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Cheschwan/ Paraschat Wajera
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Was tun wir eigentlich auf dieser Welt? Kohelet – die Antwort von Schlomo Hamelech – Perspektiven zur Megillat (Rolle) Kohelet – Sukkot 5785

Kohelt - die wahre Botschaft dieses oft missverstandenen Buches!

Was tun wir eigentlich auf dieser Welt? Kohelet – die Antwort von Schlomo Hamelech – Perspektiven zur Megillat (Rolle) Kohelet – Sukkot 5785

Kohelt - die wahre Botschaft dieses oft missverstandenen Buches!
Foto: AI Avigail

Was tun wir eigentlich auf dieser Welt? Kohelet – die Antwort von Schlomo Hamelech

Von Raw Jakov Astor

Aus DJZ, 14. Tischri 5770 / 2. Oktober 2009

Ergänzungen: S. Weinmann

Jeder jüdische Feiertag wird durch ein spezielles Buch des ‘Tanach’ charakterisiert, durch eine Megilla (Rolle). Am Pessach lesen wir Schir Haschirim, am Schawuot Megillat Ruth. Am Sukkot lesen wir Kohelet. Kohelet ist der Name, mit dem Schlomo Hamelech (König Salomon) sich in dem Buch selbst bezeichnet.

(Anmerkung des Herausgebers: Insgesamt gibt es fünf Megillot. Nur, diese drei werden je an einem der drei Wallfahrtsfeste der Tora gelesen. Die anderen zwei werden an Tagen gelesen, die unsere Weisen angeordnet haben: Megillat Ester am Purim und Megillat Ejcha am Tisch’a beAw)

Kohelet beginnt mit dem Vers “Hawel Hawalim… nichtig der Nichtigkeiten, sagt Kohelet, nichtig der Nichtigkeiten; alles ist nichtig.” Dann zählt die Megilla viele Lebensphilosophien und Lebensgestaltungen des Verfassers auf, des “Königs von Jerusalem”, die dieser schliesslich als leer und nichtig bezeichnet.

Aus diesem Grund wird Kohelet oft als pessimistisch und deprimierend betrachtet. Nichts ist aber von der Wahrheit weiter entfernt als diese Behauptung. Das wird auch durch den Umstand unterstrichen, dass die Weisen uns anwiesen, dieses Sefer am Sukkot zu lesen, dem Fest der grössten Freude. Megillat Kohelet ist weit davon entfernt, ein deprimierendes Buch zu sein, eher entgegengesetzt vergrössert und intensiviert Kohelet die Simcha. Es vermittelt Freude und Optimismus und verleiht so Sukkot eine tiefere Bedeutung.

Um zu der wunderbar erhabenen und erhebenden Botschaft zu gelangen, die in der oft komplexen und schwierigen Ausdrucksweise der Megilla verborgen liegt, müssen wir drei Schlüsselworte analysieren: Das hebräische Wort für “Adam – Mensch”, “Hewel – Nichtigkeit” und “Schemesch – Sonne”. Diese Worte erscheinen in der ganzen Megilla immer wieder. Wenn wir diese besser verstehen, können wir die wahre Botschaft dieses oft missverstandenen Buches ans Licht bringen.

Adam

Das erste Wort ist “Adam-Mensch”. Die Tora berichtet uns, dass Adam Harischon (der erste Mensch) seinen Namen erhielt, weil er aus “Adama-Erde” erschaffen wurde.

Damit aber scheint ein menschliches Wesen nicht sehr treffend beschrieben worden zu sein, da auch Tiere und unzählige andere Dinge aus Erde erschaffen wurden. Zum Beispiel heisst es im Passuk (Bereschit 1:24): “Es bringe die Erde lebende Wesen hervor…” Wenn Haschem dem Menschen einen Namen geben wollte, der seine Besonderheit beschreibt, würde man meinen, dass “Adam” kein sehr treffender Name sei.

Der Maharal erklärt jedoch, dass “Adama-Erde” zwei scheinbar sehr verschiedene Eigenschaften aufweist, die in Wirklichkeit miteinander harmonisieren. Einerseits ist ein einziger Klumpen Erde nur von geringer Bedeutung. Andererseits aber entstammt alles Leben schlussendlich aus der Erde. Wir stehen auf der Erde, und sie gibt uns Nahrung und Mineralien. Sie trägt das gesamte Potential des menschlichen Lebens in sich. “Adama-Erde” ist also ein Material, das an und für sich wertlos ist, es ist allerorts da, jedoch ein grosses Potential in sich hat. Es für sich allein ist nichts, doch kann es alles werden.

“Ki Adam leAmal julad” (Ijob/Hiob 5:7), der Mensch wurde zu Mühsal geboren. Wenn eine Person etwas aus sich machen will, muss sie sehr hart an sich arbeiten. Sie wird, um etwas zu werden, alle wunderbaren Geschenke, die Haschem ihr gab, benützen, um eine Persönlichkeit, ein Wesen daraus zu formen, das G”ttlich und gut ist.

“Adam” vermittelt daher die Botschaft, etwas zu sein, dessen Potential grenzenlos ist, das jedoch viel Arbeit benötigt, um es zu erreichen.

Hewel

Das häufigste Wort in Kohelet ist Hewel, was oft mit “Nichtigkeit” übersetzt wird. Das ist jedoch keine besonders gute Übersetzung. “Hewel” heisst genau übersetzt “Hauch”. Wenn man den Atem in die kalte Winterluft bläst, dann sieht man kurz den Dampf, der ganz rasch wieder verschwindet. Das ist “Hewel”: Er ist einen Moment lang da, scheint Substanz aufzuweisen, doch im nächsten Moment ist er weg.

“Hewel” ist ein Synonym für die materielle Existenz. Diese ist wie ein “vorübergehender Schatten … ein Hauch, der sich auflöst… ein Traum, der verschwindet…” Eine “Hewel-Existenz” ist eine kurzfristige, leere Erfahrung – egal wie gut es einem in materieller Hinsicht geht.

Schemesch

Der dritte Ausdruck, der den Schlüssel zum Verständnis von Kohelet bildet, ist das Wort “Schemesch-Sonne”. Die Sonne kontrolliert unser Leben. Sie gibt Licht und Wärme. Sie lässt Dinge wachsen. Sie macht das Leben möglich. “Sonne” ist daher ein Ausdruck für physische Existenz.

Um die drei Schlüsselwörter zusammenzufassen: Adam, aus Erde, stellt etwas dar, das an sich wertlos ist, jedoch Grenzenloses erreichen kann. Hewel, wie warme Luft, verkörpert eine materielle Existenz, die schliesslich ohne Substanz bleibt. Und “Schemesch-Sonne” bedeutet eingeschränktes, materielles Leben.

Nun wollen wir diese Begriffe in der Megilla analysieren.

Hewel Hawalim

Der zweite Passuk von Kohelet lautet: “Hewel Hawalim, sagt Kohelet, Hewel Hawalim, alles ist Hewel.” Er kann als rhetorische Frage verstanden werden: “Ist das alles, was es gibt? Hewel?”

Der Zweck von Kohelet besteht darin, über diese Frage nachzudenken: “Was tun wir eigentlich auf dieser Welt? Was ist unser Zweck auf der Erde? Gibt es nichts anderes als eine Hewel-Existenz?” Das ist die Frage, die Kohelet stellt.

Unsere Weisen erklären, dass in diesem Passuk siebenmal das Wort “Hewel” vorkommt, da das Wort “Hawalim” in der Mehrzahl steht.

Dreimal steht Hewel in der Einzahl, zweimal in der Mehrzahl, also total sieben. Das deutet nach den Worten unserer Weisen auf die sieben Tage der Woche hin. Jeder Wochentag – sogar Schabbat – kann Teil eines “Hewel-Daseins” sein, einer begrenzten, vorübergehenden und unproduktiven Existenz.

Der nächste Passuk beantwortet die Frage: “Welcher Gewinn erwächst dem Menschen (Adam) bei all seiner Mühe, womit er sich abmüht unter der Sonne?” Auf den ersten Blick verstehen wir das so, dass der Mensch keinen Nutzen daraus hat, wenn er schwer arbeitet und Kraft und Mühe investiert. Indem aber der Ausdruck “unter der Sonne” hinzukommt, weist der Passuk über diese enge Interpretation hinaus und bietet Antwort auf die offene Frage.

Welchen Nutzen hat ein Mensch, welchen Nutzen kann er erwarten, wenn er diese Arbeit, für die er geschaffen wurde, für Handlungen “unter der Sonne” einsetzt, für eine Existenz, deren rein materielles Dasein von der Sonne kontrolliert und definiert wird?”

Keinen.

Während die Arbeit unter der Sonne aber schlussendlich keinen Nutzen hat, trifft das für Arbeit “oberhalb der Sonne” wohl zu. “Arbeit über der Sonne” – Tora – hat unendliches Potential und Chancen für Wachstum. Der Mensch kann sich in ein G”ttliches Wesen verwandeln.

Eine “Hewel-Existenz”, ein Dasein, das völlig “unter der Sonne” besteht, ist eine leere, nichtige Existenz. Falls man anderseits eine geistige Dimension entdecken und das ansonsten “hewel-hafte” Leben mit ein wenig Heiligkeit versehen kann, wächst man geistig und wird G”ttlich. Dann ist das Dasein alles andere als Hewel.

Die Verbindung zu Sukkot

Kohelet ist damit das perfekte Sefer für Sukkot. Während des Jahres halten wir uns in einem Haus mit einem Dach über dem Kopf auf. Symbolisch trennt das Dach uns vom Himmel.

Am Sukkot sitzen wir in einer provisorischen Struktur, die keine echte Decke hat und uns so nicht vom G”ttlichen trennt. In der Sukka essen und schlafen wir, wir leben dort grundsätzlich ein ganz gewöhnliches “materielles ” Leben.

Aber in der Sukka befindet sich die Schechina, die G”ttliche Präsenz, die durch das S’chach scheint und unser ganzes Wesen in Heiligkeit hüllt, um dem gewohnten Leben Bedeutung und Dynamik zu verleihen. Unsere gesamte materielle Existenz wird zur Mizwa, zu einem heiligen Akt.

Haschem gab uns eine wunderbare Welt, um darin zu leben. Sie ist voller Schönheit und Gesang. Es gibt aber Fallen. Wir werden auf die Probe gestellt. Wir müssen es zulassen, dass das G”ttliche in unser Leben scheint. Nur so erhält das Leben Substanz und ist kein Hewel. Es ist ein Leben voller echtem Optimismus und Heiligkeit.

Falls wir anderseits von der geistigen Dimension getrennt leben – unter einem geschlossenen Dach, getrennt von oben – also völlig “unter der Sonne”, wird unser Leben leer und sinnlos bleiben, so schön die Decke unseres Hauses auch sein mag.

Wir sind Wesen, die in der Erde verwurzelt sind, wir sind aber fähig, uns in etwas zu wandeln, das bis zum Himmel reicht.

Je mehr wir diesen inneren Funken nähren und diesen zum Hauptziel unserer Arbeit hier auf Erden machen, desto mehr wird unser Leben an Bedeutung, Hoffnung und Glück gewinnen.

Ein kleiner Klumpen Erde kann G”ttlichkeit schaffen und verkörpern. Das ist eine Herausforderung und Bereicherung. Und das ist die Botschaft von Kohelet.

Quellen und Persönlichkeiten:

Rabbi Jehuda Liwo (Leib) ben Bezel’el (1512-1609), genannt Rabbi Löw oder mit dem Akronym Maharal (Abkürzung für Morejnu haRav Löw). Posen (Polen), Nikolsburg und Prag (Tschechien). Er war ein bekannter Rabbiner, Talmudist, Darschan (Prediger) und Philosoph des 16. Jahrhunderts. Ihm wird auch die Erschaffung des Golems zugeschrieben. Er verfasste unzählige – hauptsächlich philosophische – Werke, u.a. das Sefer Gur Arje, Erklärung zu Raschis Kommentar zum Chumasch, Erklärungen zu den Aggadot Haschass, Netiwot Olam, Nezach Jisrael, Tiferet Jisrael, etc. Seine Werke dienen bis heute als Basis der jüdischen Weltanschauung.

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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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