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Cheschwan/ Paraschat Chaje Sara
Cheschwan/ Paraschat Chaje Sara

Und Awraham rannte… – Wegen dem ‘Eilen’ von Awraham erhielt Jisrael die Tora (Paraschat Wajera 5785)

Was hat die Gastfreundschaft Awrahams mit dem Empfang der Tora zu tun?

Und Awraham rannte… – Wegen dem ‘Eilen’ von Awraham erhielt Jisrael die Tora (Paraschat Wajera 5785)

Was hat die Gastfreundschaft Awrahams mit dem Empfang der Tora zu tun?
Foto: AI Avigail

Wochenabschnitt Paraschat Wajera: Und Awraham rannte… – Wegen dem ‘Eilen’ von Awraham erhielt Jisrael die Tora

Rav Frand zu Paraschat Wajera 5785

Ergänzungen: S. Weinmann

Weitere Artikel zum Wochenabschnitt , finden Sie hier

Der Wochenabschnitt beginnt wie folgt: “Und der Ewige erschien ihm in Elone Mamre”. Dies ist ein seltsamer Satzbau. Anstatt zu sagen “Der Ewige erschien Awraham” verwendet die Tora das Pronomen und sagt “Haschem erschien ihm”. Wenn dies der Fall ist, scheint es, dass diese Parascha direkt mit der Parascha, die ihr vorausgeht, verbunden ist. Wer ist “ihm”? “Ihm” bezieht sich auf Awraham, der gerade die Brit Mila (Beschneidung, am Ende von Lech Lecha) an sich vollzogen hat.

Es gibt in dieser Parascha eine Anzahl von interessanten Midraschim über das Thema des “Hachnassat Orchim (Gastfreundschaft)”, das Awraham den Engeln anbot.

Der Midrasch Tanchuma (Wajera 4) und die Tossefta (Sota 4) sagt: “Im Verdienst des dreimaligen Eilens”, das du unternommen hast, um den Engeln zu dienen, werde Ich zur Zeit des Gebens der Tora an deine Kinder dreimal “eilen”. Der Midrasch zitiert die Beweise dazu. Dies ist der erste Hinweis, dass eine starke Verbindung zwischen dem Kapitel der Gastfreundschaft gegenüber den Engeln und der Tatsache, dass wir das Verdienst hatten, die Tora zu erhalten, besteht.

Wir sehen eine noch stärkere Verbindung im Talmud (Traktat Schabbat 88b), welcher sagt, dass, als Mosche Rabbejnu hinaufkam, um die Tora zu erhalten, die Engel protestierten: “Was tut einer, der einer Frau geboren wurde, unter uns (geistigen Geschöpfen)?” Der Midrasch Rabba (28:1) in Paraschat Jitro sagt, dass Haschem verursachte, dass der Gesichtsausdruck von Mosche wie derjenige von Awraham aussah. Haschem fragte daraufhin die Engel: “Seid ihr nicht in Verlegenheit wegen dieser Person? Ist dies nicht derselbe Mensch, den ihr besuchtet und in dessen Heim gegessen habt? Jetzt behauptet ihr, dass Menschen nicht die Tora erhalten sollten?” Der Midrasch fährt fort und sagt, dass Haschem Mosche Rabbejnu sagte: “Du erhältst die Tora nur im Verdienst von Awraham und seiner ‘Hachnassat Orchim’ (Gastfreunschaft)!”

Wenn wir vom ersten Midrasch nicht überzeugt wurden, ist der zweite Midrasch sicherlich eindeutig: Wegen dem Ereignis der Gastfreundschaft mit den Engeln verdienen wir den Erhalt der Tora. Was bedeutet dies? Warum war diese Begebenheit so bedeutend?

Wir sehen noch etwas Zusätzliches. Etwas sehr Wichtiges geschah den Engeln, als sie Awraham besuchten. Der Midrasch Rabba (Wajera 48:14) weist daraufhin, dass als die Engel zuerst kamen, der Passuk erklärt: “Er (Awraham) erhob seine Augen uns siehe drei Männer standen über ihm” (Bereschit 18:2); sie überragten ihn sozusagen. Später steht geschrieben: “Und er stand über ihnen unter dem Baum und sie assen” (18:8), Awraham überragte die Engel.

Wie war es wirklich? Wer überragte wen?

Der Midrasch bringt diese Pessukim in Einklang. Als die Engel zuerst kamen, stellten sie Awraham in den Schatten. Sie fühlten, dass “wir die Engel sind und er bloss ein Menschenwesen ist”. Nach seinen Taten der Gastfreundschaft jedoch wendete sich das Blatt – er überragte sie.

Der Midrasch sagt weiter: “Die Furcht vor Awraham fiel auf die Engel – (der Engel) Michael zitterte; (der Engel) Gawriel zitterte.”

Was geschah, das verursachte, dass die Engel hochragend eintrafen und zitternd hinausgingen? Es gibt noch eine weitere Schwierigkeit: Zu Beginn der Parascha sagt der Passuk: “Er erhob seine Augen und sah, dass die Engel über ihm standen” (18:2). Die Nebenbedeutung der Worte “er erhob seine Augen” ist, dass sie sich in einer grossen Entfernung befanden. Die Bedeutung des “sie standen über ihm” ist, dass sie gerade neben ihm standen.

Was geschah wirklich? Waren sie entfernt oder waren sie in der Nähe?

Raw Schlomo Breuer beantwortet diese Fragen mit den Worten, dass all diese Midraschim uns sagen, was für eine einzigartige Person Awraham Awinu war.

Die Tora verwendet eine ähnliche Sprache bei der Akejda (Bindung Jizchaks): “Er erhob seine Augen und sah den Ort von der Ferne (22:4). Menschen haben eine gewisse Eigenschaft. Sie sehen, was sie sehen wollen, und sie hören, was sie hören wollen. Wenn wir unseren einzigen Sohn opfern müssten und der Berg weit entfernt war, würden wir fähig sein, ihn von weitem zu sehen? Sicherlich nicht. Dies ist ein Berg, den ich nicht sehen will. Es ist eine Situation, mit der ich nicht konfrontiert sein will. Menschen haben die Fähigkeit, etwas, das sie nicht sehen wollen, nicht zu sehen.

Der Midrasch sagt uns jedoch, dass obwohl dies bedeutete, dass er seinen einzigen Sohn opfern müsste, dies bedeutete, dass er die grundlegendste menschliche Emotion überwinden musste – die Liebe eines Vaters zu seinem Kind. Und deshalb war Awraham Awinu fähig, den Platz aus einer Distanz zu sehen. Warum? Weil er ein Mensch war, der Haschems Bedürfnisse vor seine eigenen stellen konnte. Awraham Awinu war ein menschliches Wesen, aber er war fähig, seine menschlichen Eigenschaften unter Kontrolle zu halten und sie für den Dienst an Haschem zu verwenden. Er stellte Haschems ‘Bedürfnisse’ vor seine eigenen.

Dies ist dasselbe “Erheben der Augen”, das wir hier sehen. Awraham Awinu war 99 Jahre alt. Er war schwach und gebrechlich infolge einer Operation. Wie würden die meisten Menschen handeln? Sie wären absolut nicht in der Laune, Gäste aufzunehmen, und sicherlich nicht draussen zu sitzen und auf deren Ankunft zu warten. Im Gegenteil, sie würden es um jeden Preis versuchen zu vermeiden, mit möglichen Gästen in Kontakt zu kommen.

Jemand kommt in eine Schul. Hier sitzt ein armer Mann; ein Meschulach sitzt dort. Geschieht es nicht uns allen, dass wir wegschauen und halsstarrig an ihnen vorbeigehen, damit wir sie chas weschalom (G-tt behüte) nicht anschauen müssen? Awraham jedoch ‘erhob seine Augen’ und sogar, als sie noch in weiter Entfernung waren, hatte er die Fähigkeit, seine eigenen Bedürfnisse für die Mizwa beiseitezulegen und die Engel zu begrüssen, wie wenn sie in seiner Nähe standen. Awraham war fähig, seine menschlichen Schwächen, die menschlichen Begehren, die menschlichen Überspannungen zugunsten des Ribbono schel Olam (Herr der Welt) zu überwinden.

“Und Haschem erschien ihm.” Diesem Awraham Awinu – der sich gerade der Mizwa der Mila (Beschneidung) unterzogen hatte – erschien der Ribbono schel Olam. Was ist die Mila? Die Mila ist eine Verpflichtung. Sie kennzeichnet den Platz in unserem Körper, der die Leidenschaften, die Sinnlichkeit und Begierde darstellt und sagt, dass sie verpflichtet ist. Ich übergebe meinen Drang, meine Begierden und meine Leidenschaften an Haschem. Dies war die Verpflichtung von Paraschat Lech Lecha. Jetzt, zu Beginn von Paraschat Wajera, lautet die Frage: “Wirst du, Awraham Awinu, diese Verpflichtungen erfüllen?” Awram antwortet: “Ja, ich werde es tun.”

In Paraschat Lech Lecha machte Awraham eine theoretische Verpflichtung. Jetzt, in Paraschat Wajera, kommt diese Verpflichtung zum Einsatz. Awraham ist schwach und gebrechlich. Die Neigung wäre es, die Mizwa nicht erfüllen zu wollen. Ein Mensch würde unter solchen Umständen kein Interesse daran haben, Gäste zu empfangen. Trotzdem kann Awraham Awinu seine menschlichen Schwächen überwinden. Dies ist die Stärke eines Menschen. Er kann Wünsche und Begierden haben, er kann Bedürfnisse haben, aber er kann sich verpflichten und diese einer höheren Sache unterordnen.

Dies erstaunte die Engel. Sie kamen und überragten Awraham, der ja ein reiner Sterblicher war. Sie verliessen ihn jedoch mit der Anerkennung, dass Awraham sie überragte. Sie zitterten in Ehrfurcht vor ihm.

Als die Zeit kam, da die Juden die Tora erhalten sollten, und die Engel einen Moment lang vergassen und gegen die Übergabe der Tora an rein Sterbliche protestierten, verursachte Haschem, dass Mosche Rabbejnu wie Awraham aussah, um die Engel zu erinnern. “Ihr habt vergessen, wie ihr es empfandet, als ihr zu Awraham kamt und wie ihr alsdann in Ehrfurcht vor ihm weggegangen seid; ihr habt das eindrucksvolle Potential von ‘reinen Sterblichen’ vergessen, die ihre Neigungen und Lüste nehmen und sie den ‘Bedürfnissen’ des Ribbono schel Olam unterordnen können. Als sie dies hörten, hörten die Engel auf, sich zu beklagen.

Dies ist, was der Midrasch meint, wenn er sagt, dass das jüdische Volk im Verdienst dieses dreifachen Rennens, das Awraham unternahm, das Verdienst hatte, die Tora zu erhalten. Dieses Rennen zeigte, wozu Menschen imstande sind, namentlich, das Streben nach Grösse, das über ihre persönlichen Wünsche und Bedürfnisse hinausgeht. Die Engel wurden sich bewusst, dass falls Menschen in der Tat dies erzielen können, sie wirklich der Tora würdig und über die Engel erhaben sind.

Quellen und Persönlichkeiten:

Die Tossefta (in aramäisch bedeutet es „Hinzufügen“, „Ergänzen“), ist ein Sammelwerk mündlicher Überlieferungen des Judentums der Tana’im (Mischna-Gelehrten). Sie stellt in vielen Fällen eine Ergänzung der Mischna, der Hauptsammlung, dar und entstand kurz nach der Verfassung der 6 Sedarim der Mischna durch Rabbi Jehuda HaNassi. Im Talmud wird sie in der Regel ‚Baraita‘ genannt (in aramäisch bedeutet Baraita ‚Draussen‘), die von Rabbi Jehuda Hanassi nicht zitierten (draussen gelassenen) Überlieferungen in der Mischna-Sammlung.

Als eigentlichen Verfasser bezeichnet Raw Scherira Gaon Rabbi Chija, einen Schüler von Rabbi (Rabbi Jehuda HaNassi). Dieselbe Meinung vertreten Raschi (Baba Mezia 85b) und der Rambam (Maimonides) im Vorwort zu Mischne Tora.

Midrasch Rabba (der grosse Midrasch): Grosse Sammlung von Erklärungen und Aggadot zum Chumasch der Tanna’im (Mischnagelehrten) und Amora’im (Talmudgelehrten).

Midrasch Tanchuma: Sammlung von Erklärungen und Aggadot zum Chumasch. Wird nach dem Amora (Talmudgelehrten) Rabbi Tanchuma Bar Abba benannt, da er am häufigsten in diesem Midrasch zitiert wird. Er war ein jüdischer Amora der 6. Generation, einer der bedeutendsten Aggadisten seiner Zeit.

Rabbiner Schlomo Breuer (1850-1926); Papa, Ungarn und Frankfurt, Deutschland. Schwieger-sohn von Rabbiner Samson Raphael Hirsch.

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Die Bearbeitung dieser Beiträge erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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