Wochenabschnitt Paraschat Noach: Die Grundursache der Krankheit war “Rabba”
Rav Frand zu Paraschat Noach – Beitrag 2
Ergänzungen: S. Weinmann
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Der Beginn des Mabuls (der Sintflut) wird mit folgenden Worten beschrieben: “Im sechshundersten Lebensjahr Noachs, im zweiten Monat, am 17. Tag des Monats, an diesem Tag brachen alle Quellen der grossen Tiefe hervor, und die Schleusen des Himmels taten sich auf” (Bereschit 7:11). Raschi zitiert eine Gemara (Talmud Traktat Sanhedrin 108a), dass Haschem Mass für Mass straft; ihre Sünde war, dass “Rabba Ra’at ha’Adam – die Bosheit der Menschen gross war” (Bereschit 6:5), und dass sie deshalb von “Majenot Tehom Rabba – von den Quellen der grossen Tiefe” bestraft wurden (Bereschit 7:11). In anderen Worten, die Verwendung des Ausdrucks Rabba als ein Adjektiv zu den “Quellen der grossen Tiefe” ist ein Schlüsselwort, das das Wort Rabba am Ende von Paraschat Bereschit in Erinnerung ruft, welches beschreibt, dass Haschem sah, dass die Schlechtigkeit der Menschen gross war und sie eine Strafe verdienten.
Der Toldot Jizchak erklärt, dass dies der Grund ist, dass die angemessene Strafe für sie war, dass “die Quellen der grossen Tiefe (Tehom Rabba) sich öffneten”. Der Regen ist etwas Gutes. Er ist wunderbar. Die Welt kann ohne Regen nicht existieren. Was geschieht jedoch, wenn es zu viel Regen gibt? Dies ist auch nicht gut. Dies ist zerstörerisch. Deshalb war die “Strafe Mass für Mass” eine Flut. Sie sündigten mit Rabba – eine Sünde der Ausschweifung. Ja, Menschen benötigen Vergnügen in dieser Welt. Dies ist ein Teil des menschlichen Lebens, ein Teil des Menschseins. Es muss jedoch im Zaum gehalten werden, im Rahmen der Normalität bleiben. Deshalb bestrafte Haschem sie mit “Tehom Rabba”. Der Allmächtige sendet eine Botschaft. Regen ist etwas Gutes, zu viel Regen jedoch kann die Welt zerstören. Ihr habt zu viel des Guten angestrebt und wurdet deshalb mit zu viel von etwas Gutem bestraft.
Raw Awraham Hurwitz sagt, dass wir mit diesem Gedanken einen anderen Midrasch verstehen können. Im Passuk steht: “Die kam die Taube zur Abendzeit zu ihm zurück – und siehe, ein frisches Olivenblatt war in ihrem Mund. Da merkte Noach, dass das Wasser auf der Erde abgenommen hat (Bereschit 8:11). Der Midrasch Rabba (33:9) stellt die Frage: “Von wo brachte die Taube dieses Blatt?” “Raw Bibi sagt, dass die Tore des Gan Edens (Paradies) sich öffneten und sie das Blatt von dort brachte.”
Warum war dies nötig? Ausgerechnet vom Gan Eden? Die Antwort ist, dass der Allmächtige uns eine Botschaft sendet. Du beginnst die Welt erneut. Du musst wissen, dass die Olive den Geschmack des Gan Edens haben muss, den Geschmack der Geistigkeit – weil die Geistigkeit genau so viel Vergnügen liefern kann, wie ein Mensch es benötigt. Sie musste vom Gan Eden kommen, weil sie den Ta’am Ruchnijut (das Aroma der Geistigkeit) haben musste. Das Problem des Geschlechtes der Sintflut war das ungezügelte Gaschmijut (Körperlichkeit) – Vergnügen nur um des Vergnügens willen. Wenn jemand diese Vergnügungen mit einem Geist des Ruchnijut (der Geistigkeit) durchdringt, ist dies das echte Vergnügen. Dies ist ein Vergnügen, das die Seele auch zufriedenstellen kann. Die Vergnügungen des Ruchnijut sind so viel befriedigender als die Vergnügungen des Gaschmijut. Das Olivenblatt musste vom Gan Eden kommen, weil es den Geschmack des Gan Eden haben musste – um ihnen die Vergnügungen der Geistigkeit zu präsentieren, was die einzige Möglichkeit war, eine weitere Flut zu verhindern.
Vor kurzem las ich eine Geschichte im Sefer von Raw Matitjahu Salomon. Er schreibt über einen heutigen Rosch Jeschiwa in Erez Jisrael, der ein grosser Marbiz Tora (Verbreiter des Torawissens) und ein sehr erfolgreicher Rosch Jeschiwa ist. Er hat Hunderte von Talmidim (Schüler), die selbst bereits Torawissen verbreiten. Dieser Rosch Jeschiwa begann jedoch als ein Ba’al Teschuwa. Genauer gesagt, begann er nicht als Ba’al Teschuwa, sondern als Awarjan (Sünder). In seinen Jugendjahren war es sein Lebensziel, alle physischen Vergnügungen der Welt, die Vergnügungen des Körpers zu kosten. Eines Tages näherte er sich in Haifa einem Haus mit einem schlechten Ruf, einer Institution mit dreisten Zeichen ausserhalb des Gebäudes, die den Charakter der Aktivitäten ankündigten, die in diesem Haus stattfanden. Er wollte das Gebäude betreten, als er einen charedischen Juden sah, der an dem Gebäude vorbeiging. Als dieser Jude daran vorbeiging, deckte er seine Augen zu, um sich vor der nicht sittlichen Werbung vor dem Haus abzuschirmen.
Plötzlich fragte sich dieser “Sünder”: “Was für Vergnügungen in der Welt hat dieser Mann, dass er bereit ist, auf das Vergnügen zu verzichten, das ich jetzt erleben wollte? Er meidet offenkundig dieses Vergnügen, also muss es offensichtlich in seinem Leben etwas geben, das das Vergnügen, das hier angeboten wird, überwiegt. Ich muss herausfinden, was genau dieses Vergnügen ist.”
Dies, erzählt Raw Matitjahu Salomon, war der Beginn der Odyssee dieses Mannes, die ihn in eine Jeschiwa brachte, in der er sich zu einem Adam Gadol (grossen Menschen) und Rosch Jeschiwa entwickelte. Er fühlte, dass es ein Vergnügen gibt, das ihm fehlte, das geistige, und er hatte recht! Dies ist die Interpretation eines “Olivenblatts in ihrem Munde”, worüber der Midrasch sagt, dass es vom Gan Eden kam. Die Welt beginnt von neuem. Falle nicht wieder in die Falle der “Vergnügungen dieser physischen Welt”. Es gibt andere Vergnügungen! Dies sind die Vergnügungen des Lernens und die Vergnügungen der Nähe zum Ribbono schel Olam (Herr der Welt). Diese übertreffen alle Vergnügungen dieser Welt.
Und auch die Vergnügen der Gaschmijut (Körperlichkeit) – die der Mensch benötigt – wenn sie mit einem Geist des Ruchnijut (der Geistigkeit) durchdrungen sind, ergeben sie ein echtes Vergnügen.
Midrasch Rabba (der grosse Midrasch): Grosse Sammlung von Erklärungen und Aggadot zum Chumasch der Tanna’im (Mischnagelehrten) und Amora’im (Talmudgelehrten).
Raschi, Akronym für Rabbi Schlomo ben Jizchak (1040-1105); Troyes (Frankreich) und Worms (Deutschland); „Vater aller TENACH- und Talmudkommentare“.
Rav Matitjahu Chajim Salomon (1937-2024), war ein englisch-amerikanischer Rabbiner, bekannter Redner und Maschgiach (geistiger Leiter und Ratgeber) der Gateshead Jeschiwa (GB) über 30 Jahre und danach Maschgiach der Lakewood Jeschiwa (N.J., USA).
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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich
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