Kislew/ Paraschat Mikez
Kislew/ Paraschat Mikez

Danken für die traumatischen Ereignisse (Chanukkah und Paraschat Mikez 5786)

Nicht alles wird immer sofort glasklar!

Danken für die traumatischen Ereignisse (Chanukkah und Paraschat Mikez 5786)

Nicht alles wird immer sofort glasklar!
Foto: AI Avigail

Danken für die traumatischen Ereignisse

Rav Frand zu Chanukka und Paraschat Mikez 5786

mit Ergänzungen von S. Weinmann

Ich möchte einen Gedanken vorstellen, der sich durch die Chanukka-Geschichte und durch Paraschat Mikez hindurchzieht.

Im Al haNissim-Gebet von Chanukka heisst es, dass diese Tage zu „Hoda’ah“ und „Hallel“ (Lob und Dank) bestimmt wurden. Der Sefat Emet weist darauf hin, dass das „Hallel-Gebet“ (Lob-Gebet) zur Erinnerung an den Sieg eingeführt wurde, den Haschem uns zuteilwerden liess. Hoda’ah („Dank“) hingegen wurde dafür bestimmt, dass wir auch für all die schrecklichen Ereignisse danken sollen, die diesem Sieg vorausgingen.

Diese Stufe ist schwer zu erreichen. Ein Jude sollte sich jedoch bewusst sein, dass alle Schwierigkeiten und alles Leiden, die er durchmachen muss, sich eines Tages als etwas erweisen werden, wofür er danken kann. Eines Tages verbessern sich die Umstände vielleicht, und er kann die Schwierigkeiten hinter sich lassen. In diesem Moment ist er nicht nur verpflichtet, G’tt für das Ende seines Leidens zu danken, sondern auch für die Leiden selbst. Das ist das Wesen des Leidens: Leiden kann dem Menschen letztlich zum Nutzen gereichen.

Es war eine schlimme Erfahrung. Die Juden lebten unter katastrophalen Bedingungen. Sie waren geistig am Boden, und das Öl des Tempels war entweiht. Doch diese Erfahrung war letztlich Teil der Befreiung – und etwas, wofür wir ebenfalls danken müssen.

Wenn ein Mensch bis zum Hals in Problemen steckt, kann man nicht erwarten, dass er diese Einsicht bereits hat. Wenn jedoch die g’ttliche Rettung schliesslich eintritt, muss der Mensch rückblickend sagen können: „Jetzt verstehe ich alles.“ Wir Menschen sind an Zeit gebunden. Nicht immer können wir erkennen oder verstehen, warum die Dinge gerade so und nicht anders verlaufen. Im Laufe der Zeit wird jedoch vieles klarer.

Von Rabbi Ze’ev Leff habe ich dazu einen wundervollen Gedanken gehört:

In Paraschat Mikez befiehlt Josef seinen Brüdern, Binjamin zu ihm zu bringen. Ja’akow will ihn zunächst nicht ziehen lassen. Schliesslich gelingt es den Brüdern jedoch, ihn zu überzeugen. Sie bringen Binjamin zu Josef. Daraufhin werden falsche Anschuldigungen erhoben. Jehuda schlägt vor, dass alle Brüder zu Sklaven des ägyptischen Vizekönigs werden sollen. Josef besteht jedoch darauf, dass einzig Binjamin gefangen genommen wird, während der Rest der Familie „in Frieden zu ihrem Vater zurückkehren“ möge. Genau das aber ist das Letzte, was sich die Brüder leisten können.

So endet Paraschat Mikez.

Was ist die Auflösung dieses Dramas?

Sie folgt erst eine Woche später – in Paraschat Wajigasch.

Wenn wir die Paraschot selbst einteilen könnten, würden wir eine Parascha kaum mitten in einer so spannenden Geschichte enden lassen. Ist dies eine Fortsetzungsgeschichte? „Wenn Sie wissen wollen, was mit Binjamin geschieht …“ Mikez lässt uns buchstäblich auf der Stuhlkante sitzen, voller Spannung, wie die Geschichte wohl ausgehen wird. Warum sagt uns die Tora nicht sofort, wie es weitergeht?

Die Antwort lautet, dass uns die Tora hier eine sehr wichtige Lektion erteilen will:

Es gibt Momente im Leben, in denen wir „bis zur nächsten Woche warten“ müssen – manchmal bis zum nächsten Jahr und manchmal sogar bis zum nächsten Leben. Nicht alles wird immer sofort glasklar. Genau das will uns diese Struktur lehren. Deshalb endet der dramatische Höhepunkt der Geschichte von Josef und seinen Brüdern in Paraschat Mikez nicht dort, wo es die menschliche Logik erwarten würde.

Die Tora vermittelt uns damit eine Botschaft, wie wir mit Schwierigkeiten umgehen sollen: Manchmal müssen wir warten und zuweilen auch sehr lange, um das Geschehene verstehen zu können.

Quellen und Persönlichkeiten:

Sefat Emet: Rabbi Jehuda Leib Alter (1847 – 1905); der zweite Gerrer Rebbe; Polen. Verfasser der bekannten Werke Sefat Emet zum Talmud und Erklärungen zum Chumasch.

______________________________________________________________________________

Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

______________________________________________________________________________

Copyright © 2025 by Verein Lema'an Achai / Jüfo-Zentrum.

Zusätzliche Artikel und Online-Schiurim finden Sie auf: www.juefo.ch und www.juefo.com  

 Weiterverteilung ist erlaubt, jedoch nur unter korrekter Angabe der Urheber und des Copyrights von Autor und Verein Lema’an Achai / Jüfo-Zentrum.

Das Jüdische Informationszentrum („Jüfo“) in Zürich steht Ihnen für Fragen zu diesen Artikeln und zu Ihrem Judentum gerne zur Verfügung: info@juefo.com

 

Wir benötigen Ihre Hilfe

Der Verein Lema’an Achai ist eine non-profitable Organisation. Unsere Einnahmen rekrutieren sich ausschliesslich von Sponsoren. Deshalb sind wir um jede Spende dankbar.

Accessibility