Wer weiss, warum wir "Eins – wer weiss es" singen?
Rav Frand zu Pessach / zur Seder-Nacht 5785
Ergänzungen: S. Weinmann
Es gibt eine Reihe von "Liedern" am Ende des Pessach-Seders (Ich hasse es, sie einfach "Lieder" zu nennen, weil sie alle grosse Botschaften vermitteln und gewichtige Anspielungen enthalten. Der Wilnaer Gaon schrieb einen ganzen Kommentar auf "Chad Gadja" (‘ein kleines Lämmchen’), also sind sie sicherlich mehr als nur "Lieder".) Eines der letzten ist die beliebte Komposition "Echad mi jodea" ("Eins – wer weiss es"?)
Es gibt einen fundamentalen Ramban am Ende von Paraschat Bo (13:16). Ich betrachte mich selbst nicht als Experte der Ramban-Erklärungen, aber ich denke, dass dieser Ramban, wenn er vielleicht auch nicht der wichtigste Ramban im Sefer Schemot ist, er sicherlich zu den "wichtigsten Drei" gehört. In einem ausführlichen Kommentar erklärt der Ramban dort, warum es so viele Mizwot gibt, die als "Secher leJeziat Mizrajim" (in Erinnerung an den Auszug aus Ägypten) bezeichnet werden.
Der Ramban erklärt in wunderschöner Weise, dass der Zweck von Wundern das Zersprengen von Gerüchten ist, dass es (G"tt bewahre) keinen G"tt gibt oder dass es einen G"tt gibt, der jedoch nicht weiss, was in dieser Welt vorgeht, oder dass es einen G"tt gibt, der vielleicht weiss, was in dieser Welt vorgeht, sich jedoch nicht dafür interessiert, was in dieser Welt geschieht. Dies war die Philosophie der Ägypter. Sie leugneten entweder die Existenz G"ttes, oder sie leugneten die G"ttliche Vorsehung. Deshalb vollbrachte G"tt offene Wunder, welche die "Naturgesetze" umstiessen, um ein für alle Mal festzulegen, dass Er der Herr aller ist und dass Er weiss, was Menschen tun, und dass Er sich dafür interessiert, was sie tun, und dass Er Menschen, die Ihm nicht gehorchen, bestraft, und diejenigen, die auf Ihn hören, belohnt.
Der Ramban erklärt, dass Haschem, indem Er der Menschheit offene Wunder zeigt, uns beweist, dass unser gesamtes Leben übernatürlich ist. "Durch die offenen Wunder kommt man zur Erkenntnis, dass unser ganzes Leben von Wundern besteht. Das Leben selbst ist ein Wunder. Dies ist das Fundament der ganzen Tora!" Der Ramban erklärt unmissverständlich, dass ein Mensch, der abstreitet, dass G"tt dauernd geheime Wunder (Nissim Nistarim) vollbringt, und es "absolut keine Natur und keinen Zufall" gibt, "keinen Anteil an der Tora von Mosche Rabbejnu hat".
Aus diesem Grund gibt es laut dem Ramban schwere Strafen für das Verletzen der Gesetze des Jomtows Pessach. Ein Mensch, der am Pessach Chamez isst, ist ‘chajaw Karet’ (erhält die Strafe, von seinem Volk ‘ausgerottet’ zu werden, d.h. jünger stirbt und keinen Anteil am künftigen Leben hat); ebenso war ein Mensch, der das Korban Pessach (Pessach-Opfer) nicht brachte, als der Tempel stand, ‘chajaw Karet’. Dieser Jomtow beinhaltet die Grundlagen unseres Glaubens. Dies ist, um was es sich beim Auszug aus Ägypten handelt.
Das letztendliche Ziel des Lesens der Haggada jedes Jahr in der Sedernacht ist es, den Seder als stärkerer Gläubiger zu verlassen. Die vier Fragen der ‘Ma Nischtana’, die Antwort darauf, die Fragen der vier Söhne, mit allen verschiedenen Interpretationen, und alles andere, was wir sagen, ist alles sehr schön, aber das Entscheidende der gesamten Seder-Erfahrung ist, dass wir an Ende der Nacht mehr Emuna (Glauben an G"tt) haben sollten.
Uns allen ist der Begriff von Assoziationen von Wörtern bekannt. Wenn ich "Tag" sage, fällt mir welches Wort ein? "Nacht". Wenn ich "schwarz" sage, sagst du "weiss"; wenn ich "Gabel" sage, sagst du "Messer". Diese Assoziationen von Wörtern kommen einem automatisch in den Sinn.
Der Seder sollte uns gewisse automatische Wort-Assoziationen einflössen. Wenn wir das Wort "Echad" (eins) hören, sollte unsere automatische Reaktion "Echad Elokejnu schebaSchamajim uwaArez" sein (Einer ist unser G"tt im Himmel und auf der Erde"). Wenn wir das Wort "zwei" hören, denken wir an die zwei Steintafeln. "Drei?" Die drei Patriarchen. "Vier?" Die vier Matriarchinnen. "Fünf?" Die fünf Bücher der Tora. Dies heisst, dass wir in der Sedernacht so auf Emuna (Glauben) in den Ribbono schel Olam (Herr der Welt) ausgerichtet sind, dass unsere Wort-Assoziationen so fest verdrahtet werden, dass alles, was wir hören, uns die grundsätzlichen Komponenten des Judentums in Erinnerung rufen.
Dies ist der Grund, warum wir am Ende des Seders diese bekannte Komposition "Eins – wer weiss es"? vortragen. Es macht uns nach einer ganzen Sedernacht, Mazza und Wein deutlich, dass wir grössere Gläubige werden müssen. Vielleicht bedeutet uns die Zahl sieben in anderen Nächten des Jahres andere Dinge, aber in der Seder-Nacht bedeutet die Zahl sieben "Sieben Tage des Schabbat-Zyklus", und die Zahl acht bedeutet "Acht Tage zur Beschneidung". Dies ist die natürliche Wörter-Assoziation eines wahren Gläubigen, und dies ist, was die Seder-Erfahrung erzielen sollte.
Quellen und Persönlichkeiten:
Ramban: Akronym von Rabbi Mosche ben Nachman – "Nachmanides" (1194 - 1270); Gerona, Spanien; Erez Jisrael. Er war einer der führenden Tora-Gelehrten (Rischonim) und Kabbalisten des Mittelalters, einer der Haupterklärer des Chumasch (fünf Bücher Moses), wie Verfasser weiterer Werke in Haschkafa (Kitwej haRamban) und Abhandlungen zum Talmud.
Wilnaer Gaon, Gaon von Wilna: Rabbi Eljahu ben Schlomo Salman von Wilna (1720 - 1797), Wilna; Torahgenie, war ein bereits zu seinen Lebzeiten hoch geschätzter vielseitiger jüdischer Gelehrter. Er gilt als Inbegriff des aschkenasischen Judentums litauischer Prägung. Er schrieb mehr als 70 Kommentare zu Tora, Talmud, Kabbala und Halacha. Sie befassen sich mit einem breiten Spektrum religiöser und gesellschaftlicher Fragen und sind Standardwerke jüdischer Gelehrsamkeit.
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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich
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