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Jehudas plötzliche Kehrtwendung – Analyse der ersten Verse von Paraschat Wajigasch 5785

Was führte zur plötzlichen Kehrtwendung Jehudas?

Was führte zur plötzlichen Kehrtwendung Jehudas?
Foto: AI Avigail

Wochenabschnitt Paraschat Wajigasch: Jehudas plötzliche Kehrtwendung - Analyse der ersten Verse von Paraschat Wajigasch

Rav Frand zu Paraschat Wajigasch 5785 – Beitrag 1

Ergänzungen: S. Weinmann

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Am Ende der letztwöchigen Parascha (Mikez) wird Binjamin "mit gestohlenen Waren auf frischer Tat ertappt". Natürlich war dies eine List, aber die Brüder realisierten es in jenem Moment nicht. Im Passuk steht: "Und Jehuda sprach (zu Josef): 'Was sollen wir dir, Herr, sagen? Was sollen wir reden? Wie sollen wir uns rechtfertigen? G-tt hat die Sünde deiner Diener heimgesucht. Hier sind wir: Wir wollen dir Sklaven sein, Herr, wir wie auch derjenige, in dessen Händen der Becher gefunden wurde'" (Bereschit 44:16). Josef aber antwortete: "Fern sei es von mir, solches zu tun! Der Mann, in dessen Besitz der Becher gefunden wurde, soll mein Sklave sein; und was euch betrifft, so zieht in Frieden zu eurem Vater hinauf" (Bereschit 44:17).

Diese Erklärung Jehudas "Was sollen wir sagen? Wie können wir sprechen? Wie sollen wir uns rechtfertigen?" ist seinerseits ein Akt der tiefen Reue. "Wir sind deine Sklaven. Ihr habt uns auf frischer Tat ertappt!" Er hätte nicht reuevoller sein können. Dies ist das Ende von Paraschat Mikez.

Dann, zu Beginn von Paraschat Wajigasch, scheint Jehuda plötzlich ein ganz anderer Mensch zu sein. "Möge dein Zorn nicht gegen deinen Diener entflammen" (Bereschit 44:18). Raschi zur Stelle sagt: "Daraus lernen wir, dass Jehuda in scharfem Ton zu Josef sprach". Zwei Pessukim früher sprach Jehuda seine tiefe Reue aus. Jetzt ändert er plötzlich seinen Ton und spricht streng mit Josef! Was verursachte diese plötzliche Veränderung?

Der Or Hachajim Hakadosch erklärt (Ende Mikez), was geschehen war. Bis jetzt fühlten die Brüder, dass all die Geschehnisse ihnen als Folge einer G"ttlichen Strafe geschah. Haschem zahlte ihnen zurück für die Art und Weise, wie sie mit Josef vorgegangen waren. "Awal Aschemim anachnu…" (Sieht, wir sind schuldig, jetzt müssen wir büssen, was wir unseren Bruder angetan haben…) (Bereschit 42:21). Sie fühlten, dass das Ganze von Haschem gelenkt wird ("Me'ejt Haschem hajta sot…", Tehillim/Psalm 118:23). Jetzt sagt Josef plötzlich: "Nein, Ihr seid frei. Es ist der jüngste Bruder, Binjamin, der mein Sklave sein wird." Als Folge dieser Worte musste ihre frühere Erklärung der Ereignisse, die sie erlebten, neu überdacht werden.

Jehuda sagte: "Einen Moment mal! Dies kommt nicht vom Ribbono schel Olam (Herr der Welt). Dies kann keine Strafe für unsere Tat sein, weil gerade Binjamin in diesem Vorfall überhaupt nicht involviert war. Warum also geschieht dies? Es muss nur wegen der Abnormität des ägyptischen Regenten sein. Ich werde ihm meine Meinung sagen!" Dies ist die grosse Veränderung, die hier geschehen war.

Der Wilnaer Gaon bringt eine interessante Einsicht zum Passuk "Wajigasch ejlaw Jehuda … - Jehuda trat ihm (Josef) näher" (Bereschit 44:18). Raschi erklärt bezüglich der Worte "ki Awdecha araw et haNa'ar" (Bereschit 44:32), dass Jehuda seinem Vater für Binjamin gebürgt hatte, und sprach: "Wenn ich Binjamin dir nicht zurückbringe, werde ich sowohl in dieser als auch in jener Welt in Banne sein."

Jehuda war derjenige, der durch einen festen Knoten mit dieser Angelegenheit verbunden war und am meisten verlieren konnte. Der Gaon kommentiert: "Die Tropen (Te’amim, melodische Motive in der liturgischen Rezitation - Rezitations-Noten) für den Ausdruck "Wajigasch ejlaw Jehuda wajomer bi Adoni..." ist wie folgt: Wajigasch ejlaw hat die Rezitationsnoten "Kadma we'Asla", Jehuda hat die Note "Rewi’i" und wajomer bi Adoni hat die Noten "Sarka Munach Segol".

Der Gaon interpretiert den Trop als einen Überlieferer einer geheimen Botschaft: Wajigasch ejlawKadma we'asla, bedeutend (im Aramäischen) "Jehuda trat nach vorne." Jehuda sagt: "Du könntst mich fragen, warum ich als Sprecher der Familie handle – schliesslich bin ich nur der vierte Sohn – Revi’i. Der Grund, warum der vierte Sohn nach vorne kommt (kadma we'asla), ist, dass - sarka munach segol – bedeutend, dass ich vom Ruhen (munach) in der Kommenden Welt unter dem Am Segula (dem auserwählten Volk) weggeworfen werde (sarka). Deshalb ist es mein Leben, das in Gefahr ist – sowohl hier als auch im Olam Haba. Dies ist der Grund, warum ich nicht nach Protokoll handle und nach vorne gekommen bin, obwohl ich nur der vierte Sohn bin.

Quellen und Persönlichkeiten:

Raschi, Akronym für Rabbi Schlomo ben Jizchak (1040-1105); Troyes (Frankreich) und Worms (Deutschland); „Vater aller TENACH- und Talmudkommentare“.

Or HaChajim Hakadosch(1696 – 1743): Name des Hauptwerks von Rabbi Chajim ben Mosche ben Atar, berühmter Thorakommentar; er verfasste weitere Werke wie Chefez Haschem, Peri To‘ar, Rischon Lezion. Marokko, Italien, Israel.

Wilnaer Gaon, Gaon von Wilna: Rabbi Eljahu ben Schlomo Salman von Wilna (1720 - 1797), Wilna; Torahgenie, war ein bereits zu seinen Lebzeiten hoch geschätzter vielseitiger jüdischer Gelehrter. Er gilt als Inbegriff des aschkenasischen Judentums litauischer Prägung. Er schrieb mehr als 70 Kommentare zu ToraTalmud, Kabbala und Halacha. Sie befassen sich mit einem breiten Spektrum religiöser und gesellschaftlicher Fragen und sind Standardwerke jüdischer Gelehrsamkeit.

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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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