Elul/ Paraschat Nizawim
Elul/ Paraschat Nizawim

Gedanken zum Monat Elul

Gedanken zum Monat Elul

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Gedanken zum Monat Elul von Herrn Gill Barnea

Was ist Elul?

Rabbi Mosche Schwab, s.A. (1918-1979; Maschgiach / geistiger Aufseher der Gateshead Yeshiva) schreibt: „Mit der Ankunft des Monats Elul, sehen wir der Frage entgegen: Was ist eigentlich Elul? Inwiefern ist dieser Monat anders als alle anderen Monate?“ Rabbi Jisrael Salanter, s.A. (1810-1883; Gründer der Mussar/Ethik-Bewegung), sagte: „Jeder Monat sollte Elul sein, doch Elul ist Elul.“ Rabbi Schwab erklärt: Das ganze Jahr über sollte sich ein Mensch verhalten, wie man es an Elul zu tun versucht. Zumindest aber sollte man sich an Elul selbst bewusst sein, dass dieses Leben – materiell und spirituell – in der Schwebe hängt. Dies trifft auf einen selbst zu, aber auch auf unsere Angehörigen und auf jedes einzelne Mitglied des jüdischen Volkes.

Elul ist die Zeit, sich auf Rosch Haschana und Jom Kippur vorzubereiten – jenen Tagen, an denen wir gerichtet werden. Wir verstehen, dass alles, was geschehen wird – auf persönlicher oder gesellschaftlicher Ebene – von diesen Tagen abhängt. Insofern kann man nicht einfach ins Rosch Haschana „hineinhüpfen“. Man muss sich darauf vorbereiten. Auf dem gleichen Niveau, wie man sich darauf vorbereitet, so wird man es auch erleben. Oder umgekehrt: Genau wie man es (im nega-tiven Fall) auf die leichte Schulter nimmt, sich auf Rosch Haschana vorzubereiten, genauso „bedeutungslos“ wird Rosch Haschana an einem vorüberziehen!

Ein Mensch, der weiss, dass er in ferner Zukunft einen Gerichtstermin hat, mag sein Leben davon nicht ein-trüben lassen. Doch je näher das Datum heranrückt, umso mehr beginnt der Angeklagte, sich darauf zu fixieren. Genauso sollten wir auf Elul schauen. Das ganze Jahr über wissen wir, dass Rosch Haschana in der fernen Zukunft stattfindet – und wir ignorieren es. Wenn aber Elul kommt, ist es Zeit, sich auf unseren heran-nahenden Gerichtstermin einzustimmen. Unsere Weisen (hebr. Chasal) sagen, dass an Rosch Haschana „jedes lebende Geschöpf vor den Allmächtigen treten muss.“ Damit ist tatsächlich jedes einzelne Geschöpf gemeint – ohne Ausnahme!

Quelle:   Torah.org (5773 / 2013). Parshas Shoftim. 

Rubrik „Hama’ayan“ (erster Beitrag): What is Elul?

Nach „Ma’archej Lew“, Band 1, Seite 57.

Das Geschenk der Umkehr

Es heisst im Talmud, dass Noach und seine Nach-kommen nur sieben Gebote von G-tt erhalten haben – und die kleinste Übertretung auch nur eines dieser Gebote die Todesstrafe nach sich zieht. Im Gegensatz dazu, haben die Kinder Israels 613 Mizwot (Ge- und Verbote) erhalten, von denen die meisten – im Falle ihrer Übertretung – nicht mit der Todesstrafe geahndet werden. Darüber hinaus hat uns G-tt ein Geschenk gemacht: die Möglichkeit der Teschuwa (Umkehr).

Rabbi Mosche Mi’Tirani (der „Mabit“; 16. Jahrhundert) schreibt, dass die Möglichkeit der Teschuwa genau aus dem Grund existiert, weil wir eben so viele Mizwot haben! Es ist nahezu unmöglich, komplett durchs Leben zu gehen, ohne jemals ein g-ttliches Gebot zu übertreten. Auf diese Tatsache wird auch in den zahlreichen Versen hingewiesen (z.B. Dewarim 30:2, Hoschea 14:20), die den g-ttlichen Namen „Elokim“ erwähnen – wo Seine Eigenschaft der „buchstabengetreuen“ Gesetzesaus-legung (hebr. Midat Ha’Din) in Verbindung mit Teschuwa erwähnt wird. Die Teschuwa wurde von G-tt geschaffen, weil die grosse Anzahl der Gebote ansonsten fast zwangsläufig dazu führen würde, dass uns die Strenge der g-ttlichen Justiz ereilt.

Dennoch verspricht die Thora [Dewarim 30:2]: „Ihr werdet zu Haschem, eurem G-tt, umkehren und Seine Worte beachten.“ Verwendet nicht die Komplexität, die mit der Einhaltung der Mizwot einhergeht, als Vorwand! Wenn ihr wollt, dass eure Teschuwa „zählt“, dann müsst ihr G-ttes Wort ernsthaft beherzigen und euer Bestes tun, die Mizwot fortan einzuhalten. Der Talmud lehrt sogar explizit, dass ein Mensch, der sich sagt: „Ich kann ja sündigen, denn Haschem wird mir schon vergeben“, keine Vergebung erlangen wird!

Quelle: Torah.org (5772 / 2012). Parshas Ki Seitzei.

               Rubrik „Hama’ayan“ (letzter Beitrag).

Nach „Bejt Elokim: Scha’ar Ha’Teschuwa“, Kapitel 1.

Wer den ersten Schritt machen muss

„Haschiwejnu Haschem Ejlecha we’Naschuwa… Bringe uns zurück zu Dir, Haschem, und wir werden zurückkehren (bzw. umkehren)...“ [Rolle Ejcha, 5:21].

Das Volk Israel wendet sich an den Ewigen: Alles, worum wir bitten, ist g-ttliche Unterstützung. Wenn Du den ersten Schritt machst und uns näher zu Dir bringst, dann werden wir von unseren Sünden umkehren und Dir vollen Herzens dienen.

Der Midrasch erklärt, dass es gewissermassen einen fortlaufenden Disput zwischen dem Ewigen und seinem Volk Israel gibt. Der Ewige besteht darauf, dass sein Volk den ersten Schritt macht: „Schuwu elaj we’Aschuwa alejchem – Kehrt [zuerst] um zu mir, und ich werde [anschliessend] zu Euch zurückkehren [Malachi 3:7].“ Keine der beiden Seiten gibt nach – und so geht der Disput immer weiter… 

Rabbi Jisrael Hofstein, s.A. (1744-1823; der Maggid von Koschnitz) erklärt, dass wir aus diesem Grund in der Rolle Ejcha [5:20] sagen: „Lama la’Nezach tischka-chejnu? – Weshalb, um des Sieges willen, vergisst Du uns, Deine Kinder? Wen besiegst Du? Deine närrischen, sturen Kinder? Mache uns bitte nur dieses eine Mal ein Zugeständnis! – "Haschiwejnu Haschem ejlecha we Naschuwa – Bringe uns zurück zu Dir, Haschem, und wir werden umkehren!“

Ibn Esra übersetzt das Wort „Haschiwejnu“ (Bringe uns zurück) im physischen Sinne: Bringe uns zurück in die Stadt [Jerusalem], die Wohnstätte Deines Heiligen Namens, und wir werden den Dienst an Dir fortsetzen wie zuvor!

Quelle: The Complete Tishah B’Av Service (1991). 

Tishah B’Av Eve. The Book Of Eichah/Lamentations.

Kommentar zur Rolle Ejchah, Seite 47, Fussnote 21.

Artscroll Mesorah Series. Brooklyn, New York.

Ein rührender Neujahrsgruss

Reb Dovid, ein amerikanischer Jude, der wenige Wochen vor Rosch Haschana in Erez Jisrael weilte, besuchte einmal Rabbi Michel Jehuda Lefkowitz, s.A. (langjähriges Oberhaupt der Ponevezher Jeschiwa in Bnej Brak), um von ihm einen Segen zu bekommen. Reb Dovid erklärte Rabbi Lefkowitz, dass er bald nach Amerika zurück-kehren werde und er ihm schon jetzt ein gutes, neues Jahr wünschen wollte, da er ihn wahrscheinlich bis Rosch Haschana nicht mehr sehen würde. Als Rabbi Lefkowitz die Worte „Rosch Haschana“ hörte, begann er zu weinen. Die alleinige Erwähnung dieses heiligen Tages und das Bewusstsein darum, dass er unmittelbar heranrückte, rührte diesen Zaddik zu Tränen!

Quelle:   Goldberg, Mattis (2006). Gedolei Yisroel –

Portraits of Greatness. Feldheim Publishers

Chassidische Geschichten

zum Thema „Teschuwa“ (Umkehr)


Eine Bauernweisheit


Im Monat Elul war Rabbi Mordechai von Lechowitz unter-wegs. In Krezim musste sein Fuhrmann stoppen, um die Pferde ruhen zu lassen. Da hörte er, wie ein alter Bauer seinen jungen Gehilfen anspornte und sagte: „Komm, wir müssen uns heute anstrengen, denn dieser Monat ist der Monat der Waage für das ganze Jahr. Wenn wir jetzt faulenzen, werden wir das ganze Jahr Hunger leiden!“ Rabbi Mordechai rief daraufhin seine Begleiter und sagte: „Meine lieben Brüder! Höret, was dieser Mann sagt – der Monat Elul ist für das ganze Jahr massgeblich; wenn wir jetzt im Dienste des Allmächtigen faulenzen, wird uns das ganze Jahr nichts Gutes bringen!“


Spiel ohne Umkehr

Als Rabbi Jechiel Me’ir von Gustinin ein kleiner Junge war, wollte er Schach spielen lernen. Als man ihm sagte, eine der Spielregeln sei, dass man einen Zug nicht rückgängig machen dürfe, wollte er von diesem Spiel nichts mehr wissen. – „Ein Jude kann nicht etwas gutheissen, bei dem keine Umkehr möglich ist“, sagte er.


Erkenntnis eines Uhrmachers

Rabbi Jerachmiel von Pschis’cha erzählte: „Als ich den Beruf des Uhrmachers erlernte, stellte ich fest, dass eine ansonsten perfekte Uhr, in der nur eine winzig kleine Feder verbogen ist, nicht geht. Biegt man diese winzige Feder zurecht, wird die Uhr sofort wieder gehen...“


Ein geübter Reiter

Ein Chassid beklagte sich bei Rabbi Zwi Elimelech von Dynow: „Ich spüre, dass ich von meiner geistigen Höhe heruntergekommen bin und weiss nicht, was ich ver-brochen habe, dass mir dies passieren musste!“ - Der Rabbi antwortete: „Nur ein Berg bleibt immer (konstant) hoch. Ein Reiter jedoch muss nicht nur reiten können; er muss auch wissen, wie man fällt und sich wieder aufrichtet, sonst ist er kein geübter Reiter!“

Er kommt näher

Ein Mann kam zu Rabbi Awraham von Slonim und klagte: „All meine Tage übe ich Umkehr – und dennoch fühle ich in mir keine Besserung. Was soll nur aus mir werden?“ – Der Rabbi antwortete: „Ich verrate dir ein Geheimnis: Ein Mann ist in einen Sumpf geraten und bemüht sich herauszukommen. Er tritt in den Schlamm, seine Füsse werden weiter schmutzig – doch seine Mühe ist nicht umsonst, denn er nähert sich dem sauberen Weg!“


Umkehrern eine Chance

„Die Welt ist nicht schlecht und das deutliche Zeichen dafür ist, dass sie einen sündigen Menschen wie mich duldet“, sagte Rabbi Levi Jizchak von Berditschew (in seiner unendlichen Bescheidenheit).


Zeichen der Vergebung

Man fragte Rabbi Bunim von Pschis’cha: „Heutzutage, wo es keine Propheten mehr gibt – woher wissen wir, ob G-tt unsere Sünden verziehen hat?“ – Er antwortete: „Ich gebe euch ein deutliches Zeichen dafür: Wenn wir die-selbe Sünde nicht wiederholen!“


Fasten unnötig

Rabbi Schlomo von Karlin sagte: „Ein Mensch, der Teschuwa macht (also von seinen Sünden umkehrt), braucht auf keinen Fall zu fasten. Ist er auf den geraden Weg noch nicht zurückgekehrt, dann hilft ihm auch das Fasten nicht. Ist er bereits zum geraden Weg zurück-gekehrt, dann ist es auch in Ordnung, dass er isst."


Ohne Ende

Man fragte Rabbi Jizchak von Wurki: „Warum sind die Sünden im Bussgebet alphabetisch geordnet?“ – Seine Antwort: „Sonst würde die Liste unserer Sünden nie ein Ende nehmen!“


Quelle: Spezialausgabe Nr. 22

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Die Bearbeitung der Gedanken dieser Woche erfolgte durch Herrn Gill Barnea, Düsseldorf – barnea@me.com

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