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Elul/ Paraschat Ki Tawo
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Nicht nur eine Mizwa, sondern auch ein guter finanzieller Rat (Paraschat Emor 5784)

"Das Salz des Geldes ist seine Minderung"!

"Das Salz des Geldes ist seine Minderung"!
Foto: AI Avigail

Wochenabschnitt Paraschat Emor: Nicht nur eine Mizwa, sondern auch ein guter finanzieller Rat

Rav Frand zu Paraschat Emor 5784

Ergänzungen: S. Weinmann

Weitere Artikel zum Wochenabschnitt Paraschat Emor, finden Sie hier

Parsachat Emor enthält folgende Gebote “Wenn ihr in eurem Land Ernte haltet, so sollst du die Ecken deines Feldes nicht völlig abernten, noch bei deiner Ernte Nachlese halten, dem Armen und dem Fremden sollst du sie überlassen; Ich bin der Ewige, Euer G”tt” (Wajikra 23:22).

Die Halacha ist, dass wenn ein Mensch sein Feld erntet, er zu drei biblischen Geboten namens Leket, Schichecha und Pea verpflichtet ist. Ein Mensch muss eine Ecke des Feldes für die Armen übriglassen (Pea). Ebenso hinterlässt er für die Armen die Nachlese (Leket) – einzelne Halme, die während der Ernte heruntergefallen sind – wie auch vergessene Garben, die während der Ernte irrtümlicherweise liegen geblieben sind (Schichecha). Während dem gesamten Ernteprozess muss ein Mensch die Armen und Hilfsbedürftigen ständig im Sinne haben.

Der Seforno schreibt in unserer Parascha: “Nach der Ernte und Einsammlung der reichlichen Ernte gibt uns die Tora einen Plan, wie wir unseren Reichtum schützen können.” Haschem garantiert uns in der Tat: “Du kümmerst dich um sie (die Armen und die Fremden), und Ich werde mich um dich kümmern.” Dies ist nicht nur eine Mizwa – ein netter Mensch zu sein und an die weniger Begünstigten zu denken. Laut dem Seforno ist dies auch ein “weiser Rat” (eine Ejza Towa): Willst du dein Geld behalten? Willst du erfolgreich sein? Gib es weg!

Der Seforno verwendet den Ausdruck “das Salz (Konservierungsmittel) des Geldes ist seine Minderung” und bezieht sich auf eine Gemara (Traktat Ketubot 66b).

Unsere Weisen erzählen im Talmud Ketubot (66b-67a): Es geschah mit Rabban Jochanan ben Sakai, als er auf einem Esel ritt und Jerusalem verliess und seine Schüler hinter ihm gingen. Er sah ein gewisses Mädchen, das Gerstenkörner aus dem Kot von Tieren, die Arabern gehörten, sammelte (was darauf hinwies, wie verzweifelt sie nach Nahrung suchte). Als sie ihn sah, bedeckte sie ihr Haar und stand vor ihm. Sie sagte zu ihm: “Rabbi, ernähre mich!” Er fragte sie: “Meine Tochter, wer bist du?” Sie antwortete ihm: “Ich bin die Tochter von Nakdimon ben Gurion” – der nach Aussage unserer Weisen im Talmud (Traktat Gittin 56a, siehe auch Traktat Ta’anit 19b und Ketubot 66b-67a) ein sagenhaft reicher Mann war und einer der drei reichsten Männer in Erez Jisrael vor der Zerstörung des Bejt Hamikdasch war.

Rabban Jochanan ben Sakai fragte sie: “Meine Tochter, wo ist das Geld deines väterlichen Hauses hingekommen?” Sie erwiderte: “Rabbi, lautet doch in Jerušchalajim ein Sprichwort: ‘Melach Mamon Cheser – des Geldes Salz ist die Minderung’. Manche lesen: ‘Chessed – die Liebestat’. In alten Zeiten war Salz ein Konservierungsmittel. Dies ist der Gedanke des Sprichwortes, das besagt, dass jemand, der sein “Geld konservieren” will, es tun sollte, indem er einen Teil davon den Armen gibt. Und die andere Leseart bedeutet, dass “das Salz (Konservierungsmittel) des Geldes die Herzensgüte ist (Melach Mamon Chessed).  Er fragte sie darauf: Und wo ist das Geld deines Schwiegervaters? Sie erwiderte: Das eine kam und richtete das andere zugrunde”. Raschi zur Stelle erklärt: Das Geld meines Schwiegervaters vermischte sich mit dem Geld meines Vaters. Als mein Vater sein Geld verlor, verlor deshalb auch mein Schwiegervater sein Geld.

Raschi erklärt, dass seine Tochter zugab, dass Nakdimon ben Gurion nicht genügend Zedaka gab. Obwohl er in der Tat sehr grosse Summen von Geld verteilte, sagte sie, dass er angesichts seines Masses an Reichtum nicht so viel weggab, wie er es tun sollte.

Hierauf sprach sie zu ihm: “Rabbi, erinnerst du dich, als du meine Ketuba (Heiratsvertrag) unterschrieben hast?” Er sagte zu seinen Schülern: “Ich erinnere mich, als ich die Ketuba dieses Mädchens unterschrieben habe; ich las darin, dass sie eine Million goldene Dinare von ihrem Vaterhaus mitbrachte, zusätzlich zu dem, was ihr von ihrem Schwiegervater versprochen wurde.”

Und Rabbi Jocḥanan ben Sakaj weinte, indem er sprach: Heil dir, Jisrael! Wenn sie den Willen         G-ttes erfüllen, hat keine Nation und kein Sprachstamm Gewalt über sie, wenn sie aber den Willen G-ttes nicht erfüllen, gibt er sie in die Hand einer niedrigen Nation, und nicht nur in die Hand einer niedrigen Nation, sondern sogar in die des Viehes einer niedrigen Nation.

Dies ist, was der Seforno meint, wenn er über “Melach Mamon Cheser” spricht. Wenn jemand sein Geld anhäufen will, sollte er dauernd Armen und Hilfsbedürftigen helfen. Dies ist nicht nur eine Mizwa; es ist auch ein guter finanzieller Rat!

Dies weist auf ein Phänomen hin, über das Rabbi Zadok (von Lublin) auch spricht. Rabbi Zadok erklärt, dass in geistigen Angelegenheiten das, was zu tun angemessen ist, oft kontraintuitiv ist. Bederech Hatewa (gemäss dem Naturgesetz) wird ein Mensch, der Geld besitzt und es anhäufen möchte, fleissig sparen. So geht es gemäss dem Naturgesetz. Im geistigen Bereich funktionieren Ursache und Wirkung anders. In physischen Angelegenheiten wissen wir, wie Ursache und Wirkung funktionieren. In geistigen Angelegenheiten jedoch ist das, was uns als kontraintuitiv erscheint, buchstäblich die Art und Weise, wie die Dinge geschehen. Aus der Perspektive von Ruchniut (der Spiritualität) sollte ein Mensch, der sein Geld häufen will, es nicht sparen. Er sollte es vielmehr “weggeben”. Aus finanzieller Perspektive basierend auf dem Naturgesetz, macht dies überhaupt keinen Sinn. Rabbi Zadok sagt jedoch, dass Ruchniut andere Regeln der Ursache und Wirkung hat.

Dies ist die rabbinische Lehre. “Gebe Ma’asser, damit du reich wirst” (Asser bischwil sche’titascher). Werde reich, indem du (zumindest einen Teil) deines Geld verteilst! Es tönt lächerlich, aber es ist nur gemäss dem Naturgesetz lächerlich. Gemäss dem Gesetz der Geistigkeit ist es überhaupt nicht lächerlich.

Rabbi Zadok erwähnt ein anderes Beispiel. Es  gibt ein biblisches Gebot (Dewarim 13:13-19), dass wenn eine gesamte Stadt Götzen dient (Ir Hanidachat), die gesamte Stadt ausgerottet werden muss – Männer, Frauen und Kinder. Welche Wirkung würde dieses Gebot berech Hatewa auf diejenigen haben, die dieses Gebot erfüllen? Was würde die Vernichtung einer gesamten Stadt für einen Menschen bewirken? Es ist die äusserste Handlung der Grausamkeit. Wir würden erwarten, dass solch eine Handlung die Menschen, die sie ausführen, fürs Leben boshaft und gefühllos machen würden. Der zerstörerische Effekt solch einer Handlung würde diese Menschen wahrscheinlich dazu bringen, auch unschuldige Menschen zu töten. Im Gegensatz zu unseren Erwartungen gibt die Tora diesen Menschen, die die Strafe der Ir Hanidachat ausführen, jedoch eine Garantie: “…damit der Ewige von seiner Zornesglut ablasse und dir Barmherzigkeit gewähre, damit er sich deiner erbarme und dich vermehre…” (ibid. 13:18). Und wie der Or Hachajim Hakadosch zur Stelle den doppelten Ausdruck von ‘Erbarmen’ erklärt, dass G-tt diesen Menschen die Barmherzigkeit in ihrem Herzen   zurückführen wird. Würden wir bederech haTewa erwarten, dass die Leute erbarmungsvoller werden würden, als sie es früher waren? Wie kann das sein? Die Antwort ist, ja, wenn man etwas für eine Mizwa tut, das Resultat nicht gemäss den Naturgesetzen ist, sondern gemäss den (manchmal kontraintuitiven) Gesetzen der Geistigkeit.

Ich las über den folgenden Vorfall mit Rav Ja’akow Galinsky sZl., einem berühmten Maggid in Erez Jisrael. Nach der kommunistischen Revolution wurden er und einige andere Jeschiwabachurim zusammen mit einigen bereits verheirateten Männer nach Sibirien vertrieben. Als die Kommunisten die Herrschaft übernahmen, nationalisierten sie alles Geld im Land. Viele Leute verloren ihr ganzes Vermögen, als die Regierung alle Fabriken und Geschäfte übernahm und die früheren Besitzer in Arbeitslager nach Sibirien sandte.

Rav Ja’akow Galinsky erzählte, dass er mit den anderen Jeschiwabachurim mit Leuten zusammen inhaftiert waren, die ihr ganzes Vermögen verloren hatten. Nach der Lager-Arbeit kamen die Bachurim zusammen, um zu dawenen und lernen. Zwei frühere reiche Fabrikbesitzer traten zu ihnen hin und sagten: “Wisst ihr, wir sind eifersüchtig auf euch. Ihr habt immer noch euren Glauben. Ihr habt noch euer Glaubenssystem, bei euch hat sich nicht viel geändert. Jedoch bei uns, alles, was wir hatten, war unser Geld. Jetzt haben wir alles verloren und haben gar nichts mehr.” Dann fügten sie noch etwas Erstaunliches hinzu: “Wisst ihr, gegen wen wir uns beschweren, dass wir alles verloren haben? Wir beschweren uns gegen den Poniwescher Raw und den Raw von Kowno, Rav Schapira. Was taten sie falsch? Wir erinnern uns, was geschah, als wir reich waren, bevor die Kommunisten die Herrschaft übernahmen. Sie kamen zu uns, um Geld für ihre Jeschiwot zu sammeln, und wir gaben ihnen Geld. Sie pflegten uns zu sagen: “Hört zu, ihr seid reich. Die Bedürfnisse der Nation sind gross. Gebt uns bitte mehr.” Wir gaben ihnen nicht mehr. Wir beschweren uns jetzt gegen sie, dass sie nicht konsequenter mit uns waren. Sie hätten uns mit einer Schusswaffe bedrohen und sagen sollen “Gebt uns mehr”. Wenn wir mehr gegeben hätten, hätten wir zumindest diese grosse Mizwa gehabt. Jetzt haben wir nichts. Anstatt uns mit einer Waffe zu bedrohen und unser Geld zu nehmen, was uns zumindest diese Mizwa gesichert hätte, bedrohen uns nun die Kommunisten mit ihrer Waffe, und uns ist nichts geblieben.

Dies ist die Lektion. Wenn ein Mensch sein Geld behalten will, soll er es (zumindest teilweise) weggeben. “Man wird nie arm durch das Verteilen von Zedaka, und nichts Schlechtes und kein Schaden wird durch das Verteilen von Zedaka verursacht.” (Rambam Matanot Anijim 10:2). Die Lektion der Geistigkeit ist, dass Ruchniut mit anderen Gesetzen funktioniert als materielle Angelegenheiten. Was im normalen “Lauf der Welt” kontraintuitiv zu sein scheint, ist im geistigen Sinn intuitiv. Wenn man reich werden möchte, soll man so viel als möglich verteilen.

Quellen und Persönlichkeiten:

Raschi, Akronym für Rabbi Schlomo ben Jizchak (1040-1105); Troyes (Frankreich) und Worms (Deutschland); „Vater aller TENACH- und Talmudkommentare“.

Rambam, Akronym für Rabbi Mosche ben Maimon (Maimonides) (1135 – 1204); Spanien, Ägypten, Israel. Einer der bedeutendsten Rischonim, seine Hauptwerke sind: Das umfassende Werk zum jüdischen Recht „Mischne Tora-Jad Hachsaka“, Erklärung zur Mischna und „Moreh Newuchim“ (Führer der Irrenden / Unschlüssigen), wie weitere Werke.

Seforno: Rabbi Ovadia ben Ja’akov Seforno (1470 – 1550); Rom und Bologna, Italien; klassischer Chumasch-Kommentator.

Or HaChajim Hakadosch (1696 – 1743): Name des Hauptwerks von Rabbi Chajim ben Mosche ben Atar, berühmter Thorakommentar; er verfasste weitere Werke wie Chefez Haschem, Peri To‘ar, Rischon Lezion. Marokko, Italien, Israel.

Rav Ja’akow Galinsky (1920-2014). Krynki, Polen. Rosch Jeshivas Chadera, Israel. Eine überragende Persönlichkeit und weltbekannter Maggid, der das Publikum ‘dauernd in Atem hielt‘.

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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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