorgte er aus seinen eigenen Mitteln. (Er soll durch Handel mit Textilien grossen Reichtum erworben haben.) Zahlreiche seiner Schüler und engen Anhänger wurden selbst zu herausragenden Rabbinern und Autoren in den jüdischen Gemeinden der Provence. Rabbi Chajim Vital (Maharch’u), der Hauptschüler des Ari Hakadosch, schreibt, dass der Ra’awad einer der ‘Hauptüberlieferer der Kabbala-Lehre’ war. Er hinterliess unzählige Werke; leider ging ein ansehnlicher Teil davon verloren.

Rambam, Akronym für Rabbi Mosche ben Maimon (Maimonides) (1135 – 1204); Spanien, Ägypten, Israel. Einer der bedeutendsten Rischonim, seine Hauptwerke sind: Das umfassende Werk zum jüdischen Recht „Mischne Tora-Jad Hachsaka“, Erklärung zur Mischna und „Moreh Newuchim“ (Führer der Irrenden / Unschlüssigen), wie weitere Werke.

Rabbi Israel ben Elieser, genannt "Ba’al Schem Tow" (1698-1760), Gründer der chassidischen Bewegung, Medschibosch, Ukraine.

Rabbi Ze’ev Leff: Zeitgenössischer Rabbiner und Rosch Jeschiwa im Moschav Matitjahu, Israel.

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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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