Wochenabschnitt Paraschat Mischpatim: Den Schmerz aufs Neue durchleben
Raw Zweig zu Paraschat Mischpatim 5784 – Beitrag 2
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„Witwen und Waisen sollt ihr nicht unterdrücken. Denn wenn du sie bedrückst… Mein Zorn wird entbrennen und Ich werde euch erschlagen mit dem Schwert, dann werden eure Frauen Witwen und eure Kinder Waisen werden.“ [22:21-23]
Die Thora verbietet es den Kindern Israels, die Verwundbarkeit von Witwen und Waisen auszunutzen. Der Allmächtige warnt, falls Er die Schreie von Witwen und Waisen höre, Er ihre Unterdrücker durch das Schwert töten und ihre Ehefrauen und Kinder wiederum selbst zu Witwen und Waisen machen werde. Die Notwendigkeit von Seiten der Thora, dies zum Ausdruck zu bringen – dass die Unterdrücker selbst Witwen und Waisen hinterlassen werden – impliziert, dass es ein integraler Bestandteil der Strafe ist: Nicht nur wird der Sünder selbst sterben, sondern seine Frau und Kinder werden ebenfalls wegen seiner Taten Schmerz und Leid erfahren müssen. Das Prinzip, Gleiches mit Gleichem (hebr. Midah keneged Midah) zu vergelten, zieht sich wie ein roter Faden durch die Thora. Die Schwere der Strafe entspricht stets der Schwere des Vergehens. Warum ist aber hier die Todesstrafe für den Sünder allein nicht genug? Die Betonung der Thora, dass die Ehefrauen und Kinder des Sünders ebenfalls zu Witwen und Waisen werden, impliziert, dass die Strafe zweierlei ist – also auf den ersten Blick doppelt.
Rabbejnu Jona erklärt, das hebräische Wort für Witwe („Almanah“) leite sich ab aus dem Wort „ilem“ (hebr. stumm); denn mit dem Tode ihres Ehemanns „verstummt“ die Witwe, d.h. sie hat niemanden mehr, der sie beschützt. Ebenso korreliert das Wort „Jatom“ (Waiser) mit einem Wort aus Bereschit: „wa’jitom ha’Kessef“ – „und das Geld war aufgebraucht.“ Wenn ein Kind seinen Vater verliert, ist sein Selbstvertrauen aufgebraucht, weil es fühlt, dass es niemanden mehr hat, der seine Interessen durchsetzt. Jedes Mal, wenn Witwen oder Waisen unterdrückt werden, zwingt man sie auch dazu, den Verlust ihres Ehemanns oder Elternteils aufs Neue zu durchleben. Ihnen wird schlagartig bewusst, dass wenn ihr Angehöriger, der sie in der Vergangenheit verteidigt hat, am Leben wäre, sie nicht dazu gezwungen wären, die derzeitige Misshandlung durchmachen zu müssen. Aus diesem Grund warnt die Thora die Unterdrücker, dass sie aufgrund ihrer Taten ihren eigenen Ehefrauen und Kindern verursachen werden, dasselbe Mass von Schmerz und Leid zu erfahren, das sie (die Unterdrücker) anderen zugefügt haben.
Quellen und Persönlichkeiten:
Rabbejnu Jona ben Abraham Gerondi (1200-1263); Girona, Barcelona und Toledo, Spanien. Rabbiner und Rosch Jeschiwa. War einer der bekannten Rischonim. Cousin des Ramban (Nachmanides). Bekannt durch seine Werke: „Scha’arej Teschuwa (Lehre über moralisches Verhalten)“, Erklärungen zu Pirkej Awot und Mischlej, wie Abhandlungen zum Talmud (grosser Teil ging verloren).
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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich
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