Kislew/ Paraschat Mikez
Kislew/ Paraschat Mikez

Chanukka – die letzte Zuflucht für Juden (Chanukka 5786)

Chanukka - ein weises Volk lernt aus seiner Geschichte!

Chanukka – die letzte Zuflucht für Juden (Chanukka 5786)

Chanukka - ein weises Volk lernt aus seiner Geschichte!
Foto: AI Avigail

Chanukka - die letzte Zuflucht für Juden

Rabbi Berel Wein zu Chanukka 5786

mit Ergänzungen von S. Weinmann

Die Einzigartigkeit des Chanukka-Festes zeigt sich klar in der Tatsache, dass es von Juden auf der ganzen Welt gefeiert wird – unabhängig davon, wie stark ihre religiöse Observanz ausgeprägt ist. Dies ist nicht nur deshalb bemerkenswert, weil Chanukka gewissermassen das „Glück“ hat, immer in die Dezemberzeit zu fallen. Das mag ein Faktor sein, doch meiner Meinung nach ist es nicht der entscheidende.

Vielmehr scheint Chanukka die letzte Zuflucht für Juden darzustellen, die jüdisch sein wollen, jedoch nicht fähig sind, diesen inneren Wunsch in Worten oder Taten auszudrücken. So lassen sie Chanukka für sich sprechen. Denn Chanukka erklärt klar, dass es einen G’tt in der Welt gibt, dass es grundlegende Prinzipien des Glaubens und der g’ttlichen Führung gibt, die grosse Opfer wert sind; dass ein kleines Licht ein Meer von Dunkelheit überwinden kann; und dass G’tt vom jüdischen Volk eine gewisse Grösse fordert – und bereit ist, Wunder zu vollbringen, um die menschliche Wahrnehmung Seiner Gegenwart in den Ereignissen dieser Welt zu ermöglichen. Juden glauben tatsächlich an diese Wahrheiten, aber in unserem modernen Leben werden sie oft nicht öffentlich ausgesprochen.

Es kann sein, dass es in einer Welt, die so viele positive Werte der Vergangenheit über Bord geworfen hat, peinlich erscheint, diese ewigen Wahrheiten offen auszusprechen. Sicherlich haben die letzten Jahrhunderte – mit Marx, Lenin, Stalin, Hitler und anderen Repräsentanten der neuen „modernen“ und „progressiven“ Welt – die Lichter von Chanukka gedämpft. Die Botschaften dieses Feiertags konnten oft nur geflüstert, aber nicht laut verkündet werden. Der jüdische Mensch zog sich deshalb gleichsam in Chanukka zurück und liess den Feiertag selbst für ihn, sein innerstes Wesen und seine Hoffnungen sprechen.

Eine der Eigenschaften von Chanukka, die der Talmud hervorhebt, ist der Begriff ‘Pirssum haNess’ – die Verpflichtung, das Wunder von Chanukka öffentlich bekannt zu machen. Deshalb werden die Chanukka-Lichter am Fenster entzündet, wo sie von der Strasse aus sichtbar sind. In Israel zündet man sie traditionell vor der Haustüre, sodass ihr Licht hinaus auf die Strasse und zu den Vorübergehenden scheint. Die Lichter von Chanukka – Symbol des Wunders und Träger der Lehren dieses Feiertags – werden so zu einer öffentlichen Erklärung jüdischen Glaubens und unserer tiefsten spirituellen Instinkte. Was wir aus Unwissenheit, Schamgefühl oder Schwäche nicht in Worten ausdrücken können, sagen wir durch die Chanukka-Lichter selbst.

Die Probleme des jüdischen Lebens, die uns Chanukka vor Augen führt, bestehen bis heute weiter. Die hellenistischen Juden existieren zwar nicht mehr unter diesem Namen, doch ihr Programm der ungehemmten jüdischen Assimilation besteht unverändert fort – koste es, was es wolle. Es gibt heute Juden, die befürworten, unser ganzes Vertrauen auf unsere eigene Macht zu setzen, obwohl die Ereignisse der letzten hundert Jahre die Gültigkeit dieser Strategie stark in Frage stellen. Andere wiederum sind blind gegenüber den Realitäten der Unterdrückung und schätzen die geistigen wie physischen Vorteile einer unabhängigen jüdischen Nation nicht. All diese Gruppen existierten bereits zur Zeit der Hasmonäer vor rund 22 Jahrhunderten. Der Sieg und die Wunder von Chanukka mahnen uns, dass wir diese Prüfung schon einmal durchgemacht haben. Ein weises Volk lernt aus seiner Geschichte. Chanukka und seine Lichter erinnern uns eindringlich daran.

Die Tora zeichnet in der nächstwöchigen Parascha die Geschichte der Erfüllung von Josefs Träumen auf. Paraschat Mikez fällt fast immer mit Schabbat Chanukka zusammen. Die Botschaft liegt auf der Hand: Chanukka und jüdische Träume sind untrennbar miteinander verbunden. Wer ein bedeutungsvolles geistiges jüdisches Leben führen will, muss ein Träumer sein. Man muss eine grosse Vision seines eigenen Potentials und seiner Bedeutung für das jüdische Leben und Schicksal haben. Ohne diese Vision ist es schwer, die Botschaft der Chanukka-Lichter zu erfassen. Denn Chanukka erinnert nicht nur an unsere Vergangenheit – es leuchtet uns den Weg in die Zukunft. Es schenkt Hoffnung auf die Erfüllung unserer Träume und stärkt das Gefühl der Zuversicht – jüdischer Zuversicht –, dass alles gut werden wird: für uns wie für die ganze Menschheit.

Jehi Sichro Baruch – Möge sein Andenken zum Segen sein.

______________________________________________________________________________

Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

______________________________________________________________________________

Copyright © 2025 by Verein Lema'an Achai / Jüfo-Zentrum.

Zusätzliche Artikel und Online-Schiurim finden Sie auf: www.juefo.ch und www.juefo.com  

 Weiterverteilung ist erlaubt, jedoch nur unter korrekter Angabe der Urheber und des Copyrights von Autor und Verein Lema’an Achai / Jüfo-Zentrum.

Das Jüdische Informationszentrum („Jüfo“) in Zürich steht Ihnen für Fragen zu diesen Artikeln und zu Ihrem Judentum gerne zur Verfügung: info@juefo.com

 

Wir benötigen Ihre Hilfe

Der Verein Lema’an Achai ist eine non-profitable Organisation. Unsere Einnahmen rekrutieren sich ausschliesslich von Sponsoren. Deshalb sind wir um jede Spende dankbar.

Accessibility