Wochenabschnitt Paraschat Wajakel: Hinter einem grossherzigen Entscheid, im Moment nichts zu unternehmen, könnte Faulheit lauern!
Rav Frand zu Paraschat Wajakhel 5785
Ergänzungen: S. Weinmann
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In Paraschat Wajakhel steht folgendes: “Und die Fürsten brachten die Schoham-Steine und die Milu’im-Steine (verschiedene Edelsteine) für das Efod (schürzenartiges Kleid des Kohen Gadol) und das Choschen (Brustschild)” (Schemot 35:27).
Raschi zitiert eine Lehre des Midrasch Sifri (Bamidbar 7:3) – ‘Was veranlasste die Nessi’im (Fürsten), an der Einweihung des Misbeachs (Altar) als erste freiwillige Gaben zu bringen (Bamidbar 7:2-3), während sie hier beim Bau des Mischkans (Stiftzelt) nicht als erste – sondern als letzte – einen Beitrag leisteten?
Sagt Rabbi Natan, dass sie beim Bau des Mischkan die Haltung einnahmen ‘Lasst die Bevölkerung spenden, was immer sie spenden wollen, und wir werden dann das Fehlende ergänzen’. Nachdem die Bevölkerung alles spendete, was Für den Bau des Mischkans benötigt wurde, wie es heisst: “Und das Handeln des Bringens genügte…” (Schemot 36:7) fragten die Nessi’im ‘Was können wir noch tun?’ Die einzigen Dinge, die noch nicht gespendet wurden, waren die Schoham-Steine und die Milu’im-Steine für das Efod und das Choschen (Kleider des Kohen Gadol), also brachten sie dies. Deshalb beeilten sie sich, bei der Einweihung des Misbeach die ersten zu sein.
Ein weiterer Midrasch fügt hinzu (Midrasch Rabba Bamidbar 12:16): Nachdem sie mit ihrer Spende für das Mischkan etwas träge gewesen waren, ist die Schreibweise des Wortes Nessi’im in diesem Passuk mangelhaft – das Jud zwischen dem Ssin und dem Alef fehlt.
Raw Simcha Sissel Broide stellt Chasals Behauptung, dass die Nessi’im faul waren, in Frage. Anzubieten, alles Fehlende für den Bau des Mischkans zu übernehmen, tönt nicht wie Faulheit. Es scheint eher sehr grosszügig zu sein! Vielleicht war es eine Fehlkalkulation, aber warum wird es als “Faulheit” beschrieben?
Wenn man heute einen Geldsammler für eine wohltätige Institution fragt, ob er an einem Angebot wie demjenigen der Fürsten Gefallen hätte oder nicht, so würde er sich sicher hocherfreut zeigen. Er würde die Gelegenheit, dass jemand den gesamten Fehlbetrag nach seiner Sammelaktion decken wird, sicherlich mit beiden Händen packen. Die Tora missbilligt jedoch die Einstellung der Fürsten. Was war an ihrem Angebot falsch?
Raw Simche Sissel sagt, dass wir von hier etwas lernen können, das wir alle zu Herzen nehmen sollten. Insbesondere, wenn wir eine Gelegenheit haben, etwas zu tun oder nicht zu tun, und wir beschliessen, es aufzuschieben, sogar aus sehr noblen Gründen, sollten wir realisieren, dass solch eine Haltung in Wirklichkeit auf Faulheit und Trägheit basiert. Raw Simche Sissel zitiert Rabbejnu Bachje Ibn Pakudas Einleitung zu seinem klassischen Werk Chowot Halewawot: “Als ich anfänglich entschied, dieses Sefer zu schreiben, dachte ich mir, dass ich nicht würdig bin, solch ein Sefer zu schreiben. Deshalb änderte ich meine Meinung und beschloss, es nicht zu schreiben. Der Entscheid, es nicht zu schreiben, brachte mir ein Gefühl der Erleichterung und Freiheit, aber am Ende beschloss ich, dass es nur Faulheit ist, was mich zum Entschluss brachte, es nicht zu schreiben.”
Deshalb schrieb er das Sefer, und der Rest ist Geschichte. Klall Jisrael ist infolge dieses endgültigen Entscheids von Rabbeinu Bachje Ibn Pakuda, das Sefer Chowot Halewowot zu schreiben und zu veröffentlichen, so viel reicher geworden.
Raw Simcha Sissels Argument ist, dass ungeachtet der edlen Gesinnung für den Grund oder die Rechtfertigung, etwas nicht zu tun, ein Mensch immer vorsichtig prüfen und die Möglichkeit in Betracht ziehen muss, dass die noble Rechtfertigung nur ein Deckmantel für eine nicht so noble Charaktereigenschaft ist, nämlich die Faulheit.
- Sifri – Ältester Midrasch Kommentar zu Sefer Bamidbar und Sefer Dewarim. Der Sifri zu Bamidbar stammt aus dem Bejt Hamidrasch von Rabbi Jischma’el und der auf Dewarim aus dem Bejt Hamidrasch von Rabbi Akiwa. Wird oft von Raschi zitiert.
- Midrasch Rabba (der grosse Midrasch): Grosse Sammlung von Erklärungen und Aggadot zum Chumasch der Tanna’im (Mischnagelehrten) und Amora’im (Talmudgelehrten).
- Raschi, Akronym für Rabbi Schlomo ben Jizchak (1040-1105); Troyes (Frankreich) und Worms (Deutschland); „Vater aller TENACH- und Talmudkommentare“.
- Rabbejnu Bachja ben Josef ibn Pakuda (ca. 1050 – 1120) war ein jüdischer Moralphilosoph und Dichter aus Saragossa, Spanien. Er schrieb die erste systematische Darstellung der jüdischen Ethik, welches zu einer der wichtigsten Werke der jüdischen Philosophie wurde: “Chowot Halewawot” (Das „Lehrbuch der Herzenspflichten“). Er wird oft mit Rabbejnu Bachja ben Ascher (auch aus Saragossa), Verfasser von “Rabbejnu Bachja” zum Pentateuch, verwechselt.
- Raw Simcha Sissel Broide (1912-2000), Verfasser des Buches “Sam Derech”, Rosch Jeschiwa der Chewroner Jeschiwa, Jerusalem.
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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich
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