Siwan / Paraschat Pinchas
Siwan / Paraschat Pinchas

Auf Nummer sicher gehen, indem man die Gebote der Tora befolgt! (Paraschat Pinchas 5785)

Sei nicht frömmer und barmherziger als der liebe G-tt!

Sei nicht frömmer und barmherziger als der liebe G-tt!
Foto: AI Avigail

Auf Nummer sicher gehen, indem man die Gebote der Tora befolgt!

Rav Frand zu Paraschat Pinchas 5785

Ergänzungen: S. Weinmann

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In Paraschat Pinchas wird Mosche Rabbejnu befohlen, in den Krieg zu ziehen, um an den Midjanitern Rache zu nehmen. Die Midjaniter schlossen sich mit den Moabitern zusammen und brachten die jüdischen Männer leider mit Erfolg dazu, der Sünde verbotener Beziehungen mit den Töchtern Midjans und Moaws zu erliegen. Mosche Rabbejnu wurde befohlen, all jene auszurotten, die sich daran beteiligt hatten. Der Midrasch Tanchuma (Paraschat Pinchas 3) kommentiert, dass es schlimmer ist, einen Menschen zur Sünde zu verleiten, als ihn zu töten – denn, wenn ein Mensch getötet wird, verliert er sein Leben in dieser Welt, aber wird noch immer ein ewiges Leben in der kommenden Welt haben. Wenn ein Mensch jedoch sündigt, verliert er sein Leben in beiden Welten. Da die kommende Welt immerwährend und unvergleichlich genüsslicher ist als die hiesige, ist die Verleitung eines Menschen zur Sünde schlimmer als Mord.

Als Beweis zu dieser Abgrenzung, benennt der Midrasch einen Kontrast zwischen zwei Nationen, die das jüdische Volk physisch verletzt haben und zwei anderen Nationen, die uns spirituell geschadet haben. Die Ägypter und die Edomiter haben uns physisch bekämpft. Die Moawiter und Ammoniter verleiteten uns zur Sünde. Über die Edomiter, die uns “nur” mit dem Schwert entgegen gegangen sind (uns zu töten versucht haben), sagt die Tora [Dewarim 23:8]: “Verabscheue keinen Edomiter” (Lo tessa‘ew Edomi), die Ägypter, die uns gepeinigt und unsere Kinder in den Fluss geworfen haben, und uns nachgejagt sind, sagt die Tora (ibid.) “Verabscheue keinen Ägypter”; doch über die Ammoniter und Moawiter, die uns zur Sünde verleitet haben, werden wir belehrt [Dewarim 23:4]: “Ein Ammoniter und ein Moawiter dürfen nicht in die Gemeinde G-ttes aufgenommen werden (ein Proselyt aus ihrem Volk darf kein jüdisches Mädchen heiraten), auch nicht in der zehnten Generation.” Sie werden abgelehnt, jegliche Verbindung mit Klall Jisrael (dem Volk Israel) für ewig zu haben, weil sie etwas viel Schlimmeres getan haben, als uns physisch anzugreifen – sie haben uns zur Sünde verleitet!

Der Midrasch Tanchuma sagt weiterhin, dass wer versucht, zu den Ammonitern und Moawitern nett zu sein, letzten Endes einen furchtbaren Preis zahlen wird. Dies geschah mit König David. Es steht im Buch Schemuel II [10:1-4]: Als Nachasch, der König von Ammon starb, sandte König David eine Delegation zu seinem Sohn Chanun, seinem Nachfolger, um seinen Vater zu huldigen und dessen Sohn Kondolenzen zu überbringen”. Der Grund war, wie es dort heisst, aus Dankbarkeit für die Güte des verstorbenen Königs. Raschi zur Stelle erklärt im Namen des Midrasch Tanchuma Hajaschan (Paraschat Wajera 25) , was die Güte war: “Als König Schaul David verfolgte, flüchtete David in die Höhle Adulam, im Land Moaw. Seine Eltern und Brüder kamen ihm nach, aus Furcht vor Schaul Hamelech. Als David die Höhle verliess, führte er seine Familie zum König von Moaw, und bat ihn, dass seine Eltern und Brüder bei ihm doch bleiben dürften, bis er einen ruhigen Ort für sich und seine Familie gefunden hätte. Als David Moaw verliess, liess der König die ganze Familie von David umbringen, ausser einen Bruder Davids, dem es gelang zum ammonitischen König Nachasch zu flüchten und dort zu überleben. Das war der Grund, dass David die Delegation zum Sohn von Nachasch sendete”. “Die Fürsten Ammons sagten ihrem König Chanun: Glaubst du wirklich, dass der König David deinen Vater und dich ehren möchte? Diese Delegation ist nur gekommen, um für den König Israels die Stadt auszuspionieren”. Chanun glaubte seinen Fürsten und die Delegation wurde mit Spionage beschuldigt. Chanun liess sie erniedrigen, indem man ihnen die Hälfte ihrer Bärte rasierte und die Hälfte ihrer Kleider abschnitt und sie in diesem schrecklichen Zustand nach Jerusalem zurückschickte. Nachasch heuerte ausserdem Söldner an und bekämpfte das jüdische Volk.

Der Midrasch Tanchuma (Paraschat Pinchas 3) lehrt, dass dies König David widerfuhr, weil er versucht hatte, “klüger, religiöser und barmherziger als die Tora” zu sein, die verbietet zu den Ammonitern freundlich zu sein, wie es heisst [Dewarim 23:7]: “Nie kümmere dich in deinem ganzen Leben ihr Wohl und Glück. (Du sollst nie ihren Frieden noch ihr Bestes suchen dein Leben lang)”. Der Midrasch verweist als Referenz auf den Vers: “Al tehi Zaddik harbe, we‘al titchakam joter… – sei nicht übermässig fromm oder übermässig weise…” [Kohelet 7:16].

Bevor Rabbi Mosche Feinstein nach Amerika kam, führte er eine kleine Gemeinde in Osteuropa. Es gab einen Mosser (Kollaborateur mit dem Feind) in der Stadt – ein Individuum, das es sich zur Gewohnheit machte, jüdische Mitmenschen an das kommunistische Regime zu verraten. Ein Mosser war üblicherweise die niederträchtigste Person überhaupt. Der Mann hinterliess einen Abschiedsbrief und ein Testament: “Ich war zu meinen Lebzeiten eine so schreckliche Person, dass ich nach meinem Tod Teschuwa (Umkehr) tun will. Daher möchte ich, dass meine Leiche geschändet wird, wie es mit dem Kadaver eines Esels geschehen könnte! Ich möchte ausserhalb des jüdischen Abschnitts des Friedhofs begraben werden – und all dies möge eine Wiedergutmachung für meine Sünden und allem Unheil sein, das ich der jüdischen Gemeinde zu meinen Lebzeiten angerichtet habe.”

Die Chewra Kadischa (rituelle Bestattungsgesellschaft) kam zu ihrem Raw, zeigte ihm den letzten Willen des Mannes und fragte um Rat, wie sie damit umgehen sollte. Rabbi Mosche Feinstein entschied: “Ihr müsst ihn so begraben, wie Ihr jeden anderen Juden begraben würdet – mit Respekt und Würde. Er erklärte, dass ein Mensch nach seinem Tod keine Kontrolle über seinen eigenen Körper habe und die Halacha (das jüdische Religionsgesetz) es verbietet, eine Leiche zu schänden. Die Chewra Kadischa wandte jedoch ein: “Aber sehen Sie, er sagte doch, dass er Teschuwa machen wollte. Dies wäre seine Sühne!” Rabbi Mosche antwortete: “Gesetz ist Gesetz. Wir können unsere eigenen Gedanken und Emotionen nicht darüber stellen!” Die Chewra Kadischa hörte widerwillig auf ihren Rabbi und beerdigte diesen Juden wie alle anderen Gemeindemitglieder.

Drei Wochen später kam eine Regierungsdelegation und präsentierte eine Anordnung der Regierung an den Friedhofswärter, die Leiche zu exhumieren. Sie exhumierten die Leiche, indem sie die Erde aushoben, den Sarg öffneten, die Gebeine untersuchten und schliesslich sahen, dass der Leichnam nicht geschändet worden war. Sie stellten auch fest, dass er im regulären Teil des jüdischen Friedhofs beerdigt worden war. Anschliessend beerdigten sie die Leiche wieder.

Der Friedhofswärter fragte, was der Hintergrund dieser ganzen Untersuchung gewesen sei. Sie erklärten, dass dieser Mann vor seinem Tod einen Brief an die russische Regierung geschickt hatte. Darin hiess es, dass die Juden die Regierung hassen und jeden schlecht behandeln, der mit der Regierung in Beziehung steht. Er behauptete, dass er diesen Vorwurf durch seine “Vorhersage” beweisen würde, dass die Juden seinen Leichnam entweihen und in einem separaten Teil des Friedhofs begraben würden! In anderen Worten waren Umkehr und Sühne nicht im Geringsten im Sinne dieses Mannes. Er beabsichtigte, der Gemeinde noch aus dem Grab heraus einen finalen Dolchstoss zu versetzen und sie in eine Falle zu locken, indem sie ein verfängliches “Verbrechen” und eine “Beleidigung” gegen die Regierung ausführen würden.

Jeder, der diese Geschichte hört, sagt, dass Rabbi Mosche Feinstein geradezu Ruach HaKodesch (eine Art prophetisches Sehvermögen; wörtlich: “heiligen Geist”) hatte. Wie auch sonst wäre er in der Lage gewesen, diese Finte zu riechen? Rabbi Mosche Feinstein mag gewiss Ruach HaKodesch gehabt haben, aber diese Geschichte ist kein Beleg dafür. In dieser Geschichte geht es nicht um Rabbi Mosche Feinstein, dem Inhaber “g-ttlicher” Intuition. Diese Geschichte handelt viel mehr von Rabbi Mosche Feinstein, dem Possek (Dezisor). Aufgrund seiner Treuepflicht zur Halacha, rettete er sich selbst und seine Gemeinde vor unbeschreiblichem Unheil.

Quellen und Persönlichkeiten:

Midrasch Tanchuma: Sammlung von Erklärungen und Aggadot zum Chumasch. Wird nach dem Amora (Talmudgelehrten) Rabbi Tanchuma Bar Abba benannt, da er am häufigsten in diesem Midrasch zitiert wird. Er war ein jüdischer Amora der 5. Generation, einer der bedeutendsten Aggadisten seiner Zeit.

Midrasch Tanchuma Hajaschan (wörtlich: der alte Midrasch Tanchuma) Ausgabe Rav Schlomo Buber 5643/1883. RavSchlomo Buber fand in diversen Bibliotheken, wie z.B. in Oxford, in München und im Vatikan, 9 Manuskripte, mit dem Namen Midrasch Tanchuma, worin mehr Midraschim enthalten sind als im altbekannten Midrasch Tanchuma. In verschiedenen Kommentaren, wie z.B. Raschi zum Tanach und Talmud werden Midraschim im Namen von Rabbi Tanchuma zitiert, die nur im Midrasch Tanchuma Hajaschan zu finden sind. Der Midrasch Tanchuma ist eine Sammlung von Erklärungen und Aggadot zum Chumasch. Wird nach dem Amora (Talmudgelehrten) Rabbi Tanchuma Bar Abba benannt, da er am häufigsten in diesem Midrasch zitiert wird. Er war ein jüdischer Amora der 5. Generation, einer der bedeutendsten Aggadisten seiner Zeit.

Raschi, Akronym für Rabbi Schlomo ben Jizchak (1040-1105); Troyes (Frankreich) und Worms (Deutschland); „Vater aller TENACH- und Talmudkommentare“.

Rabbi Mosche Feinstein (1895 – 1986): Usda (Weissrussland), Ljuban (Russland), New York (USA). Er war ein weltberühmter Rabbiner, eine führende halachische Kapazität, und zu seinen Lebzeiten de facto die höchste rabbinische Autorität (Gadol Hador) der Orthodoxie Nordamerikas. Er war auch der Rosch Jeschiwa der Mesivta Tiferet Jeruschalajim, New York.

An seiner Beerdigung nahmen etwa 300’000 Menschen teil. Rabbi Feinstein genoss ein derart hohes Ansehen, dass der bekannte Rabbi Schlomo Salman Auerbach es ablehnte, zu seinen Ehren zu sprechen. Er sagte: „Wer bin ich, dass ich zu seinen Ehren sprechen könnte? Ich studiere seine Bücher, ich bin sein Schüler.“

Er verfasste unzählige weltberühmte Werke, wie Igrot Mosche (8 Bände halachischer Responsen), Dibrot Mosche, Erklärungen zum Talmud (11 Bände) und Darasch Mosche zum Chumasch, etc.

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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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