Wochenabschnitt Paraschat Acharei Mot: Die Botschaft des Todes von Aharons zwei Söhnen
Rav Frand zu Paraschat Acharej Mot 5784 – Beitrag 2
Ergänzungen: S. Weinmann
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Der Da’at Sekejnim miBa’alej haTossafot zu unserer Parascha zitiert einen Midrasch, der klar zu unserer heutigen Zeit passt. Der Midrasch (Midrasch Tanchuma 6), der den Tod von Aharons zwei Söhnen bespricht, die vom Feuer verzehrt wurden, weil sie ein “fremdes Feuer” auf dem goldenen Misbe’ach (Altar) darbrachten, verbindet diesen Vorfall mit einem Passuk in Tehillim/Psalm (78:63): “Feuer verzehrte seine jungen Männer, und seine Mädchen hatten keine Hochzeitsfeier”. Der Midrasch kommentiert: Warum wurden die zwei jungen Söhne von Aharon vom Feuer verzehrt? Es war, weil sie es zuliessen, dass junge Mädchen nicht heiraten konnten. In anderen Worten; sie wurden dafür bestraft, weil sie selbst nicht geheiratet hatten. Viele jungen Mädchen blieben unverheiratet, weil sie darauf warteten, dass einer dieser zwei sehr begehrenswerten jungen Männer sie heiraten würden.
Nadaw und Awihu sagten sich (gemäss dem Midrasch): “Unser Onkel (Mosche Rabbejnu) ist König, unser Vater (Aharon) ist der Kohen Gadol, unser anderer Onkel – Nachschon ben Aminadaw, Bruder der Mutter – ist ein Fürst, wir sind ‘Seganej Kehuna’ (Vize-Kohen-Gadol ihres Vaters Aharon), welche Frau ist gut genug für uns?” Dies ist der Grund, warum sie nie heirateten. Sie starben deshalb kinderlos.
Der Da’at Sekejnim miBa’alej haTossafot erklärt mit diesem Midrasch eine scheinbare Überflüssigkeit im ersten Passuk unseres Wochenabschnittes: “Der Ewige sprach zu Mosche, nach dem Tod der zwei Söhne Aharons, als sie sich Haschem näherten und starben” (Wajikra 16:1). Warum zweimal der Ausdruck von ‘Sterben’? Der erste Ausdruck “Nach dem Tod” bezieht sich auf ihren eigenen Tod; der zweite Ausdruck “und sie starben” bezieht sich auf die Tatsache, dass sie kinderlos starben und niemanden hatten, der ihre Familienlinie weiterführte.”
Wir müssen verstehen, dass wir über Nadaw und Awihu sprechen, die laut unseren Weisen Zaddikim (fromme Männer) und Säulen der Welt waren. Wir können nicht in gleicher Weise über ihre Fehler sprechen, wie wir über die Fehler anderer Menschen sprechen. Wir haben keinen Begriff, wer sie waren, und wir können ihnen sicherlich nicht Belanglosigkeit beimessen. Zudem bin ich mir wegen meiner Position klar bewusst, wie schwierig es manchmal für einen jungen Mann ist, die geeignete Ehe-Partnerin zu finden. Es gibt sicher junge Männer, die es immer wieder versuchen, aber nicht leicht die für sie bestimmte Frau finden. Der Grund ist nicht immer, dass sie wählerisch oder engstirnig sind. Manchmal werden sie abgewiesen; was immer es auch ist, dies ist die Realität.
Trotz all dem ist die Lektion, die wir von diesem Da’at Sekejnim lernen müssen, dass Nadaw und Awihu zu viele Mädchen zurückwiesen, weil sie der Meinung waren, dass diese nicht gut genug für sie waren. Ein Teil von dem, was heute in unserer Gesellschaft geschieht – und dies ist eine Krise in unserer Gesellschaft – ist, dass es zu viele Männer und Frauen gibt, die nicht heiraten. Ich will keine allgemein anwendbaren Anschuldigungen machen, aber sicher ist ein Teil des Problems die Tatsache, dass die Leute Perfektion suchen. Das Mädchen muss alle Fähigkeiten haben. Sie muss schön sein, sie muss Geld haben, sie muss Jichus (noble Abstammung) haben und sie muss dies und jenes haben – die Liste geht weiter. Wenn sie nicht allen meinen Wünschen entspricht, ist sie nicht gut genug für mich (dasselbe gilt auch im umgekehrten Fall).
Das Problem ist, dass wir solch eine verwöhnte Gesellschaft geworden sind und in so vielen Bereichen des Lebens Perfektion erreichen können, dass wir denken, dass wir in “Schidduchim” Perfektion erreichen können. Wir können ein Auto bestellen, und das Auto kann in jeder Hinsicht – von der Farbe von draussen bis zur Farbe von drinnen und zur Musikanlage, und allen Optionen und allem Schnickschnack – perfekt sein. Ein anderes Beispiel – wir können in den Kaffee-Seitengang eines Supermarkts gehen, wo es früher nur eine oder zwei Sorten von Kaffee zur Auswahl hatte. Heute gibt es so viele Optionen, eine Tasse Kaffee zu bestellen – man kann ihn nach seinem eigenen Belieben der Perfektion brauen lassen! Und wir erwarten, dass wir auch unsere zukünftigen Ehepartner gemäss unseren Wünschen bestellen können! Das Problem ist, dass Menschen keine Autos und keine Kaffees sind. Menschen sind NICHT perfekt. Man sollte in diesem Bereich des Lebens nicht erwarten, Perfektion zu finden.
Wir müssen gegenüber unseren unverheirateten jungen Männern und Frauen in unserer Gemeinschaft immer wieder betonen, dass wir in einem Schidduch keine Perfektion erzielen können. Die “Liste” muss auf eine oder zwei wichtige Punkte beschränkt werden, und dies ist es! Wenn es eine Lektion gibt, die wir aus dem tragischen Tod von Nadaw und Awihu ziehen können, dann ist es diese Lektion.
Midrasch Tanchuma: Sammlung von Erklärungen und Aggadot zum Chumasch. Wird nach dem Amora (Talmudgelehrten) Rabbi Tanchuma Bar Abba benannt, da er am häufigsten in diesem Midrasch zitiert wird. Er war ein jüdischer Amora der 6. Generation, einer der bedeutendsten Aggadisten seiner Zeit.
Da’at Sekejnim mi’Ba’alej HaTossafot; ein Torakommentar der Ba’alej HaTossafot („Tossafisten“), der Talmuderklärer des 12. und 13. Jahrhunderts.
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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich
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