Nissan/ Wajikra
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Gedanken zu Gimel Tamus

Gedanken zu Gimel Tamus

Gill Barnea, Düsseldorf

Was ist Gimel Tamus?
Gimel Tamus ist der dritte Tag des vierten Monats im jüdischen Kalender. Für die Chassidim (Anhänger) der Chabad-Bewegung ist es ein besonderes Datum, weil es zwei Ereignisse auf sich vereint:
– Am 3. Tamus 5687 (bzw. 1927) kam der sechste
Lubawitscher Rebbe (Rabbi Josef Jizchak
Schneerson; 1880-1950) aus der Haft frei, zu der
er wegen religiösem Aktivismus (Verbreitung von
Judentum im kommunistischen Russland)
verurteilt worden war. Obwohl er nach seiner
Haftentlassung in die Verbannung gezwungen
wurde, betonte sein Schwiegersohn und
Nachfolger, der siebte und letzte Lubawitscher
Rebbe (Rabbi Menachem Mendel Schneerson;
1902-1994), dieses Ereignis sei eine Atchalta
de’Ge’ula (Beginn der Erlösung) gewesen.
– Am 3. Tamus 5754 (bzw. 1994) verstarb der
Letztere – der siebte Lubawitscher Rebbe – und
wurde noch am selben Tag im Ohel (der Grabstätte seines Amtsvorgängers und Schwiegervaters in Queens / New York) beigesetzt.

Vor diesem Hintergund pflegen zahlreiche Anhänger der Chabad-Bewegung aus aller Welt, den Ohel an diesem Tag zu besuchen – oder auch einem Farbrengen (einer chassidischen Zusammenkunft) beizuwohnen, wo die Lehren eben jener Rebben wiederholt sowie weitere Bräuche befolgt werden, die speziell für diesen Tag festgelegt wurden.

Der letzte Lubawitscher Rebbe hat noch zu Lebzeiten – an der ersten Jahrzeit (dem ersten Todestag) seines Schwiegervaters – einen Brief verfasst, in dem er eine ganze Reihe von Empfehlungen auflistete, wie dieser Tag idealerweise zu begehen sei. Darin enthalten sind insbesondere spezielle Gebetsriten, Rezitation und Studium religiöser Texte, sowie die Ausübung guter Taten – wie etwa das Geben von Spenden und die Verbreitung der Lehren des (bzw. der) verstorbenen Rebben unter Verwandten und Angehörigen, aber auch unter jüngeren und weniger religiösen Juden. (1)

Im Folgenden seien – auf vielfachen Wunsch des Leserkreises – einige charakteristische Geschichten über den (letzten) Lubawitscher Rebben zusammengetragen:

Der jüdische Katholik
Beim Lubawitscher Rebben standen die Leute regelmässig Schlange, um einen Segen zu erhalten oder eine Frage zu stellen. Bei dieser Gelegenheit gab der Rebbe jedem Einzelnen einen Dollar-Schein.

Einmal kam ein Mann zum Rebben und sagte: „Ich bin Christ. Ich komme aus einer jüdischen Familie, doch im Alter von 29 Jahren bin ich zum Christentum konvertiert. Heute bin ich Katholik und schreibe diese Bücher [während der Mann dem Rebben ein christliches Buch zeigte].

Der Rebbe, der niemals einen Juden abwies – auch wenn dieser sich vom jüdischen Glauben abgewandt hatte, nahm das Gespräch auf und antwortete: „Ein Jude bleibt Zeit seines Lebens ein Jude und kann dies nicht ändern. Wer als Jude geboren wurde, kann nur sein Leben komplizierter und elender machen…“

Der Mann unterbrach den Rebben und wandte ein: „Mein heutiges Leben ist keineswegs ein elendiges Leben“ – worauf ihm der Rebbe antwortete: „Wenn jemand glaubt, dass seine Krankheit gesund ist, dann ist es nur ein Zeichen, dass seine Krankheit umso ausgeprägter ist und dringend eine Behandlung erfordert.“

Daraufhin erzählte der Mann fast entschuldigend, seine Eltern hätten ihn nie in eine Synagoge mitgenommen.
Doch der Rebbe erwiderte, dies sei keine Ausrede für einen gesunden Menschen, [spirituell] krank zu sein, nur weil es seine Eltern so wollten. Der Mann schwieg…

Der Rebbe segnete ihn, er möge das Verdienst haben, sein Judentum in aller Öffentlichkeit auszuleben und dies auch seinem Umfeld gegenüber zu bekennen. Der Mann habe einen grossen Fehler gemacht, doch der Ewige möge sich ihm gegenüber erbarmen, da Er auch die allergrössten Sünden imstande ist, zu verzeihen. Der Allmächtige möge ihm die Kraft geben, sich aus seiner schweren „Krankheit“ zu befreien!

Nach dem Segen gab ihm der Rebbe die Anweisung, sich nicht in Diskussionen darüber mit anderen Leuten einzulassen, denn er sei als Jude auf die Welt gekommen – und werde auch immer einer bleiben! Je schneller er all dies umsetzen werde, umso schneller werde Maschiach kommen! Der richtige Maschiach…

Der Mann, der sich nach wie vor in der Rolle eines christlichen Missionars wähnte, bot dem Rebben sein Buch als Geschenk an – und zu seiner grossen Überraschung willigte der Rebbe sogar ein, das Buch an sich zu nehmen. Nachdem der Rebbe es angenommen hatte und jener sich bereits anschickte zu gehen, sagte ihm der Rebbe: „Ich nehme es – denn das wird dich daran hindern, wenigstens diese eine Ausgabe keinem anderen Juden in die Hände zu geben und Schaden anzurichten.“ Nachdem der Mann fortging, warf der Rebbe das Buch seitwärts zu Boden.

Seitdem sind über 30 Jahre vergangen. Doch überraschenderweise wurde der Mann vor eingen Jahren
wieder gesichtet – und zwar in einer Schweizer Jeschiwa (Talmudschule), die die Chabad-Bewegung jeweils im Sommer in Lugano einrichtet! Da von seinem damaligen Gespräch mit dem Rebben eine bekannte Videoaufnahme existiert, identifizierten ihn seine Mitschüler – trotz seines fortgeschrittenen Alters sowie der Tallit (Gebetsmantel) und der Tefillin (Gebetskapseln/-riemen), die er zu diesem Zeitpunkt anhatte! (2)

Quellen:

(1) Shturem.org (2016). Customs on Gimmel Tamuz.
(2) Hidabroot.org (28.07.2015). Na’ama Grin:
„Hassof Ha-madhim schel Ha’Mumar sche’ssocheach
im Ha’Rabbi Mi’Lubawitsch – Das erstaunliche Ende
des abtrünnigen Juden, der mit dem Lubawitscher
Rebben sprach.“

Maschiach kommt…wirklich!
Der zehnjährige Sohn eines Rabbiners, der kein Chassid (Anhänger) des Lubawitscher Rebben war, erzählte seinem Vater von seiner Begegnung mit dem Rebben. Der Vater fragte: „Was hat der Rebbe dir gesagt?“ Der Sohn antwortete: „Dass der Maschiach sehr bald kommen werde!“ Der Vater hakte nach: „Aber was ist daran so neu? Habe ich dir nicht schon immer gesagt, dass wir an die Ankunft des Maschiach glauben und jeden Tag auf ihn warten?“ Der Junge antwortete: „Ja, aber der Rebbe hat es ernst gemeint!” (1)

Den „Termin“ vorverlegen
Ein Rabbiner aus Israel besuchte den Lubawitscher Rebben in New York und fragte ihn, was er den Leuten in seiner Heimat antworten sollte, falls sie ihn fragen, warum der Maschiach noch nicht gekommen sei. Der Rebbe antwortete: „Sage ihnen, sie sollen dafür beten, dass der Maschiach eine halbe Stunde früher kommt!“ (2)

Maschiach in Australien
Ein Schaliach (Gesandter) des Rebben aus Sydney kam nach New York und erzählte, dass die Juden in Australien daran glaubten, die Ersten zu sein, die das Licht des Maschiach erblicken würden. „Wer sagt das?“, fragte der Rebbe. Der Schaliach antwortete, dies sei nur ein Spruch, der sich so eingebürgert hatte. Der Rebbe antwortete: „Möge der Heilige, gelobt sei Er, dies als Psak Din (Richterspruch) akzeptieren! Und da die Juden in Amerika entschieden haben, dass sie ihrerseits die Ersten sein sollen, die den Maschiach empfangen, möge G-tt beide Dekrete gleichzeitig erfüllen!” (3)

Fachkräftemangel zu Maschiachs Zeiten
Eine Familie von Kohanim aus Miami, die vier Töchter hatte, reiste jedes Jahr zu einer Privataudienz (hebr. Jechidut) mit dem Lubawitscher Rebben in New York. Und jedesmal verlangten sie einen Segen, um einen Sohn zu bekommen – doch der Rebbe antwortete nie. Als sie sahen, dass der Rebbe nicht auf ihre Bitte einging, hörten sie auf, ihn danach zu fragen.

Eines Tages jedoch, als sie wieder beim Rebben zu Besuch waren, fragte sie dieser völlig unerwartet: „Und was ist mit Söhnen? Maschiach steht vor der Tür und wir brauchen dringend Kohanim, die im Tempel dienen!“ Im darauffolgenden Jahr wurde der Familie ein Sohn geboren… (4)

Ganz plötzlich Maschiach!
Zwei Chassidim des Lubawitscher Rebben unterhielten sich darüber, wie es sein würde, wenn der Maschiach käme. Sie standen im Treppenhaus von „770“ (dem New Yorker Hauptquartier der Organisation) und philosophierten über die Aussage des „Alten Rebbe“ (dem Begründer der Chabad-Bewegung), wonach der Schneider nähen, der Schuster Schuhe anfertigen würde – und plötzlich Maschiach käme…

Im selben Moment kam der Rebbe aus seinem Zimmer heraus und ging auf sie zu. Einer der Chassidim flüsterte dem anderen zu: „Siehst du, Maschiach wird ganz plötzlich eintreffen – genau so!“ Der Rebbe hörte diese Bemerkung und antwortete umgehend: „Genau so wird es sein!” (5)

Trauriger Fehler
Ein Jude aus Jerusalem, der von Natur aus immer fröhlich und gut gelaunt war, entschied sich, ein neues Paar Tefillin zu kaufen. Doch von jenem Tage an, als er seine neuen Tefillin anlegte, kippte schlagartig seine Stimmung – und er wurde unerklärlich depressiv. Sein Bruder war sehr besorgt darüber und schlug ihm vor, einen Brief an den Lubawitscher Rebben zu schreiben. Doch er wollte nichts davon hören, weil er dachte, dass ihm der Rebbe wahrscheinlich antworten würde, er müsse seine Tefillin überprüfen lassen – und schliesslich hatte er sie erst kürzlich von einem sehr g-ttesfürchtigen Schreiber erworben…

Zu guter Letzt liess er sich doch überreden, da er nichts zu verlieren hatte – und schickte dem Rebben den besagten Brief. Wie erwartet, erhielt er prompt die Antwort, er solle seine Tefillin kontrollieren lassen! Trotz der Warnung des Schreibers, dass es die neuen Tefillin beschädigen könnte, wenn man sie in diesem frühen Stadium öffnen würde, bestand er darauf, sie zu überprüfen. Als der Schreiber das Kopfteil öffnete, entdeckte er zu seiner Überraschung, dass anstelle des Wortes „Essew“ (Gras) das Wort „Ezew“ (Traurigkeit) drinstand! Der Fehler wurde sogleich behoben – und die Traurigkeit des Mannes verflog… (6)

Die letzte Träne
Ein israelischer Maler, Baruch Nachschon, kam zum ersten Mal nach New York, um dort seine Werke auszustellen – in der Bibliothek nahe des Wohnsitzes des Lubawitscher Rebben („770“). Gleich am Eingang der Ausstellung hing ein ausdrucksstarkes Gemälde mit dem Titel „Die letzte Träne“.

Der Rebbe, der die Ausstellung besuchte, fragte den Künstler: „Warum sind da so viele Tränen?“ – Der Maler antwortete: „In der Geschichte unseres Volkes sind so viele Tränen geflossen – doch diese hier ist die letzte!“ Der Rebbe fuhr fort, sich die Ansichten des Heiligen Landes anzusehen – von Berglandschaften nahe Chewron (Hebron) über Ansichten der Stadt Sch’chem (Nablus). Als der Rebbe fragte, ob diese Orte tatsächlich so aussahen wie sie gemalt waren, war seine Sehnsucht nach dem Heiligen Land förmlich zu spüren.

Eines der Bilder, die der Rebbe sah, war dasjenige eines Juden, der von übergrossen Feinden umzingelt war – und auf seinem Kopf war eine Kerze, die ein kraftvolles Licht ausstrahlte. Über diese spezifische Arbeit bemerkte der Rebbe: „Man sollte einen Muslim nicht grösser malen als einen Juden!“ (7)

Quellen:

Shmais.com (2016). A story of the Rebbe:
(1) #159 – “What the Rebbe Really Meant“
(2) #163 – “Half an Hour Earlier“
(3) #175 – “Moshiach in Australia“
(4) #164 – “Moshiach Is Coming and He Needs
Kohanim”
(5) #168 – “And Suddenly Moshiach Will Come?“
(6) #261 – “A Sad Mistake“
(7) #226 – “Do Not Draw a Muslim as Being Taller Than a Jew“
Translated from the Kfar Chabad Magazine.
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Die Bearbeitung dieses Wochenblatts erfolgte durch
Herrn Gill Barnea, Düsseldorf – barnea@me.com
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