2. Beitrag zum Schabbat-Projekt - Paraschat Wajera - 7./8. November 2025
Geschichte über die Heiligkeit des Schabbats
mit Ergänzungen von S. Weinmann
Drama:
Ein Mann hat in seinem ganzen Leben nur ein einziges Mal – in einer äussersten Notlage – den Schabbat entweiht, wie kann man ihm helfen?
Der heilige Rischener Rebbe war für sein erhabenes und wundersames Wesen bekannt; sein ganzes Sein war Haschem hingegeben, in solch einem Ausmass, dass selbst Zaddikim und auch Engel (wie bekannt) vor ihm zitterten.
Trotz seiner überragenden Heiligkeit sprach er mit allen Arten von Menschen, veredelte ihre armen Seelen und half ihnen Teschuwa zu tun.
Sogar nach ihrem Ableben sorgte sich der Zaddik um die Menschen, die ihm nahegestanden hatten, und fühlte sich verantwortlich für ihren Tikkun (ihre Läuterung, Begnadigung) im Olam Haba (der zukünftigen Welt). Er wollte ihnen helfen, wenn sie vor dem himmlischen Gericht standen.
Dies lehrt uns die folgende Begebenheit:
Als der heilige Rischener Rebbe in der Stadt Sekule wohnte, bevor er entschied, in die Stadt Sadigora zu übersiedeln, geschah folgendes:
An einem Erew Schabbat kurz vor dem Kerzenzünden liess er den Rabbiner der Stadt, den berühmten Gaon Rabbi Schlomo Drimer von Sekula zu sich rufen, da er mit ihm etwas besprechen müsste. Rav Drimer war einer der grossen Posskim (Dezisoren) seiner Zeit und der Autor der bekannten Sefarim "Bejt Schlomo", "Jaschresch Ja’akow" und anderen Werken.
Rabbi Schlomo Drimer wunderte sich, warum der Rischener Rebbe gerade zu solch einer Zeit, kurz vor Schabbes, mit ihm sprechen wolle, aber es war ihm klar, dass wenn der Rebbe ihn jetzt benötige, dies dringend sein müsse. Als er kam, bat ihn der Rebbe, sich zu setzen.
Er setzte sich hin, und der Rebbe begann ihm eine Geschichte zu erzählen:
"In einer der grossen Städte wohnte eine reiche Person, der ein G-ttesfürchtiger Mann war, er schätzte die Tora und die Gelehrten; und er war einer meiner Nahestehenden. Dieser Mann war sich bewusst, dass Haschem ihm diesen Reichtum nicht nur gegeben hatte, um sich einen Palast und herrliche Gärten zu bauen, sondern um sich um andere Menschen zu kümmern und ihnen zu helfen. Und tatsächlich tat der Mann mit Armen wie auch mit Reichen viel Gutes.
Natürlich konnte der Satan dies nicht aushalten, und als er das wundervolle Verhalten des reichen Mannes sah, kam er mit seiner uralten Klage gegen Ijow (Hiob): החינם ירא איוב וגו' - "Meinst du, dass Ijow Dich G-tt umsonst fürchtet? Hast du doch ihn, sein Haus und alles, was er hat, ringsumher beschützt, Du hast das Werk seiner Hände gesegnet, und sein Gut hat sich ausgebreitet im Lande. Aber strecke deine Hand gegen ihn aus und vernichte alles, was er besitzt, so wird er Dich bestimmt lästern (weil Du ihm, trotz seiner G-ttesfurcht, alles weggenommen hast)! [Ijow 1:9-11] Daraufhin erlaubte G-tt dem Satan, Ijow einer Prüfung zu unterziehen. Und so war es auch hier.
Und so geschah es: Der reiche Mann war ein Bauunternehmer, und dadurch stand er in engem Kontakt zu hohen Beamten und Adligen. Er baute ihnen Prachtbauten und Schlösser und da es denen nicht an Geld fehlte bezahlten sie ihm anständige Preise.
Einst beschloss die Regierung eine hundert Kilometer lange Strasse zu bauen, und dem reichen Mann gelang es, den Auftrag für diese Arbeit zu erhalten, und da er viele Baumaterialien und Arbeiter benötigte, wandte er sich an seine Freunde, ihm Geld zu leihen. Diese waren bereit, ihm zu helfen, da sie überzeugt waren, dass sie vom Verdienst profitieren würden.
Dann jedoch kam der grosse Schlag. Nachdem er schon alles Geld zusammengebracht, die Arbeiter angestellt und ein Haufen Baumaterial eingekauft hatte, erhielt er die Nachricht, dass er sich an einem gewissen Tag im Büro der Regierung einfinden müsse, um den Vertrag für den Bau der Strasse in Anwesenheit der für den Vertrag zuständigen Ministern zu unterschreiben. Als er die Nachricht erhielt, öffnete er seine Agenda, um das Datum für die Unterzeichnung des Vertrags darin zu vermerken. O nein, was sah er dort? Das Datum, das ihm zugeteilt wurde, war an einem Schabbat!
Sofort wandte er sich an die Minister der Regierung, um sie zu bitten, ihm ein späteres oder früheres Datum zu geben, da er am Schabbat nicht schreiben dürfe. Diese zeigten ihm jedoch die kalte Schulter, und als er auch in die Hauptstadt reiste, um dort zu versuchen, das Datum zu ändern, wurde ihm dies verweigert. Zusätzlich wurde er gewarnt, dass falls er sich nicht am festgelegten Datum einfinden werde, der Vertrag an jemand anderen vergeben würde und er das ganze Geld, das er bereits in die Vorbereitungen investiert hatte, verlieren würde.
Er wusste nicht, was mit sich anzufangen. Hätte es sich nur um sein eigenes Geld gehandelt, wäre er bereit gewesen, alles zu verlieren, um nicht den Schabbat zu entweihen. Aber nachdem er doch grosse Geldsummen von anderen geliehen hatte, fragte er sich, wie er aus dieser Situation herauskommen könnte? Er stellte sich schon vor, wie die Leute ihn bedrängen und anschreien würden: "Gauner, wer hat dich gebeten, ein ‘Chassid Schote’ (frommer Narr) zu sein und unser ganzes Geld zu vernichten?"
Mittlerweile kam der Tag für das Unterschreiben des Vertrags näher, und der reiche Mann stand vor einem furchtbaren Dilemma. Er hatte Angst, einen Raw zu fragen, was er tun solle, und auch mich sprach er nicht an - erzählte der Rebbe weiter - denn er befürchtete, dass sie und ich ihm verbieten würden, den Vertrag zu unterschreiben und er dann nicht nur sein ganzes Geld, sondern auch dasjenige von den anderen Menschen verlieren würde. Die Regel sagt: "אדם בהול על ממונו" - "ein Mensch handelt in Panik, wenn es ums Geld geht". Der Mann kam zur Überzeugung, dass es sich für ihn um einen ‘Notfall’ handelte und er in diesem Fall unterschreiben dürfe.
Der festgelegte Tag kam näher, und der reiche Mann bereitete sich wie gewohnt auf Schabbat vor, dawente (betete) die Schabbat-Gebete und ass die Schabbat-Mahlzeit. Am Morgen stand er auf, begab sich ins Büro der Regierung, unterschrieb den Vertrag, schüttelte die Hand der Anwesenden und verliess das Büro, ohne auch nur etwas vom angebotenen Aperitif zu geniessen, da er sich zum Dawenen beeilte. Als er ins Bejt haKnesset (Synagoge) kam, bat er Haschem, ihm für den Chillul Schabbat (Verletzung des Schabbats) zu verzeihen; er habe es nur getan, weil er dazu gezwungen wurde. Er versprach, dass dies das erste und letzte Mal sein würde, dass er so etwas tue, und dass er in Zukunft, falls eine ähnliche Situation entstünde, sehr vorsichtig sein würde.
Nach Schabbat hatte er ein elendes Gefühl und Tränen liefen ihm wegen seiner Tat das Gesicht hinunter; er gelobte, viel Geld für Zedaka und Zorchej Zibbur (Gemeinde-Auslagen) zu spenden, insbesondere vom Verdienst dieses grossen Geschäfts.
Nach dieser Geschichte starb der reiche Mann, und wegen seiner guten Taten hatte er den S'chut (Verdienst), am Erew Schabbat nach Chazzot (Nachmittag) begraben zu werden, und wurde vom ‘Chibbut HaKewer’ (Strafschläge im Grab, nach dem Tod) gerettet. Im jetzigen Moment steht er vor dem Bejt-Din-schel-Ma’alo (Himmlischen Gerichtshof). Der Ankläger erklärt: Dieser Mann machte viel Gutes und hielt sein ganzes Leben lang Schabbat, aber dieses einzige Mal verletzte er den Schabbat, kann man dies im Olam ha'Emet (Wahrer Welt) schweigend übersehen!? Und diese Sünde eines Chillul Schabbat, an dem er seiner Versuchung nachgab, sollte ihn zur Verurteilung bringen!
Als der Mann sich seiner schweren Lage bewusst wurde, bat er das Bejt-Din-schel-Ma’alo, mich über seine schwere Lage zu informieren und mich um Hilfe zu bitten. Dieser Bitte wurde stattgegeben und der Mann kam zu mir und informierte mich über seine Zara (Unglück) "Und so", sagte der Rischener Rebbe, "brachte ich vor dem Bejt-Din-schal-Ma’alo meine Einwände gegen einen negativen Entscheid vor und dass man den Mann begnadigen soll. Schlussendlich beschloss das Bejt-Din, dass nachdem die Tora nicht im Himmel ist, sondern dem jüdischen Volk bereits zur Erde hinab gegeben wurde, dass der Pssak (Entscheid) eines Gadol Hatora (Tora-Grösse) in dieser Welt entscheidend sein würde. Der Rischener Rebbe sagte weiter: Wir haben jedoch nur noch einige Minuten Zeit, einen ‘Pssak Halacha’ abzugeben, und wenn dieser zu seinen Gunsten ist, er sofort zu Beginn von Schabbat zur Ruhe kommen würde, da am Schabbat keine Urteile gefällt werden."
Stille erfüllte den Raum, nachdem der Rebbe seine Geschichte fertig erzählt hatte, und der ‘Bejt Schlomo’ sass nachdenklich da, war dies denn eine kleine Sache? Das Wort von ihm entscheidet jetzt im Bejt-Din-schel-Ma’alo!
Nach einigen Minuten des Schweigens sagte der Gaon von Sekule folgendes: "Nach gewissen Meinungen ist das Schreiben in fremden Sprachen keine volle Melacha (Arbeit), und es ist nur deRabbonon (ein rabbinisches Verbot), und nach vielen Meinungen können wir dies als Melacha "sche'ejno zericha leGufo" ansehen, (eine Melacha, die man nicht um den tatsächlichen Grund der Melacha macht), und dann kann man noch hinzufügen, dass das Unterschreiben unter Zwang geschah und da gibt es Meinungen, dass ein finanzieller Zwang auch als Zwang betrachtet wird, sodass dies nicht als mutwilliger Chillul Schabbat angesehen wird. Aber was? Er tat etwas, das nicht richtig und gemäss dem Din nicht erlaubt war, aber für das tat schon zu Lebzeiten eine volle Teschuwa, und zusätzlich läutert der Tod den Mensch, und deshalb soll ihm verziehen werden, damit er in Frieden ruhen soll.
Bei all diesen Erklärungen verliess sich der Bejt Schlomo auf Meinungen von Rischonim und Acharonim, und zeigte die erleichternden Meinungen im Strafverfahren dieses Mannes von der Seite der Halacha auf.
Sofort nach der Beendigung seiner Worte stand der Rischener Rebbe auf und sagte zum Gaon von Sekule: "Grossen Dank Ihnen, der Pssak Din schel-Ma’alo (Entscheid) zugunsten des Verstorbenen ist bereits verkündet worden, er ist bereits ins Gan-Eden (Paradies) eingetreten, wo er seine vielen Sechujot (Verdienste) geniessen darf und vom Glück begünstigt ist, noch vor Schabbat zur Ruhe zu kommen. Und Sie, Raw von Sekule, gross ist Ihr Sechut, dass Sie ihn zum Guten beurteilt haben und alle Ankläger mit der Kraft der Tora besiegt haben."
"Jetzt", schloss der Zaddik, "gehen wir zu Kabbalat Schabbat (den Schabbat empfangen), denn im Himmel wartet man schon auf den Kabbalat Schabbat der Benej Jisrael in der Welt."
Quellen und Persönlichkeiten:
Rabbi Jisrael Friedmann von Ruschyn (1797 – 1850). Er wurde in Pohrebyschtsche (Ukraine) geboren; und verschied in Sadigora (Österreich-Ungarn, heute Ukraine). Er war ein Urenkel des grossen Maggids Rabbi Dow Bär von Mesritsch, der Nachfolger des Ba’al Schem Tows. Er war ein chassidischer Rabbi, der auch als der ‘hejliger Rischener’, („der Heilige von Ruschyn“) bekannt war. Er war der Stammvater mehrerer chassidischer Dynastien; er hatte sechs heilige Söhne, die chassidische Dynastien begründeten, darunter Sadigora, Boyan, Tschortkov, Schtefinescht, Husyatin und Bohusch.
Rabbi Jisrael von Ruschyn führte einen königlichen Hof, da er seine Abstammung bis auf die Linie König Davids zurückführte. Tausende und Abertausende Chassidim zogen nach Ruschyn, um vom Rebben eine Beracha oder einen Ratschlag zu erhalten. Aber nicht nur einfache Leute, sondern auch ein Grossteil der Zadikkim seiner Generation, hatten das grosse Bedürfnis sich mit diesem heiligen Mann zu treffen.
Zadikkim bezeugten, dass der ‘heilige Rischener’ keine einzige Bewegung seines Körpers - nicht einmal einen einzigen Lidschlag seiner Augen - ohne ‘Kawana’ (Inbrunst), ausführte, und umso mehr kein einziges Wort ohne Besonnenheit und Andacht über seine Lippen brachte.
1838 wurde er der Mittäterschaft am Tod zweier Juden angeklagt, die im Verdacht von schweren Denunziationen standen, und wurde von den russischen Behörden für zwei Jahre inhaftiert. Nach seiner erkauften etwas frühzeitigeren Freilassung entzog er sich der weiteren Verfolgung durch die Behörden. Er flüchtete an einige Orte, bevor er sich schliesslich 1842 in Sadigora niederliess. Dort stellte er seinen Hof in aller Pracht wieder her.
Kurz vor seinem Tod 1850 verfügte er die Errichtung einer neuen Synagoge mit 1000 Plätzen. Im Oktober 1850 verschied er und wurde in Sadigora begraben. Die Synagoge wurde 1881 fertig gestellt.
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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich
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