Der Monat Elul – 1. Teil
(Aus Sefer Hatoda’a / Das Jüdische Jahr. Bearbeitet und ergänzt von S. Weinmann)
Elul
Elul ist der sechste Monat des Jahres, wenn man mit Nissan zu zählen beginnt. So heisst es in der Tora, bez. des Monats Nissan: “Hachodesch hase… dieser Monat sei euch der erste der Monate…” (Schemot 12, 1)
Allerdings nach der Berechnung des jüdischen Jahres, wenn wir mit dem Monat Tischri zu zählen beginnen, dann ist Elul der letzte Monat des Jahres.
Der Name “Elul” ist, wie die Namen aller anderen Monate, im babylonischen Exil entstanden. Unsere Weisen sagen: “Die Namen der Monate sind von den Rückkehrenden aus dem babylonischen / persischen Exil mitgebracht worden“.
Das Sternbild dieses Monats ist die Jungfrau. Eine Andeutung dafür, dass dieser Monat der Teschuwa / Rückkehr geweiht ist, wie es heisst: “Schuwi Betulat Jisrael…- kehre zurück, o Jungfrau Israels…” (Jirmijahu 31, 20).
Rosch Chodesch Elul hat zwei Tage, wobei der erste Tag Rosch Chodesch der dreissigste des vorangegangenen Monats Aw ist. Der Monat Elul hat 29 Tage.
„Jemej Razon“ – Tage des Wohlwollens und der Aussöhnung
Da Elul der letzte Monat des Jahres ist, vor Rosch Haschana, dem Tag des Gerichts aller Geschöpfe, setzte man ihn als Monat der Rückkehr zu G”tt fest. Es ist der Monat, in dem man Gebete der Busse an G”tt richtet und um Erbarmen fleht.
Schon seit frühesten Zeiten tragen diese Tage den Charakter der Aussöhnung zwischen G”tt und Israel. Als das Volk in der Wüste die Sünde des Goldenen Kalbes begangen hatte, und die Gesetzestafeln zerbrochen wurden, stieg Mosche auf den Berg Sinai. Er warf sich vor G”tt nieder und bat um Erbarmen und Verzeihung für das Volk. Der Heilige, gelobt sei Er, erhörte sein Gebet und sprach zu ihm: „Haue dir zwei steinerne Tafeln, wie die ersten waren, dass ich die Worte darauf schreibe, die auf den ersten Tafeln waren, welche du zerbrochen hast. Und sei morgen bereit, dass du früh auf den Berg Sinai steigest…” (Schemot 34, 1-2) Mosche stieg am Rosch Chodesch Elul auf den Berg und verweilte dort vierzig Tage lang, bis zum 10. Tischri. Am zehnten Tischri brachte er die zweiten Tafeln, die G”tt den Benej Jisrael gegeben hatte, in Güte und Freude herunter. Diese vierzig Tage wurden von da an als Tage des g”ttlichen Wohlwollens, der Rückkehr zu Ihm und der Versöhnung für die kommenden Generationen festgelegt und der 10. Tischri als Jom Kippur / Tag der Versöhnung fixiert.
Zwar ist die Rückkehr zu G”tt zu jeder Zeit willkommen, doch sind die Elul-Tage besonders günstig für die Teschuwa – die Rückkehr zu G”tt. In
diesen Tagen wird G”ttes Bereitschaft offenbar, Seine Hand erbarmungsvoll denen zu reichen, die zu Ihm zurückkehren wollen.
In diesen Tagen der Teschuwa werden vermehrt Gebete des Flehens um Vergebung gesagt. Mancherorts pflegt man während des ganzen Monats Elul in aller Frühe aufzustehen, um die Selichot-Gebete zu sagen. Ausgenommen sind Rosch Chodesch- und Schabbattage, da an ihnen nicht um Erbarmen gefleht wird. In manchen Gegenden beginnt man mit den frühmorgendlichen Selichotgebeten am 15. Elul. In aschkenasischen Gemeinden ist es jedoch Brauch, mit den Selichot erst am Sonntag der Woche, in die Rosch Haschana fällt, zu beginnen. Fällt aber Rosch Haschana auf einen Montag oder einen Dienstag, beginnt man mit den Selichotgebeten bereits am Sonntag der vorherigen Woche. Rosch Haschana fällt nie auf einen Mittwoch. Das bedeutet, dass die Selichotgebete mindestens vier Tage lang gesprochen werden (wenn Rosch Haschana am Donnerstag ist).
Die Festsetzung von minimum vier Tagen für die Selichotgebete hat folgenden Grund: Bei frommen Menschen ist es Brauch, zehn Tage vor Jom Kippur zu fasten. Da die Asseret Jemej Teschuwa – die zehn Busstage, von Rosch Haschana bis Jom Kippur – vier Tage enthalten, an denen nicht gefastet werden darf, nämlich beide Tage Rosch Haschana, Schabbat Schuwa und Erew Jom Kippur, werden stattdessen die vier Tage vor Rosch Haschana für das Fasten eingesetzt.
Es gibt noch einen weiteren Grund für das Festlegen von mindestens vier Selichottagen: Bekanntlich müssen alle Opfer die im Heiligtum dargebracht werden, während vier Tagen vor der Darbringung genauestens kontrolliert werden, ob sie vollkommen frei von Fehlern sind. Bei allen Feiertagsopfern in Paraschat Pinchas (Bamidbar 28,11 – 29,39) steht: „Wehikrawtem…- Ihr sollt darbringen…“ Eine einzige Ausnahme bildet der Ausdruck bei den Opfern von Rosch Haschana. Dort drückt sich die Tora wie folgt aus: Wa’assitem… – Ihr sollt machen…“ Unsere Weisen beziehen diesen Ausdruck auf die eigene Person – ihr sollt euch selbst als Opfer machen. Der Mensch soll so handeln, als sei er selbst ein Opfer vor G”tt. Deshalb muss der Mensch sich selbst wie das Opfertier während minimum vier Tagen vor Rosch Haschana genauestens kontrollieren, ob er vollkommen frei von Sünden sei. Deshalb werden mindestens vier Tage vor Rosch Haschana Selichotgebete gesprochen. Um jedweden Irrtum zu vermeiden beginnt man mit dem Selichot-Sagen immer am ersten Tag der Woche, am Sonntag. Demzufolge werden die Selichot-Liturgien 4, 6, 7 oder acht Tage lang vor Rosch Haschana gesagt.
Der Name “Elul” – Andeutungen und Hinweise
“Ani LeDodi weDodi li – ich wende mich meinem Liebsten zu, und mein Liebster wendet sich mir zu” (Schir Haschirim 6, 3). Die Anfangsbuchstaben dieser Wörter: Alef-Lamed-Waw-Lamed ergeben “Elul”.
Dieser Monat fordert zur Annäherung zu G”tt auf, zu dem “Geliebten”, dem Heiligen, gelobt sei Er. Der Mensch besinnt sich zur Rückkehr zu G”tt – zur Teschuwa – und auch G”tt reicht dem Menschen versöhnend Seine Hand. Eine Andeutung dafür, dass wir in unserem Gebet G“tt sehr nahe sind.
Die vier Wörter des zitierten Verses enden alle mit einem “Jud” – dem Buchstaben, der den Zahlenwert 10 hat. 4 X 10 = 40. Es ist dies eine Andeutung für die 40 Tage, eine Zeit, die für Teschuwa festgesetzt ist, nämlich von Rosch Chodesch Elul bis Jom Kippur.
“Umal Haschem Elokecha Et Lewawcha we’et Lewaw Sarecha – Es wird der Ewige, dein G”tt dein Herz und das Herz deiner Nachkommen beschneiden” (Dewarim, 30, 6). Wiederum ergeben die Anfangsbuchstaben der bezeichneten Wörter “Elul’. Im Monat Elul wird dem Menschen g”ttliche Hilfe zur Teschuwa geschenkt.
“Umischloach Manot Isch Lere’ehu Umatanot La’ewjonim – es sendet einer dem anderen Geschenke und man gibt Gaben für die Armen” (Megillat Ester 9, 22). Hier sind wiederum die Anfangsbuchstaben der bezeichneten Wörter ein Hinweis auf “Elul”, denn im Monat Elul soll man den Armen mehr “Zedaka – Gaben” geben.
Dies ist, was wir in unseren Gebeten an den hohen Feiertagen fortwährend wiederholen: „Teschuwa, Tefila uZedaka ma’awirin et Ro’a haGesera – Rückkehr zusammen mit Gebet und Wohltätigkeit, mildert die Härte des g”ttlichen Urteils beim Gericht!“.
„Elul“ bedeutet in der aramäischen Sprache: Suchen / Kontrollieren / Erforschen / Auskundschaften. Wie es in Bamidbar (13, 2) heisst: “Wejaturu et Erez Kena’an… – sie sollen das Land Kena’an auskundschaften / erforschen.” Die aramäische Übersetzung von Onkelos lautet “Wije‘alelun jat Ara”. Wieder ein Hinweis auf “Elul”, der die Bedeutung von “erforschen” in sich birgt. Der Monat Elul soll ja ein Monat des Erforschens des eigenen Inneren sein, da man während dieses Monats die Taten des vergangenen Jahres betrachtet, sich seiner Sünden bewusst wird, sie aus seinem Herzen entfernt und zu G”tt zurückkehrt.
Das Schofarblasen
Vom zweiten Tag Rosch Chodesch Elul an bis Erew Rosch Haschana bläst man jeden Tag nach dem Morgengebet vier Schofartöne: Tekia. Schewarim. Terua. Tekia.
Dieses Schofarblasen ist von der Tora nicht vorgeschrieben, es ist ein “Minhag Jisrael” – ein Brauch. Als Mosche Rabbejnu am Rosch Chodesch Elul auf den Berg Sinai stieg, um die zweiten Gesetzestafeln zu erhalten, wurde im Lager Schofar geblasen, um allen Kindern Israels zu verkünden, dass Mosche in die Höhen gestiegen war, damit sie nicht noch einmal den Irrtum begehen, Götzen zu dienen. So ist der Brauch entstanden, an Rosch Chodesch Elul Schofar zu blasen, um sich an den Aufstieg Mosches zu erinnern, und um zu verkünden, dass sie die Sünde des Goldenen Kalbes bereut haben, dass ihnen verziehen worden ist, und dass ihnen am Ende von vierzig Tagen die zweiten Tafeln mit G”ttes Wohlwollen gegeben wurden. Die Erinnerung an diese Ereignisse muntern den Menschen zur Rückkehr auf.
Es wird nur nach dem Morgengebet Schofar geblasen, denn Mosche war am frühen Morgen auf den Berg gestiegen. Es gibt Gemeinden, die auch nach dem Abendgebet Schofar blasen. (Rabbi Mosche Isserles – Anmerkung der Übersetzerin.)
Man bläst während des ganzen Monats, um auf den Tag des Gerichts hinzuweisen, der sich nähert, und so die Menschen zur Rückkehr zu bewegen.
Dies ist das Charakteristische des Schofartons. Er soll aufrütteln und bis ins Innerste unseres Herzens dringen. So sagt auch der Prophet Amos (3, 6): “Im jittaka Schofar Be’ir WeAm lo jecheradu… – Wenn in der Stadt in den Schofar geblasen wird, sollte das Volk dann nicht erzittern?” Der Schofarton verkündet: “Wachet auf, ihr Schlafenden, lasst euch erwecken aus eurem Schlummer, überprüfet eure Taten und kehret reuig zurück.” (Rambam)
Am Vortag von Rosch Haschana wird nicht Schofar geblasen, damit klar zum Ausdruck kommt, dass das Schofarblasen im Elul ein von den Weisen angeordneter Minhag – Brauch -, das Schofarblasen am Rosch Haschana jedoch eine Vorschrift der Tora ist.
Minhagim – Bräuche des Monats Elul
Vom zweiten Tag des Monats Elul an, bis Hoschana Rabba wird in aschkenasischen Gemeinden nach dem Morgen- und Abendgebet der Psalm 27 gesagt: “G”tt ist mein Licht und meine Rettung…”. Dieser Brauch hat seinen Ursprung im Midrasch: “G”tt ist mein Licht – am Rosch Haschana, und meine Rettung – am Jom Kippur. Weiter heisst es (ibid 5): “Denn Er wird mich in Seiner Sukka schützend bergen…”, dies deutet auf Sukkot hin. (Nach dem Brauch des Ari sagt man diesen Psalm nach dem Morgen- und Minchagebet.)
Mancherorts ist es üblich, nach dem gemeinsamen Gebet auch andere Psalmen zu rezitieren, zehn oder mehr, je nach dem Brauch der Gemeinden.
Wenn man im Monat Elul seinen Freunden Briefe schreibt, sollten am Anfang oder am Ende des Briefes die kommenden Hohen Feiertage erwähnt werden, indem man um Erbarmen bittet und auch gute Wünsche zum Ausdruck bringt: Man möge in den kommenden Tagen des Gerichts in das Buch des guten Lebens eingeschrieben werden.
Man pflegt auch, in diesem Monat die Tefillin untersuchen zu lassen, sowie auch die Mesusot, die sich an den Türen des Hauses befinden. Entdeckt man darin einen Schaden oder einen Fehler, so muss eine Korrektur vorgenommen werden.
Es gibt einen Minhag, der einst von “Rischonim”- Dezisoren, die dem Verfasser des “Schulchan Aruch”, Rabbi Josef Karo vorausgingen – eingeführt wurde. Während des Monats Elul ruft der Schamasch in der Synagoge aus: “Schuwu Banim Schowawim… kehret zurück, ihr abtrünnigen Söhne…” (Jirmijahu 3, 14).
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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich
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