Siwan / Paraschat Matot-Mass’ej
Siwan / Paraschat Matot-Mass’ej

Keduscha: Eine persönliche Mizwa, die die Gemeinschaft benötigt und beeinflusst – Paraschat Kedoschim 5784

Warum musste Mosche diese Parascha allen gemeinsam übergeben?

Warum musste Mosche diese Parascha allen gemeinsam übergeben?
Foto: AI Avigail

Wochenabschnitt Paraschat Kedoschim: Keduscha: Eine persönliche Mizwa, die die Gemeinschaft benötigt und beeinflusst

Rav Frand zu Paraschat Kedoschim 5784 – Beitrag 1

Weitere Artikel zum Wochenabschnitt Paraschat Kedoschim, finden Sie hier

“Und der Ewige sprach zu Mosche wie folgt: “Sprich zu der ganzen Gemeinde der Kinder Israels und sage ihnen: Heilig sollt ihr sein, denn heilig bin Ich, der Ewige, euer G”tt, ” (Wajikra 19:1-2).

Der Midrasch (Torat Kohanim zur Stelle) bemerkt, wie es auch von Raschi zitiert wird, dass dieser Passuk “beHakhel”, das heisst, vor dem ganzen jüdischen Volk, gesagt wurde. Im Gegensatz dazu wurde der grösste Teil der Tora Mosche unterrichtet, der sie an Aharon übergab, der sie an Aharons Söhne übergab, die sie den Älteren unterrichteten, etc. Diese Parascha lehrte Mosche jedoch in der Anwesenheit des ganzen Volkes.

Warum ist diese Parascha anders? Der Midrasch sagt, weil die meisten Grundsätze der Tora von dieser Parascha abhängig sind.

Die einfache Interpretation dieses Midrasch ist, dass nachdem so viele wichtige Gesetze in dieser Parascha enthalten sind, diese in der Anwesenheit von allen gesagt werden musste. (Der “Sefer Hachinuch” zählt 51 Ge- und Verbote dieses Wochenabschnittes auf. Jedoch gibt es einige Paraschot, die mehr Mizwot enthalten als Paraschat Kedoschim und nicht “beHakhel” gesagt wurden.)

Vielleicht bedeutet dieser Midrasch jedoch etwas Anderes. Vielleicht bedeutet er, dass die spezifische Mizwa des “Kedoschim tiheju” – ihr sollt heilig sein” so wichtig ist und so viele Grundsätze der Tora von ihr abhängig sind, dass diese Mizwa selbst öffentlich übergeben werden musste.

Laut dem Ramban lehrt uns diese Mizwa, wie wir als Juden leben und handeln müssen. Der Ramban erklärt, dass wenn wir diese Mizwa nicht hätten, ein Mensch möglicherweise ein “Nawal bireschut haTora” sein könnte; er könnte ein religiöser Jude und gleichzeitig ein Vielfrass sein. Er könnte ein schamloses Leben im Rahmen der Tora leben. Er könnte so viel essen, wie er will; er könnte sich allen physischen Vergnügungen des Lebens hingeben, und es könnte alles ‘glatt koscher’ sein.

Wenn wir diese Mizwa nicht hätten, könnte solch ein Mensch als Zaddik (gerechter Mensch) betrachtet werden. Die Tora sagt jedoch “Ihr sollt heilig sein” – ihr müsst euch enthalten. Ihr müsst mit Zurückhaltung, mit Heiligkeit handeln. Frönt nicht euren Begierden, seid kein Vielfrass. Dies ist die Mizwa des ‘Kedoschim Tiheju’. Sie ist so lebenswichtig, dass sie der gesamten Nation gemeinsam mitgeteilt werden musste.

Der Schemen Hatov erklärt zusätzlich, dass ein Mensch nicht für sich selbst heilig sein kann. Obwohl es eine individuelle Mizwa ist, benötigt der Mensch die Hilfe der Gesellschaft. Wenn jemand in einer Gesellschaft lebt, die zügellos ist, wird es für ihn sehr schwierig sein, ein ‘Kadosch’ (heiliger Mensch) zu bleiben.

Um die Aufgabe ‘ihr sollt heilig sein’ zu erfüllen, benötigt man die Zusammenarbeit der Familie, der Gemeinde, der Stadt und der Nation. Diese Parascha musste allen Menschen zusammen übergeben werden. Wenn jeder in auffallender Genusssucht involviert ist, wird es für einen Einzelmenschen fast unmöglich, Zurückhaltung zu üben.

Wir sehen dies sehr klar in der Gesellschaft, in der wir heute leben. Ungezügelte Genusssucht umgibt uns, wo Menschen sich augenblicklich jeden Wunsch und jede Laune erfüllen. Wir leben in einer Gesellschaft, die keine Keduscha (Heiligkeit) kennt. Der einzige Weg, wie wir persönlich diese Mizwa des ‘ihr sollt heilig sein’ erfüllen können, ist, wenn wir nicht nur an uns selbst arbeiten, sondern indem wir die Menschen um uns herum beeinflussen und emporheben und auch versuchen, unter Menschen zu leben, die auch das Ideal des “Kedoschim Tiheju” erstreben.

Noch ein wichtiger Punkt: Es muss mit dem Einzelmenschen beginnen. Wie der chassidische Rebbe Reb Bunim von Pesisch’cha gesagt haben soll: “Als ich jung war, dachte ich, dass ich die Welt verändern kann. Als ich älter wurde, sah ich, dass ich nicht die ganze Welt ändern kann, aber zumindest werde ich meine Stadt ändern. Später sah ich, dass sogar dies nicht in meinem Einflussbereich sei, daher sagte ich mir: Ich werde mindestens meine Gegend ändern können. Als ich sah, dass dies auch nicht funktionierte, sagte ich mir: Ich werde zumindest versuchen, meine Familie zu ändern. Als ich sah, dass auch dies mir nicht gelungen war, sagte ich mir: Ich werde versuchen, zumindest mich zu ändern.”

Als es ihm gelang, sich selbst zu ändern, sah er, dass seine Familie sich veränderte, seine Gegend sich veränderte, seine Stadt sich veränderte, und in gewissem Sinn die ganze Welt sich verändert hatte.

Wenn wir diese Mizwa von ‘Kedoschim Tiheju’ einpflanzen möchten, müssen wir zuerst einmal an uns selbst arbeiten, dann können wir auch unsere Familie beeinflussen, dann unsere Gegend und schlussendlich unsere Gesellschaft.

Quellen und Persönlichkeiten:

  • Torat Kohanim oder Sifra: Ältester Midrasch Kommentar (Erklärung der Tana’im/Mischna-Gelehrten) zu Sefer Wajikra. Stammt aus dem Bejt Hamidrasch von Rabbi Jehuda, Schüler von Rabbi Akiwa. Raschi zitiert ihn oft.
  • Raschi, Akronym für Rabbi Schlomo ben Jizchak (1040-1105); Troyes (Frankreich) und Worms (Deutschland); „Vater aller TENACH- und Talmudkommentare“.
  • Ramban: Rabbi Mosche ben Nachman – “Nachmanides” (1194 – 1270); Gerona, Spanien; Erez Jisrael; einer der führenden Toragelehrten (Rischonim) des Mittelalters, einer der Haupterklärer des Chumasch (fünf Bücher Moses), wie Verfasser weiterer Werke in Haschkafa (Kitwej haRamba“n) und Abhandlungen zum Talmud.
  • Rabbi Simcha Bunim ben Zwi Bonhart von Pesisch’cha (1765 – 1827). Przysucha (Polen). War ein chassidischer Zaddik in Polen.
  • Rabbi Dov Ze’ev Weinberger (gest. 2018). Er war Rabbiner der Young Israel of Williamsburg, Brooklyn, N.Y. Angesehener Gelehrter. Autor des Sefer Schemen HaTov al haTorah, Erklärungen zum Chumasch.

______________________________________________________________________________

Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

______________________________________________________________________________

Copyright © 2024 by Verein Lema’an Achai / Jüfo-Zentrum.

Zusätzliche Artikel und Online-Schiurim finden Sie auf: www.juefo.ch und www.juefo.com

Weiterverteilung ist erlaubt, aber bitte verweisen Sie korrekt auf die Urheber und das Copyright von Autor und Verein Lema’an Achai / Jüfo-Zentrum.

Das Jüdische Informationszentrum („Jüfo“) in Zürich erreichen Sie per E-Mail: info@juefo.com für Fragen zu diesen Artikeln und zu Ihrem Judentum.

Wir benötigen Ihre Hilfe

Der Verein Lema’an Achai ist eine non-profitable Organisation. Unsere Einnahmen rekrutieren sich ausschliesslich von Sponsoren. Deshalb sind wir um jede Spende dankbar.

Accessibility